Fußball

Zum Tod einer Fußball-Legende Timo Konietzka, Mann ohne Angst

Damals, 1963: Timo Konietzka im Dress des BVB gegen den Karlsruher SC.

Damals, 1963: Timo Konietzka im Dress des BVB gegen den Karlsruher SC.

(Foto: dpa)

Den Tod hat er nicht gewählt - er ist ihm zuvorgekommen. Timo Konietzka, der Mann, der das erste Tor in der Fußball-Bundesliga schoss, ist tot. Noch im vergangenen Jahr hatte er davon gesprochen, 100 Jahre alt werden zu wollen. Aber auch davon, nie als Pflegefall zu enden.

Angst, hat Timo Konietzka noch im vergangenen Jahr gesagt, Angst kenne er nicht. "Angst habe ich nie in meinem Leben gehabt. Höchstens mal, wenn so ein Zwei-Meter-Mann vor dem Spiel kam und zu mir sagte: 'Hömma! Du siehst heute keinen Ball oder ab ins Krankenhaus!' Ansonsten nicht." Auch nicht vor dem Tod. "Aber ich will 100 Jahre alt werden! Mit Wille und gesundem Lebenswandel, wenn man sich viel bewegt, kann man heutzutage 100 Jahre alt werden." Nun ist Timo Konietzka, der Mann, der im August 1963 das erste Tor in der Fußball-Bundesliga schoss, in Brunnen am Vierwaldstättersee im Alter von 73 Jahren gestorben.

Timo Konietzkas Todesanzeige

"Liebe Freunde!
Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Exit bedanken, die mich am Montagnachmittag von meinen Qualen erlöst und auf dem schweren Weg begleitet haben. Ich bin sehr froh!

Traurig bin ich nur, weil ich meine Claudia, meinen Sohn Oliver mit Moni und unsere Kinder Dina und Manuel mit Sämi und Tanja und die geliebten Enkelkinder Gregory, Larissa, Robin und Yven sowie unsere treue Wegbegleiterin Irma Herger verlassen muss.

Macht alle das Beste aus Eurem Leben! Meines war lang und doch so kurz.

Diese Anzeige gilt als Leidzirkular. Die Trauerfeier findet im engsten Familienkreis statt. Bitte keine Kondolenzen.

Wir hoffen auf Euer Verständnis. Das ist mein Wunsch"

Er hat seinen Tod nicht gewählt. Timo Konietzka ist ihm nur zuvorgekommen. Er hatte Gallenkrebs, seit Februar wusste er das, unheilbar, sagten die Ärzte. Und er beschloss, Gift zu trinken und zu sterben. In der Schweiz, wo er seit 44 Jahren lebt und 1988 die Staatsbürgerschaft annahm, ist aktive Sterbehilfe erlaubt, wenn keine Chance auf Heilung besteht. Die Organisation Exit half ihm dabei. Auch das hatte er angekündigt, bevor er wusste, dass er krank ist. "Ich plane meinen Tod. Ich habe viele Menschen begleitet. Meine Schwester ist an Krebs gestorben, ein Bruder an Knochenkrebs. Ich habe viele Sachen miterlebt. Meine Mutter war im Pflegeheim, die hat mich nicht mehr wiedererkannt. Da habe ich mir so meine Gedanken gemacht." Timo Konietzka wollte kein Pflegefall sein. "Ich, der so viel Sport gemacht hat, immer gesund gelebt hat, der niemals Schmerzen hatte! Das will ich mir ersparen."

Als Reinhard Rauball, Präsident der Deutschen Fußball-Liga hörte, dass Timo Konietzka tot ist, sprach er davon, was den Mensch Konietzka auszeichnete: "Sein besonderer Humor, seine Listigkeit auf dem Platz und seine Gradlinigkeit im Leben machten ihn zu einem liebenswerten Mitglied der Fußball-Familie." Gradlinigkeit im Leben, das trifft es. Konsequent bis in den Tod. Da ist es schwer zu dem überzuleiten, was ihn als Fußballer ausgezeichnet hat, ohne sich in billigen Analogien zu verlieren. Aber er bleibt nun einmal der Spieler, der am 24. August 1963 das erste Tor in der neu gegründeten Bundesliga schoss. Damit werde er "den Fans in Deutschland für immer unvergesslich bleiben, obwohl dieser Treffer von keiner Fernsehkamera gefilmt wurde", sagte Rauball.

"Nur ich und die Zuschauer im Stadion können sich daran erinnern."

"Nur ich und die Zuschauer im Stadion können sich daran erinnern."

"Anstoß. Franz Brungs wurde angespielt, von ihm kommt der Ball auf die linke Seite zu Emma (Lothar Emmerich), und der gibt ihn rein. Ich wurde zwischen Fünfmeterraum und Elfmeterpunkt angespielt und habe den Ball flach mit rechts rein geschossen." So erinnerte sich Timo Konietzka an jenes Tor, das ihn für immer berühmt machen sollte. Er schoss es nach exakt 58 Sekunden für den amtierenden Meister Borussia Dortmund in der Partie bei Werder Bremen. An seinem 70. Geburtstag sagte Timo Konietzka dazu: "Ich habe alles versucht, es gibt keine TV-Bilder. Nur ich und die Zuschauer im Stadion können sich daran erinnern." Auch daran, dass Werder letztlich das Spiel mit 3:2 gewann.

"Immer gemacht, was ich für richtig gehalten habe"

Bis 1967 schoss Timo Konietzka, der neunmal für die deutsche Nationalmannschaft spielte und dort dreimal traf, in insgesamt 100 Bundesligaspielen noch 71 weitere Tore in Deutschlands höchster Spielklasse, erst für den BVB, ab 1965 für den TSV 1860 München, mit dem er auf Anhieb den Titel errang. Und in der Spielzeit 1965/1966 gelang ihm wieder das erste Tor der Saison, diesmal gegen einen aufstrebenden Aufsteiger namens FC Bayern München. In seiner Zeit bei 1860 stellte Timo Konietzka noch einen Rekord auf: Weil er in einem Spiel dem Schiedsrichter die Pfeife klaute, wurde er vom Platz gestellt und für sechs Monate gesperrt - die längste Sperre der Bundesliga-Geschichte. Sportreporter Manfred Breuckmann erinnert sich in der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" an einen "eleganten und torgefährlichen" Spieler: " "Er war manchmal schwierig, mit Ecken und Kanten, aber ein Typ."

Mit 29 Jahren wechselte Konietzka 1967 überraschend von der Bundesliga in die Schweiz zum FC Winterthur, der damals in der Nationalliga B spielte, und verhalf dem Verein 1968 zum sofortigen Wiederaufstieg in die erste Liga sowie zum Einzug in das Pokalfinale im gleichen Jahr. 1971 beendete er beim FC Winterthur seine Karriere als Spieler. Später arbeitete er als Trainer in Deutschland und der Schweiz, zuletzt betrieb er mit seiner Frau Claudia das Gasthaus Ochsen in Brunnen am Vierwaldstättersee.

Als Botschafter der Sterbehilfe-Organisation Exit hat Timo Konietzka einmal gesagt: "Ich habe immer das gemacht, was ich für richtig gehalten habe, und so werde ich auch mein Leben weiterführen, bis zum Ende." Angst, so scheint es, hat er wirklich nicht gekannt.

Quelle: ntv.de, mit dpa und sid

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