Fußball

(Un-)komplizierte Wechselpanne Miese Beratung könnte Wolfsburg retten

Josip Brekalo rettete den VfL Wolfsburg in die Verlängerung.

Josip Brekalo rettete den VfL Wolfsburg in die Verlängerung.

(Foto: picture alliance/dpa)

Mark van Bommel und der VfL Wolfsburg glaubten, das Zittern um den Einzug in die zweite Runde des DFB-Pokals mit ihrem Sieg nach Verlängerung beim Viertligisten Preußen Münster überstanden zu haben. Aber das Bangen, es geht weiter. Wie die Sache für den Champions-League-Starter ausgeht, ist offen.

Es hätte so einfach sein können: Hätte Josip Brekalo in der 90. Minute nicht mit seinem Ausgleichstreffer die Pokal-Blamage beim westfälischen Viertligisten Preußen Münster verhindert, wäre alles geklärt. Man würde heute, vielleicht noch morgen, über den dramatischen Fehlstart des Champions-League-Teilnehmers reden. Dann: Alltag. Oder hätte es Mark van Bommel in seinem ersten Pflichtspiel als Trainer des Bundesligisten einfach bei fünf Auswechslungen belassen. Die Wölfe wären durch den 3:1-Sieg nach Verlängerung mit einem blauen Auge davongekommen. Ein bisschen Erleichterung, ein bisschen Analyse. Dann: Alltag.

Aber statt Alltag herrscht Aufregung und dem VfL Wolfsburg droht das nachträgliche Erstrunden-Aus. Denn der Niederländer wechselte sechs- statt der erlaubten fünfmal. Und legt Preußen Münster erwartungsgemäß Einspruch gegen die Wertung des Spiels ein, scheint der Fall relativ klar. In den Durchführungsbestimmungen des DFB heißt es nämlich, dass "auch in der kommenden DFB-Pokalsaison fünf Auswechselungen möglich" sind und unter Paragraf 31, Punkt 3a geht es wie folgt weiter: "Während des Spieles dürfen fünf Spieler ausgetauscht werden. Eine darüber hinaus gehende zusätzliche Auswechslung bei Spielen mit Verlängerung ist nicht zulässig." Unmissverständlich. Damit fährt der DFB eine andere Linie als die UEFA: Die erlaubt bei ihren Wettbewerben sechs Auswechslungen, wenn das Spiel in die Verlängerung geht. Das wurde nun offenbar dem VfL Wolfsburg zum Verhängnis.

Schlechter Rat schützt vielleicht vor Strafe

In Wolfsburg versichert man, dass man sich beim Vierten Offiziellen erkundigt habe, ob sich durch die Verlängerung eine zusätzliche Wechseloption ergeben habe. Dreimal hatte van Bommel in der regulären Spielzeit gewechselt, zweimal schon vorher in der Verlängerung - und dann in der 103. Minute zum sechsten Mal, 1:1 stand es da noch. Bevor van Bommel Admir Mehmedi aufs Feld schickte, habe man sich mehrfach beim Vierten Offiziellen Tobias Fritsch rückversichert, dass das rechtens sei, heißt es. Das macht den Fall zumindest moralisch kompliziert und würde ein schlechtes Licht auf das Schiedsrichtergespann um Christian Dingert werfen. Dingert soll die Wechselproblematik laut Medienberichten im Spielbericht notiert haben. Dazu äußern wollte er sich nicht.

Dieser Vorgang macht die Sache kompliziert. ntv-Schiedsrichterexperte Alex Feuerherdt ("Collinas Erben") sieht das Schiedsrichterteam in der Mitverantwortung: "In den Fußballregeln ist festgelegt, dass es eine maximale Zahl an Auswechslungen gibt. Wie hoch diese Zahl ist, können die Verbände in bestimmten Wettbewerben selbst festlegen, wobei fünf das Maximum ist. Ob eine zusätzliche Auswechslung in der Verlängerung eines Pokalspiels möglich ist, können ebenfalls die nationalen Verbände entscheiden - auch das steht so im Regelwerk. Daran ist der Schiedsrichter gebunden", sagt Feuerherdt. "Er ist dafür verantwortlich, den Regeln Geltung zu verschaffen. Das heißt auch, dass er einem Wechsel nicht zustimmen darf, wenn die betreffende Mannschaft das Wechselkontingent erschöpft hat. Es erspart auch allen Beteiligten eine Menge vermeidbaren Ärger."

Nun werden der DFB und mutmaßlich das Sportgericht klären, ob die Wechselposse Konsequenzen für den VfL Wolfsburg hat - wenn Preußen Münster Protest gegen die Wertung des Spiels einlegt. Initiativ wird der Verband in diesen Fällen nicht tätig. "Ja, es ist uns bewusst, dass Wolfsburg sechsmal gewechselt hat. Wir werden das intern besprechen und entscheiden, ob und wie wir dagegen vorgehen", sagte Preußen-Manager Peter Niemeyer. Unvorstellbar, dass der Viertligist, der zum Zeitpunkt des Regelverstoßes noch voll im Spiel war, auf einen Einspruch verzichtet.

Wo liegt die Verantwortung?

