Fußball

WM-Quali Kroatien gegen Serbien Kriegsgegner suchen Normalität

Nationaltrainer Igor Stimac empfängt mit seinen kroatischen Kickern den früheren Kriegsgegner Serbien zum WM-Qualifikationsspiel. Die Wunden, die der Krieg gerissen hat, sind noch immer nicht geschlossen.

Nationaltrainer Igor Stimac empfängt mit seinen kroatischen Kickern den früheren Kriegsgegner Serbien zum WM-Qualifikationsspiel. Die Wunden, die der Krieg gerissen hat, sind noch immer nicht geschlossen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Bedeutung des WM-Qualifikationsspiels zwischen Kroatien und Serbien geht weit über eine sportliche Brisanz hinaus. Rund 18 Jahre nach Kriegsende herrscht noch keine Normalität - trotz positiver Signale aus beiden Lagern. Die Stimmung zwischen bleibt aufgeheizt.

Es lag etwas in der Zagreber Luft an diesem 13. Mai 1990, eine Mischung aus sportlicher Rivalität, Revolutionsdurst und tiefer Abneigung. Das Aufeinandertreffen von Dinamo Zagreb und Roter Stern Belgrad im Stadion Maksimir war kein Fußballspiel, sondern Mitauslöser des Krieges, der den Südosten Europas ein halbes Jahrzehnt nicht loslassen sollte. Am Freitag treffen Kroatien und Serbien in der WM-Qualifikation erstmals seit 18 Jahren wieder aufeinander - im Stadion Maksimir.

Anfang der 90er Jahre stand Jugoslawien vor dem politischen Zusammenbruch, auch die Teilrepublik Kroatien strebte nach Unabhängigkeit von der Belgrader Regierung. Die Stimmung in Zagreb war brisant - und sie eskalierte.

Bereits vor Anpfiff stürmten Mitglieder der berüchtigten Dinamo-Fangruppierung "Bad Blue Boys" das Spielfeld und den Belgrader Fanblock. Die Polizei, mehrheitlich Serben, schlug brutal zurück. Es gab Dutzende Verletzte, die Spieler von Roter Stern mussten ausgeflogen werden. Die Folgen: Aus einem Fußballspiel, das nie stattfand, wurde ein Politikum, aus einer Anhängerschaft eine Armee, aus Spielern wurden Nationalhelden. Spieler wie Zvonimir Boban, der im Chaos einen prügelnden Polizisten umtrat, für neun Monate gesperrt wurde und die Weltmeisterschaft in Italien verpasste. Noch immer steht vor dem Stadion ein Mahnmal für die im Kroatienkrieg gefallenen Ultras.

Verhältnis bleibt angespannt

23 Jahre nach der Eskalation und fast 18 Jahre nach Ende des folgenden Kriegs ist das Verhältnis zwischen Kroaten und Serben noch immer angespannt. Im Vorfeld des Spiels meldete sich Dinamo-Präsident Zdravko Mamic zu Wort und bezeichnete den serbischstämmigen kroatischen Sportminister Zeljko Jovanovic unter anderem als "kroatienfeindlich". Jovanovic sei "eine Beleidigung des kroatischen Geistes" und habe das "Lächeln eines Schlächters".

Mario Mandzukic im November 2012. Eine politische Bedeutung seines Grußes verneinte er.

Mario Mandzukic im November 2012. Eine politische Bedeutung seines Grußes verneinte er.

(Foto: dpa)

Auch der militärische Salut von Münchens Mario Mandzukic, einer von sieben Bundesliga-Profis in beiden Kadern, sorgte vergangenes Jahr für Wirbel - trotz der Beteuerung, es sei kein Gruß an die gerade vor der Berufungskammer des UNO-Kriegsverbrechertribunals freigesprochenen Generäle Ante Gotovina und Mladen Markac gewesen. Es gibt aber auch positive Zeichen: "Ich wünschte, ich hätte einen Zauberstab, um sicherzustellen, dass die serbische Nationalhymne nicht verhöhnt wird", sagte der kroatische Verbandspräsident Davor Suker einer serbischen Presseagentur und versuchte so, die Wogen zu glätten.

Revanche für 1999

Beim letzten wichtigen direkten Aufeinandertreffen der Fußballteams 1999 hatte Serbien - damals noch als Jugoslawien - Kroatien aus der EM-Qualifikation gekickt. Immerhin war Kroatien ein Jahr zuvor bei der WM in Frankreich Dritter geworden. Jetzt mutmaßen viele Medien auf beiden Seiten, Kroatien werde "Revanche nehmen".

"Kroatien ist auf dem Papier deutlich besser", räumt der Serbe Slobodan Rajkovic vom Hamburger SV ein. Vor allem in der Offensive, ein jahrelanger Schwachpunkt der Serben, gelten die Kroaten mit dem Bayern-Torjäger Mario Mandzukic und Real-Star Luka Modric als deutlich gefährlicher.

Egal in welcher Sportart Serbien und Kroatien aufeinandertreffen - die politische Komponente spielt immer mit, auch 2012 bei der Handball-EM.

Egal in welcher Sportart Serbien und Kroatien aufeinandertreffen - die politische Komponente spielt immer mit, auch 2012 bei der Handball-EM.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das letzte große sportliche Kräftemessen zwischen den verfeindeten Nachbarn fand zur Handball-EM vor gut einem Jahr in Serbien statt. Auch damals gab es Randale, kroatischen Fangruppen wurde die Einreise verweigert. In den letzten Monaten hatte die Uefa beide Länder nach Gewaltorgien bei Fußballspielen gewarnt, es könne ein Ausschluss von der internationalen Bühne drohen, sollten die Behörden in Belgrad und Zagreb das Problem nicht lösen.

Ein Hauch von Deeskalation

Sogar die beiden Auswahl-Trainer beschwichtigen deshalb vor dem Spiel - trotz einer unschönen gemeinsamen Vorgeschichte. Kroatiens Igor Stimac und Serbiens Sinisa Mihajlovic trafen bereits als Aktive aufeinander, im Endspiel des jugoslawischen Pokals 1991 zwischen Hajduk Split und Roter Stern Belgrad kam es zur Eskalation. Nach einem tödlichen Zwischenfall in Mihajlovics Heimatdorf Borovo Selo einige Tage zuvor soll Hajduk-Spieler Stimac seinem Gegenüber nach überharten Aktionen auf beiden Seiten gesagt haben, er hoffe, seine Landsmänner hätten Mihajlovics Familie getötet. Beide flogen vom Platz.

Umso erstaunlicher, dass sich die Kontrahenten heute wieder besser verstehen. Nach jahrelanger Feindschaft sprachen sie sich im vergangenen Jahr bei einem Seminar in Warschau aus, nachdem er im November 2012 noch vorgeschlagen hatte, dass die freigesprochenen Generäle Gotovina und Markac den Anstoß im Spiel gegen Serbien ausführen sollten. Vergangene Woche ließ Stimac seinem Trainerkollegen als Freundschaftsgeste dalmatinischen Wein und Olivenöl zukommen. So liegt vor dem Spiel am Freitag wieder etwas in der Zagreber Luft: ein Hauch von Deeskalation.

Quelle: ntv.de

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