Fußball

So läuft das Spiel in Polen Löw rehabilitiert Kruse - nicht

Besprechung im Training.

Besprechung im Training.

(Foto: imago/Schüler)

Polens Torwart lacht sich kaputt, die DFB-Elf hinkt hinterher, Joachim Löws Assistent stellt Hütchen auf, Mario Balotelli spielt gar nicht mit. Und Thomas Müller will nichts von einem Warschau-Trauma wissen. Willkommen bei der EM-Qualifikation.

Worum geht’s?

Um alles. Schließlich tritt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft heute (ab 20.45 Uhr bei RTL und im Liveticker auf n-tv.de) in der Qualifikation zur Europameisterschaft 2016 beim Tabellenführer der Gruppe D an. Also in Warschau gegen eine Mannschaft aus Polen, die bereits mehr als dreimal so viele Tore geschossen hat wie die DFB-Elf. Oder weniger kryptisch formuliert: Deutschland hat halt im ersten Spiel in Dortmund mit 2:1 gegen Schottland gewonnen, Polen mit 7:0 im portugiesischen Faro gegen, nun ja, die Amateure aus Gibraltar. Abgesehen davon gelten die Polen als stärkster Gegner in dieser Sechser-Gruppe, in der noch Irland und Georgien mitspielen. Deshalb macht Joachim Löw das, was jeder Trainer an seiner Stelle machen würde - er warnt vor dem Gegner. "Ich habe das Flugzeug mit dem Gefühl betreten, dass uns ein heißes Spiel erwartet, in einem mit Sicherheit ausverkauften Stadion. Die Zuschauer werden nicht kommen, um den Weltmeister zu feiern. Polen wird keine Geschenke verteilen."

Wie stehen die Vorzeichen?

Wenn die DFB-Elf nicht jüngst in diesem wundersamen Sommer in Brasilien Weltmeister geworden wäre, würden alle von einer Reise an den Ort der größten Löw’schen Niederlage sprechen. Warschau, 28. Juni 2012, Nationalstadion: Die deutsche Mannschaft hat bei der Europameisterschaft alle drei Vorrundenspiele gewonnen, gegen Portugal, die Niederlande und Dänemark, im Viertelfinale Griechenland besiegt und steht nun im Halbfinale. Der Gegner heißt Italien. Die deutsche Mannschaft ist favorisiert – und chancenlos. Mario Balotelli schießt zwei Tore, das erste nach einer halben Stunde, das zweite sechs Minuten später - und das Spiel ist gelaufen.  Deutschland eins, Italien zwei. Oder: Wenn Jungs gegen Männer spielen. Ein Drama, das viele auch dem Bundestrainer anlasten, weil er sich bei seiner Aufstellung zu sehr am Gegner orientiert hatte und ein Paradebeispiel für das Vercoachen eines EM-Halbfinals lieferte.

Polen - Deutschland, 20.45 Uhr

Polen: Szczesny (FC Arsenal/24 Jahre/19 Länderspiele) - Piszczek (Borussia Dortmund/29/36), Glik (FC Turin/26/25), Szukla (Steaua Bukarest/30/7), Jedrzejczyk (FK Krasnodar/26/10) - Grosicki (Stade Rennes/26/23), Krychowiak (FC Sevilla/24/20), Jodlowiec (Legia Warschau/29/31), Rybus (Terek Grosny/25/29) - Milik (Ajax Amsterdam/20/10), Lewandowski (Bayern München/26/62)

Deutschland: Neuer (FC Bayern München/28/54) - Rüdiger (VfB Stuttgart/21/2), Boateng (FC Bayern/26/47), Hummels (Borussia Dortmund/25/36), Durm (BVB/22/3) - Kramer (Borussia Mönchengladbach/23/7), Kroos (Real Madrid/24/53) - Müller (FC Bayern/25/58), Draxler (Schalke 04/21/13), Schürrle (FC Chelsea/23/41) - Götze (FC Bayern/22/37)

Schiedsrichter: Pedro Proença (Portugal)

Wie ist das heute, Herr Löw? „Wenn sie mich nicht darauf angesprochen hätten, hätte ich gar nicht mehr daran gedacht.“ So ganz ernst hat er das nicht gemeint, sagt er dann auch. „Ich muss ehrlich zugeben, dass diese Niederlage auch Nachwirkungen hatte.“ Vor allen Dingen die Art und Weise sei frustrierend gewesen. Aber schließlich könne man aus Niederlagen auch lernen. „So schmerzlich sie auch war - bei dem Turnier in Brasilien haben wir in manchen Momenten von dieser Niederlage profitiert.“ Und die gute Nachricht für den Bundestrainer ist: Heute geht es gar nicht gegen Italien. Und wie sagte Thomas Müller am Donnerstag: „Da gibt’s jetzt nicht viel drüber nachzudenken. Ich kann keine Verbindung herstellen zu einem EM-Halbfinale, nur weil es im gleichen Stadion stattfindet.“

Wie ist die DFB-Elf drauf?

