Nur bedingt erstligatauglich? Reis erstellt Schalker Mängelliste nach Debüt-Pleite
31.10.2022, 07:13 Uhr
Glück sieht anders aus.
(Foto: IMAGO/RHR-Foto)
Erstes Spiel, erste Niederlage: Für den neuen Schalke-Trainer Thomas Reis läuft das Debüt alles andere als gut. Der Bundesliga-Rückkehrer geht gegen den Dritten SC Freiburg als deutlicher Verlierer vom Platz und hängt damit am Tabellenende fest. Nicht einmal Reis scheint überzeugt, dass sich das zeitnah ändert.
Die Zeichen standen mal wieder auf Neuanfang rund um das Schalker Stadion. Vor dem Heimspiel gegen den SC Freiburg nahmen die Fans das Ende einer turbulenten Woche zum Anlass, um ihren neuen Trainer und Hoffnungsträger Thomas Reis mit einer beeindruckenden Choreografie zu begrüßen. Ein Trikot, so gewaltig wie die legendäre Nordtribüne, das zunächst weiß war, sich dann mit blauem Rauch füllte, sollte Symbol für die Größe des mal wieder kriselnden Ruhrgebietsvereins sein. Und eine wieder einmal aufregende Zeit rund um den Schalker Markt beenden.
Doch weil sich diese geballte Kreativität der leidensfähigen Fangemeinde nicht auf direktem Wege auf die Mannschaft übertrug, misslang aus Sicht der Gelsenkirchener Bundesliga-Kicker der Auftakt der neuen Reis-Zeit. Der erhoffte fußballerische Befreiungsschlag blieb aus. Gegen den jederzeit souverän agierenden Sport-Club aus Freiburg unterlag der FC Schalke 04 verdient mit 0:2 (0:1) und offenbarte nach einer sehr ordentlichen Anfangsphase mit zunehmender Spieldauer die bereits bekannten Defizite. "In den Umschaltmomenten waren wir sehr fahrlässig. Der letzte Pass kam nicht. Wir waren unsauber im Abschluss", so Reis.
Auch wenn der derzeit so formstarke Klub aus dem Breisgau ein undankbarer Gegner zum Arbeitsbeginn in einem hoch verunsicherten Verein ist, wertete der neue Chef-Übungsleiter sein Debüt auf der Schalker Bank als Fehlschlag. "Mit Sicherheit muss da mehr kommen", so Reis nach der sechsten Niederlage der Knappen in Serie. "Wir haben verloren und hatten gerade zu Beginn der zweiten Halbzeit Phasen, in denen eine große Unsicherheit da war."
Woche voller Absurditäten
Es wäre auch überraschend gewesen, wenn nur wenige Tage nach aufsehenerregenden Personalentscheidungen plötzlich alles rund gelaufen wäre. Was hatten sie in diesen letzten Tagen auf Schalke nicht alles verdauen müssen. Nicht allein, dass mit Reis der nach dem Rauswurf von Frank Kramer verwaiste Chefplatz auf der Bank neu besetzt wurde, zudem nahm Sportdirektor Rouven Schröder völlig überraschend seinen Hut. Der Architekt der Aufstiegsmannschaft hatte um Auflösung seines Vertrages gebeten, Details, die zu dieser unerwarteten Entscheidung führten, gab der Verein nicht preis, was allerorten zu wüsten Spekulationen führte. Königsblau kann ganz offensichtlich nicht ohne diese Absurditäten.