Das Ergebnis einer Verhandlung ist allerdings offen: "Das wird im Falle eines Protests durch Preußen Münster das Sportgericht zu bewerten haben. Fehler sind hier auf zwei Seiten geschehen: Zum einen beim VfL Wolfsburg, der hätte wissen müssen, dass ein sechster Wechsel in der Verlängerung laut §31 der Durchführungsbestimmungen des DFB nicht möglich ist. Und zum anderen beim Schiedsrichterteam, das den Wechsel zugelassen hat, obwohl das Wechselkontingent der Wolfsburger mit dem fünften Wechsel erschöpft war", erklärt Feuerherdt. "Die Frage wird sein, wem das Sportgericht im Fall der Fälle die Hauptverantwortung zuschreibt. Sollte es der Ansicht sein, dass sie bei den Unparteiischen liegt, weil diese dem Wechsel nicht hätten zustimmen dürfen, dann könnte das dem VfL Wolfsburg entgegenkommen. Dass Wolfsburg gar keine (Mit-)Verantwortung zugeschrieben bekommt, kann ich mir aber nur schwer vorstellen."

Unterlief in der Bundesliga einem Trainer eine Wechselpanne und gab es einen Protest, wurde das Spiel für den Gegner gewertet. Egal, ob Giovanni Trapattoni einst zu viele Vertragsamateure aufs Feld schickte oder ob Otto Rehhagel in der Hitze des Gefechts einen Nicht-EU-Ausländer zu viel spielen ließ. Bei K.-o.-Spielen wurde die Lage vor allem international weniger klar beurteilt: Christoph Daum wechselte dereinst in der Champions League gegen Leeds United einen Nicht-EU-Ausländer zu viel ein, das Weiterkommen des VfB Stuttgarts war futsch - weil ein Wiederholungsspiel angesetzt wurde und das zu hoch verloren ging. Als Präzedenzfälle taugen diese Spiele allerdings allesamt nicht: Für die Prüfung der Spielberechtigung der einzelnen Akteure sind der Schiedsrichter und sein Gespann nicht verantwortlich. Einen vergleichbaren Fall hatte es in der Bundesliga zuvor nur einmal gegeben: 1996 wechselte Klaus Augenthaler als Interims-Trainer des FC Bayern in der Halbzeit gleich vier Spieler aus. Weil Gegner Fortuna Düsseldorf nach dem 2:2 am letzten Spieltag der Saison 1995/96 aber keinen Protest gegen die Spielwertung einlegte, gab es keine Untersuchung und keine Konsequenzen.

"Sollte das Sportgericht im Falle eines Protests dem Schiedsrichter zumindest eine Mitverantwortung geben, wäre die Frage zu beantworten, ob der Wechselfehler einen Einfluss auf den Spielausgang hatte. Als der Fehler geschah, stand es 1:1, direkt danach fiel das 1:2, wobei Mehmedi - also der als Sechster eingewechselte Wolfsburger - daran nicht beteiligt war", sagt Feuerherdt und wagt einen vorsichtigen Blick in die Zukunft: "Denkbar könnte dennoch ein Wiederholungsspiel sein, denn das Spiel hat sich erst nach dem Wechsel entschieden, und zwar zugunsten des Teams, das zu häufig gewechselt hat."

Unschöne Tradition in Wolfsburg

Mark van Bommel jedenfalls ist der Einzug in eine prominent besetzte Ahnengalerie des deutschen Fußballs sicher: Der Niederländer steht künftig in einer Reihe mit Otto Rehhagel, Giovanni Trappatoni, Klaus Augenthaler, Winfried Schäfer oder Hennes Weisweiler. Allen diesen großen Trainern waren einst Wechselfehler unterlaufen. Stolz machen wird das Mark van Bommel jedoch eher nicht. Egal, wie die Sache ausgeht.

In Wolfsburg gibt es eine gewisse Tradition, Pokalspiele wegen falsch eingesetzter Spieler zu verlieren. Die "Wolfsburger Pokal-Trottel", wie es damals in den Zeitungen hieß, hatten 2004 in der ersten Runde gegen die Amateure des 1. FC Köln gespielt und gewonnen. Doch weil mit Marian Hristov ein Akteur auflief, der eigentlich gesperrt war, ging die Sache nach hinten los: Der Kölner Protest wurde vom DFB im Schnellverfahren abgewickelt, der Bundesligist war draußen.

Ursache des Problems: Den VfL-Verantwortlichen war offenbar ein Fax entgangen, auf dem der DFB alle Spieler aufgeführt hatte, die in der ersten Pokalrunde nicht spielberechtigt seien. Hristov stand auf dieser Liste, weil er - noch im Trikot des 1. FC Kaiserslautern - wenige Monate zuvor im Pokalfinale vom Platz geflogen war. Das Fax suchte man schon am Morgen nach dem "handwerklichen Fehler", der dem Verein einen "Imageschaden" zugefügt habe, auf der Wolfsburger Geschäftsstelle fieberhaft und vergeblich. Doch das änderte am Sachverhalt ohnehin nichts. "Information", räumte der damalige VfL-Sprecher Klaus Rippholz ein, "ist eine Hol- und keine Bringschuld."

Quelle: ntv.de, ter

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