Bremen träumt von Pokal und HSV Schalkes fatale Fehler reizen Coach Stevens
04.04.2019, 10:37 Uhr
Der DFB-Pokal bleibt unerreichbar, doch die Liga scheint zu retten für Huub Stevens und seinen FC Schalke.
(Foto: REUTERS)
Die engagierte Leistung gegen Bremen verhindert nicht das Pokal-Aus für den FC Schalke 04. Während sich die Gelsenkirchener nun ganz auf den Abstiegskampf konzentrieren müssen, dürfen die Gäste weiter von Europa träumen - und hoffen auf ein Nordduell im Halbfinale.
Es war kein Fest für Umweltschützer, was am gestrigen Abend rund um die Schalker Arena passierte. Feinstaub lag gleich tonnenweise in der Luft. Erst war es die Verkehrsdichte rund um das Schalker Stadion, zum Anpfiff waren es die Bremer Ultras, die mit viel Rauch und Pyro das Spektakel auf ihre Art begleiteten. Die dicken Rauchschwaden, die in den ersten Minuten des Viertelfinalspiels um den DFB-Pokal zwischen den gastgebenden Gelsenkirchenern und den Gästen von der Weser durch die Arena waberten, nahmen allerdings Werder den Durchblick - zunächst zumindest.
Denn bis zu den beiden Treffern durch Milot Rashica (65.) und Davy Klaassen (72.), die den Gästen einen 2:0 (0:0)-Erfolg bescherten und den Weg ins Halbfinale des DFB-Pokals ebneten, hatte Grün-Weiß heftige Gegenwehr von Blau-Weiß zu brechen. Die Hausherren verpassten gleich mehrfach die mögliche Führung, litten aber wieder einmal unter ihrer eklatanten Abschlussschwäche. Das hatte auch Florian Kohfeldt so gesehen. "Die Spielkontrolle, die wir so gern mögen, haben wir heute nicht gehabt", sagte der Bremer Chefcoach nach Spielende. "Dem einen oder anderen fehlte heute offensichtlich der leichte Fuß. Kassieren wir hier das 0:1, wer weiß, was dann bei Schalke passiert wäre."
"Bin nicht unzufrieden"
Tatsächlich dominierte der S04 mehr als eine Stunde das Match, die Tore aber machte der Gegner. Und was für welche. Rashica gelang ein Sonntagsschuss aus halbrechter Position ins linke Toreck, er war somit im vierten Spiel in Folge erfolgreich. Nur sieben Minuten später bewies Klaassen viel Gefühl und mogelte den Ball aus kurzer Entfernung, aber höchst gekonnt an Schalkes Keeper Alexander Nübel vorbei ins lange Eck.
Es war der Triumph der Effizienz über Engagement und Leidenschaft. Und weil das so war, versemmelte Schalke die allerletzte Chance auf die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb. Der Absturz des letztjährigen Vizemeisters geht weiter. "Ich bin nicht unzufrieden über unser Spiel", resümierte ein gereizter S04-Coach Huub Stevens. "Aber wir haben in bestimmten Momenten Fehler gemacht, die man nicht machen darf. Schon gar nicht gegen ein Team wie Werder."
"Viele positive Dinge"
Immerhin: Die spielerische Armseligkeit der vergangenen Monate war gestern kein Thema. Eher schon die Vielzahl ungenutzter Torchancen. Unmittelbar nach Wiederanpfiff vergaben Nassim Boujalleb (47.), der nach seinem Bundesligadebüt am vergangenen Sonntag in Hannover überraschend in die Startformation beordert wurde, Salif Sané (50.), Guido Burgstaller, der nur den Pfosten traf (51.) und Breel Embolo (53.) die Führung fast im Minutentakt. "Es klingt jetzt vielleicht ein wenig blöd", sagte Pechvogel Burgstaller anschließend, "aber wir haben heute viele positive Dinge gesehen." Was das allerdings für den Bundesliga-Alltag bedeutet, wird man am Samstag sehen, wenn er und seine Kollegen gegen Eintracht Frankfurt antreten müssen (15.30 Uhr im Liveticker bei n-tv.de).
