Der Skandal, der keiner war Mit Klopapier auf Berti Vogts
06.06.2011, 12:09 UhrWas erst dramatisch klingt, erweist sich am Ende als skurrile Protestaktion gegen einen unbeliebten Fußballnationaltrainer. Journalisten lauern Berti Vogts auf - und schwenken Klopapierrollen und eine rote Gießkanne. Nun ja. Am Dienstag jedenfalls spielen Vogts' Aserbaidschaner gegen Deutschland.
Was am Ende übrig blieb, waren: einige Rollen Klopapier, eine rote Gießkanne und ein lächelnder Berti Vogts, der am Dienstag als Trainer mit der Fußballnationalelf Aserbaidschans gegen die deutsche Mannschaft in der EM-Qualifikation spielt. Klopapier und eine Gießkanne? Das hatte sich doch ursprünglich alles viel spektakulärer angehört. Was war da los bei der Pressekonferenz in der Hauptstadt Baku?
Die erste Nachricht klingt dramatisch, der Sportinformationsdienst (sid) verschickt sie am Sonntag um 12.30 Uhr als Eilmeldung: "Ex-Bundestrainer Vogts während PK tätlich angegriffen." Skandal! Quelle: Vogts. "Ich habe Anzeige erstattet und werde mich mit meinem Anwalt über die nächsten Schritte beraten", wird er zitiert. In Wien zeigt sich Bundestrainer Joachim Löw irritiert, als ihn knapp eine Stunde später die Nachricht während einer Pressekonferenz zur Lage bei der deutschen Mannschaft erreicht. "Das ist unmöglich. Das ist ein No-Go, dass jemand tätlich attackiert wird - unabhängig von Niederlage oder Blamage."
Schock? Skandal? Schläger?
Um 13.47 Uhr legt der Sportinformationsdienst nach, berichtet von einem "Skandal in Baku" und titelt: "Schläger attackieren Vogts". Der ehemalige Bundestrainer sei zutiefst schockiert, Ordnungskräfte hätten Schlimmeres verhindert. "Ich habe schon viel erlebt, aber mit so etwas hätte ich nicht gerechnet. Das ist auch nicht zu verstehen, das geht gar nicht. Mir fehlen die Worte", sagt Vogts der Agentur - am Telefon. Und vermutet, dass es sich um "bezahlte Schläger" handelte, die von einflussreichen Leuten bezahlt worden seien. "Ich habe diese Leute vorher noch nie gesehen, daher glaube ich nicht, dass das Journalisten waren."
Anlass der Empörung sei gewesen, dass Vogts Aserbaidschaner am Freitag ihr Spiel in Kasachstan mit 1:2 verloren hatten. Kasachstan, das ist die Mannschaft, die bis dahin in der Qualifikationsgruppe A weder ein Tor geschossen noch einen Punkt geholt hatte.
"Klopapierrollen, die sich mehr und mehr abwickelten"
Die Deutsche Presseagentur (dpa) steigt um 15.19 Uhr ein, auch sie hat - wie der sid - keinen Reporter vor Ort. Und berichtet deutlich moderater. Vogts sei angegriffen worden, "nach eigenen Worten von drei Journalisten". Und die dpa zitiert die ARD. Demnach soll "ihn ein Mann mit einer Gießkanne und ein weiterer mit Toilettenpapier erwartet haben". Vogts habe betont, er wolle den Vorfall nicht zu hoch hängen. Mehr will Vogts nicht sagen, jedenfalls nicht der dpa. Die zitiert ihn um 15.58 Uhr: "Ich kann nur sagen, dass ich angegriffen worden bin. Das ist abgehakt. Die Konzentration gilt der Mannschaft." Alles scheint dann doch nur halb so schlimm gewesen zu sein.
Licht ins Dunkel bringt die "Süddeutsche Zeitung" in ihrer Ausgabe vom heutigen Montag. Unter der Überschrift "Berti Vogts mit Klopapier bedroht" berichtet Daniel Theweleit, wie er den Vorfall in Baku beobachtet hat: "Als die Pressekonferenz zu Ende war, hatten sich sechs, sieben Berichterstatter in dem Gang vor dem Konferenzraum positioniert und wedelten mit Klopapierrollen, die sich mehr und mehr abwickelten. Auch eine rote Gießkanne wurde geschwenkt, offenbar mangels anderer Gegenstände." Vielleicht, so räumt Theweleit ein, habe Vogts sich tatsächlich bedroht gefühlt. Sicherheitskräfte aber seien definitiv zu keinem Zeitpunkt nötig gewesen.
Was bleibt, sind: Einige Rollen Klopapier, eine rote Gießkanne, ein Skandal, der keiner war und ein lächelnder Berti Vogts. Der, so mag es scheinen, eine Gelegenheit genutzt hat, seinen Abschied aus Aserbaidschan vorzubereiten.
Quelle: ntv.de