Auch fußballerisch hatte der Trainerwechsel kleinere Verwerfungen hervorgerufen. Dass Reis, der für seinen neuen Arbeitsplatz sogar tief ins eigene Portemonnaie gegriffen hat, um sich von seinem alten Arbeitgeber loszukaufen, seinem neuen Klub ein 4-3-3-System verordnen würde, überraschte nicht sehr, zumal der Fußballlehrer schon zu Bochumer Zeiten ein Anhänger dieser Fußballphilosophie war. Eine Viererkette mit Alex Kral und Tom Krauß als Doppelsechs davor, sollten der zuletzt anfälligen Schalker Defensive endlich das geben, was sie seit Saisonbeginn verzweifelt suchte: Stabilität. Das hatte der Coach schon unter der Woche in den wenigen Einheiten, die er gemeinsam mit dem Team üben konnte, propagiert. "Wir haben in den ersten Sessions den Fokus auf die Defensive gelegt, um dem Team ein gutes Gefühl auf dem Platz zu geben", so Reis. "Wer viele Tore kassiert und vorne nur wenige schießt, holt halt keine Punkte." Wie wahr.
Defensivkonzept hält (noch) nicht
Dass das überarbeitete Defensivkonzept leider schon nach einer guten halben Stunde erste Risse bekam, weil sich Außenverteidiger Thomas Ouwejan bei einer Grätschaktion das Knie verdrehte und ausgewechselt werden musste, war allerdings nicht der Grund für die erneute Niederlage. Der für ihn eingewechselte Kerim Calhanoglu, der es in dieser Spielzeit unter Reis-Vorgänger Frank Kramer bislang gerade mal auf vier Bundesligaminuten gebracht hatte, führte sich sofort gut ein. Mit einem fulminanten Volleyschuss nur wenige Sekunden nach seiner Einwechslung hätte er das Stadion in Verzückung setzen können, doch der Ball rauschte knapp über die Latte.
Derselbe Calhanoglu war es aber auch, der nach exakt einer Stunde einen Foulelfmeter verursachte, in dem er mäßig gekonnt gegen seinen Gegenspieler Jeong agierte und dabei mithilfe des Videoassistenten seiner Übeltat überführt wurde. Vincenzo Grifo legte sich den Ball zurecht und traf souverän zum 2:0, was dann auch schon den Endstand bedeutete. Schon kurz vor dem Halbzeitpfiff von Schiedsrichter Christian Dingert hatte Doppeltorschütze Grifo die einzige Defensivschwäche der Gastgeber im ersten Durchgang zur durchaus verdienten Führung genutzt und Thomas Reis kurzfristig zum Umschreiben seiner Halbzeitansprache gezwungen. "Dieses 0:1 dürfen wir so nicht kassieren", sagte auch Torhüter Alexander Schwlolow, der aufgrund zahlreicher Patzer in den vergangenen Begegnungen schon als erster Reis'scher Streichkandidat galt.
Kader nur bedingt erstligatauglich
Stattdessen aber setzte der Neu-Coach Aufstiegslegende Simon Terrodde auf die Bank und gab mit Sebastian Polter seinem Schützling aus Bochumer Zeiten den Vorzug. Polter haderte wie alle Schalker mit dem Rückstand kurz vor dem Pausenpfiff, gab sich dann aber optimistisch für die Zukunft. "Die Saison ist noch lang, um die nötigen Punkte zu holen", so der Angreifer. "Wir müssen jetzt zuhören, was der Trainer sagt, und dann daran arbeiten, den Turnaround zu schaffen."
Das klingt schon ein wenig nach den klassischen Durchhalteparolen. Reis weiß spätestens nach diesem Spiel, wie ambitioniert die Aufgabe auf Schalke sein wird. Die Situation ist nicht erst seit der sonntäglichen Niederlage gegen Freiburg existenziell. "Wir werden den Kopf nicht in den Sand stecken, aber es wird sehr, sehr schwer", sagte er bei DAZN. Der Kader hat offensichtlich nur bedingt Erstliga-Tauglichkeit. "Gerade in der Defensive haben wir nicht so viele gute Spieler, um einen Konkurrenzkampf anzufachen", sagt Reis, der sicher noch einige Verstärkungen auf seinem Wunschzettel stehen hat, um in der Rückrunde anzugreifen. "Wir müssen qualitativ unbedingt noch zulegen", sagt er. Man darf gespannt sein, was die Finanzabteilung des Traditionsvereins dazu sagen wird.
Quelle: ntv.de