Getröstet hat dieser beherzte Auftritt den ebenso stimmgewaltigen wie leidensfähigen Anhang in der Arena eher nicht. Gefeiert haben dann eben die anderen. Aber verhalten: In Bremen nämlich gehen die Gedanken nach dem zweiten Pokal-Coup im Ruhrgebiet - im Achtelfinale hatte Werder bereits die Dortmunder ausgeschaltet - schon weiter in die Zukunft. Sowohl im Pokal als auch in der Bundesliga haben die Norddeutschen, die in diesem Jahr auch im elften Pflichtspiel ohne Niederlage blieben, gute Chancen, ihr Saisonziel zu erreichen und in der kommenden Spielzeit wieder europäisch zu spielen.
Bremer Fans träumen - von Hamburg
Die nächste Aufgabe führt die Grün-Weißen am Wochenende nach Gladbach zur Borussia, wo einst Max Kruse Arbeitnehmer war (Sonntag, 18 Uhr im Liveticker bei n-tv.de). Und für die Auslosung des Halbfinales gibt es aus Sicht der Bremer Fans einen riesengroßen Wunsch. Schon in Gelsenkirchen besangen 6000 mitgereiste Anhänger unter den insgesamt 61.597 Besuchern eine mögliche Auseinandersetzung mit dem großen Konkurrenten HSV. "Über Hamburg", so dröhnte es durch die Arena, "fahr'n wir nach Berlin."

Erst nach Hamburg, dann nach Berlin: der Pokal-Plan der Bremer Fans.
(Foto: imago images / Nordphoto)
Die Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb würde dem Klub von der Weser zudem Argumente - sowohl sportlich als auch finanziell - liefern, um ihren Kapitän auch in der kommenden Spielzeit an sich zu binden. Kruses Kontrakt endet im Sommer, ganz Bremen wartet auf die Entscheidung des 31-Jährigen, der den anstehenden Verhandlungen aber ebenso gelassen wie offen gegenübersteht. "Meine Personalie", sagt Kruse, "wird in den nächsten Wochen besprochen". Und weiter: "Wenn es keine realistische Chance auf einen Verbleib in Bremen gäbe, hätte ich das den Verantwortlichen schon mitgeteilt."
"Mitgenommen haben wir nichts"
In Gelsenkirchen könnten sie einen wie ihn derzeit gut gebrauchen, wirklich Werbung in eigener Sache haben die Blau-Weißen allerdings nur phasenweise gemacht. Ein Erbe aus der Tedesco-Ära ist die nach wie vor flache Hierarchie in der Mannschaft, dem Knappen-Kollektiv fehlt ein Spieler mit Führungsanspruch. Omar Mascarell auf der Sechs gibt dem Team zwar endlich Stabilität, und auch Sebastian Rudy spielt deutlich stärker als noch unter Stevens Vorgänger. Aber beide werden sicher noch Zeit brauchen, um Chef zu werden. Trainer Stevens jedenfalls, der schon 2001 und 2002 mit Schalke den DFB-Pokal gewann, scheint nach drei Wochen im Amt zu wichtigem Erkenntnisgewinn gekommen zu sein. "Ich weiß jetzt endlich woran es liegt", so der 65-Jährige. Verraten aber wollte er nichts. "Das bespreche ich mit den Spielern."
Wäre gut für ihn und für Schalke, wenn das Thema Abstieg möglichst rasch keines mehr ist. Auch nach dem Sieg in Hannover bleibt die Situation heikel. Und so lange das so ist, können viele andere Dinge am Schalker Markt nicht entspannt verhandelt werden. Die Baustellen des Traditionsklubs sind vielgestalt. Gesucht wird ein Trainer für die kommende Spielzeit, zudem ein Sportdirektor und - ganz sicher - einige neue Spieler für das erfolglose Team. Leichter geworden sind diese Aufgaben nach dem Pokal-Aus sicher nicht. "Von da heraus", um im Duktus des Holländers zu bleiben, "bleibt uns nur ein gutes Spiel. Mitgenommen haben wir nichts."
Quelle: ntv.de