Personell arg gebeutelt, organisatorisch und emotional hingegen blendend. Zum Personaltableau: Von seinen 23 Brasilienfahrern stehen Bundestrainer Löw in Warschau 15 zur Verfügung. Das würde theoretisch reichen, um das komplette Spiel ausschließlich mit Weltmeistern zu bestreiten. Bedauerlicherweise aber sind gegen Polen „einige Spieler nicht dabei, die bei der WM eine wichtige Rolle gespielt haben“. Namentlich erwähnt wurden von Löw hierbei Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira. Sie werden im aktuellen Kader durch Jungstars wie Sebastian Rudy und Karim Bellarabi ersetzt, was Löw wohl auch davon abhielt, eine weltmeisterliche Leistung in Aussicht zu stellen. Das bisherige Training für den Qualifikations-Doppelpack habe gezeigt, dass das umgebaute und verjüngte DFB-Team noch Zeit brauche, um Abläufe und Automatismen zu festigen. Es sei generell nicht leicht, nach einem WM-Turnier wieder „auf Betriebstemperatur und in Höchstform zu kommen“. Mit einem Titel sei es sogar so, „dass wir die Gejagten sind und wahnsinnig viel tun müssen.“ Löw-Memo ans Team: „Wir sind Weltmeister, aber deswegen alleine gewinnt man die Spiele noch nicht.“ Deswegen wird man aber immerhin bei Gastspielen besonders freundlich begrüßt. In Warschau prangte zum Start des Abschlusstrainings auf dem Videowürfel der Arena: „Wir begrüßen den Weltmeister – die deutsche Nationalmannschaft.“ Auch organisatorisch war die letzte Übungseinheit eine Wonne. Löws neuer Co-Trainer Thomas Schneider bestätigte die lobenden Worte, die der Bundestrainer zuvor in Warschau über ihn gefunden hatte. Konkret: „Ich glaube, dass wir da nahtlos weitermachen können, wo wir mit Hansi Flick aufgehört haben.“ So akkurat wie in Warschau waren die Hütchen beim DFB-Team lange nicht mehr aufgestellt.

Wie läuft’s bei Polen?

Löw, ganz konzentriert.

Löw, ganz konzentriert.

(Foto: dpa)

Blendend. Zumindest machte Wojciech Szczesny gestern diesen Eindruck. Gemeinsam mit dem polnischen Nationaltrainer Adam Nawalka und dem Kollegen Grzegorz Krychowiak war der Torhüter des FC Arsenal am frühen Abend zur Pressekonferenz im Warschauer Nationalstadion erschienen. Und bekam, als Krychowiak sprach, einen Lachanfall, wischte sich mit dem Sweatshirt die Tränen aus den Augen und konnte sich minutenlang kaum halten. Mysteriös. Hatte sein Mitspieler doch lediglich gesagt, keine Angst vor dem Weltmeister zu haben. Auch der Dolmetscher konnte hinterher das Rätsel nicht lösen. „Keine Ahnung. Aber das ist symptomatisch für unsere polnischen Nationalspieler, dass sie ständig lachen - und keiner weiß warum.“ Und sonst? Hat Löws Kollege Nawalka angekündigt, seine Polen gehen „nicht aufs Feld, um für ein Unentschieden zu kämpfen“. Schließlich hat er Schwächen bei der DFB-Elf ausgemacht, die er aber öffentlich nicht benennt. Nawalka hat einen Plan, über den er aber nicht spricht, nur so viel: „Ein Spiel dauert 90 Minuten.“ Und: „Wir haben auch Weltklassespieler.“ Womit er Robert Lewandowski, den Stürmer des FC Bayern, gemeint haben könnte. Oder Szczesny, den Weltklasse-Spaßvogel. Da muss sich Thomas Müller heute warm anziehen.

War sonst noch was?

Max Kruse ist wieder dabei. Aber, ganz wichtig: Er ist nicht rehabilitiert. Sagt der Bundestrainer über den Mönchengladbacher, den er nicht mit zur WM nach Brasilien mitgenommen hatte. Es sei nämlich so: „Ich muss ihn nicht rehabilitieren. Alle Dinge, die spekuliert worden sind, haben keine Rolle gespielt.“ Was nicht heißt, ergibt die Exegese, dass diese Dinge nicht stattgefunden haben. Jedenfalls habe seine Entscheidung gegen Kruse ausschließlich sportliche Gründe gehabt. „Wir hatten mit Miroslav Klose, Mario Götze und Thomas Müller drei Spieler, die auf der Position spielen können.“ Will meinen: auf der des zentralen Angreifers. „Ich hatte mich einfach für die drei Spieler entschieden.“ Nun scheint wieder alles gut. „Max hat sich in dieser Saison nach anfänglicher Krankheit hervorragend herangekämpft und hat maßgeblichen Anteil daran, dass Gladbach so weit oben steht.“ Na ja, und Klose ist ja nun auch weg. Die Chance für Kruse. „Er ist ein schlauer Spieler, der in die Räume geht und für den Gegner überraschende Dinge macht.“ Nur Weltmeister, das ist er nicht.

Quelle: ntv.de

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