Fußball

"Ein Moment, der unter die Haut geht" Werder Bremen, Thomas Schaaf, vorbei

Abschied als Rekordhalter: Länger als Thomas Schaaf trainierte kein anderer Coach einen deutschen Fußballklub dauerhaft in der ersten Liga.

Abschied als Rekordhalter: Länger als Thomas Schaaf trainierte kein anderer Coach einen deutschen Fußballklub dauerhaft in der ersten Liga.

(Foto: dpa)

Der Schritt kommt überraschend, aber nicht völlig unerwartet: Nach mehr als 14 Jahren im Amt verlässt Trainer Thomas Schaaf den SV Werder Bremen. Die Mannschaft wird vom abrupten Ende der Ära Schaaf überrumpelt, die Umstände der sofortigen Trennung bleiben nebulös. Die Kandidatenliste für Schaafs Nachfolge ist dafür fast so lang wie dessen Amtszeit.

14 Jahre und 5 Tage war Thomas Schaaf Trainer von Werder Bremen, länger als jeder andere Erstligacoach im Amt. Jetzt ist er es nicht mehr. Am Morgen gab Werder Bremen den sofortigen Abschied von seinem Dauertrainer bekannt. Schon am Samstag im letzten Saisonspiel in Nürnberg wird Schaaf nicht mehr auf der Werder-Bank sitzen.

Werder-Manager Thomas Eichin erklärt die einvernehmliche Trennung.

Werder-Manager Thomas Eichin erklärt die einvernehmliche Trennung.

(Foto: dpa)

Manager Thomas Eichin würdigte Schaafs "grandiose Arbeit" und dementierte gleichzeitig sowohl einen Rauswurf als auch einen Rücktritt. Er betonte im allerdings branchenüblichen Sprachgebrauch für unfreiwillige Trainerwechsel: "Es ist eine Trennung in beiderseitigem Einvernehmen." Der erst seit Februar im Amt befindliche Eichin kündigte an, "Werder-like" eine "harmonische und vernünftige" Vertragsauflösung herbeiführen zu wollen. Schaafs Vertrag läuft noch bis 2014.

Zuletzt hatte er trotz der sportlichen und wirtschaftlichen Krise in Bremen immer wieder betont, dass er weitermachen wolle und nicht an einen Rücktritt denke. Nun wird er in der Werder-Mitteilung über seinen Abschied mit den Worten zitiert: "Ich hatte hier eine außergewöhnliche Zeit, verbunden mit vielen positiven Erlebnissen und großen Erfolgen." Persönlich äußerte sich Schaaf nicht, an der seinetwegen einberufenen Pressekonferenz nahm er nicht teil. Das trägt die Züge einer schmutzigen Scheidung.

Team völlig überrascht

Thomas Schaaf im Stenogramm

geb. am 30. April  1961 in Mannheim

Vereine als Spieler: BBV Union Bremen, Werder  Bremen (von 1972 bis 1995 Jugend, Amateure, Profis)

Vereine als  Trainer: Werder Bremen Jugend (1988 bis 1995), Werder Bremen  Amateure (1995 bis 1999), Werder Bremen (1999 bis 15. Mai 2013)

Erfolge als Spieler: Europapokalsieger der Pokalsieger 1992,  deutscher Meister 1988 und 1993, DFB-Pokalsieger 1991 und 1994,  DFB-Supercup-Sieger 1988, 1993 und 1994

Erfolge als Trainer:  Deutscher Meister 2004, DFB-Pokalsieger 1999, 2004 und 2009,  Ligapokal-Sieger 2006, "Trainer des Jahres 2004".

Die Bremer Mannschaft, von der sich Schaaf am Morgen mit einer kurzen Ansprache verabschiedete, wurde vom plötzlichem Abgang überrascht. Kapitän Clemens Fritz brachte die Gefühlslage im Team so auf den Punkt: "Sicherlich wurde in den letzten Wochen viel spekuliert. Aber wenn es dann ausgesprochen ist, ist es doch ein Moment, der unter die Haut geht." Stürmer Nils Petersen berichtete über Schaafs emotionalen Abschied von den Spielern: "Das geht nicht spurlos an einem vorüber. Der ein oder andere Spieler hat eine Träne verdrückt."

Unter die Haut wird vielen Fans auch der Zeitpunkt der Trennung gehen. Nach 5119 Tagen und dem gegen Eintracht Frankfurt mühsam gesicherten Klassenerhalt wollte Schaaf nach Angaben des Vereins nicht mehr bis zum letzten Saisonspiel am Samstag warten und sich noch einmal den Medien stellen, die ihn in den letzten Monaten kritisch hinterfragt hatten. In Nürnberg werden die Co-Trainer Wolfgang Rolff und Matthias Hönerbach das Team betreuen.

Auch Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) bedauerte Schaafs Abschied, der in über 40 Jahren im Verein Kultstatus an der Weser erlangt hat. "Er hat Großes für den Verein geleistet, mit dem er immer verbunden bleiben wird", teilte Börnsen mit. "Er hat uns attraktiven Fußball in Bremen geboten, für unvergessliche emotionale Momente im Weserstadion gesorgt." Schaaf war eine Institution in Bremen, er wurde immer wieder als fünfter Bremer Stadtmusikant bezeichnet und als ebenso unverzichtbar wie der Roland. Nur Otto Rehhagel war länger Trainer bei Werder, seine Amtszeit währte 84 Tage länger.

Vereinsführung "nicht glücklich"

Eichin erklärte zu Schaafs abruptem Abschied, die Vereinsführung sei "nicht glücklich darüber, dass es so eine Entwicklung genommen hat". Er könne Schaafs Wunsch aber "absolut nachvollziehen". Über das Ende der Ära Schaaf war bereits im November 2012 spekuliert worden, als sich mit Klaus Allofs sein langjähriger Partner in der sportlichen Leitung zum VfL Wolfsburg verabschiedet hatte. "Ich bin natürlich nicht glücklich. Ich hatte mir was anderes vorgestellt", sagte Schaaf damals - und blieb. Der sportliche Erfolg blieb aus.

Jahrelang unzertrennlich in Bremen, nun beide fort: Klaus Allofs und Thomas Schaaf.

Jahrelang unzertrennlich in Bremen, nun beide fort: Klaus Allofs und Thomas Schaaf.

(Foto: picture alliance / dpa)

Dabei hatte Schaaf vor der Saison gemeinsam mit Allofs "den Kader verändert. Und die Altersstruktur. Und das System. Also das Schlimmste, was man mit einer Mannschaft machen kann". Doch statt um die Europokalplätze spielte Bremen gegen den Abstieg, nach Allofs Abgang verschärfte sich die Talfahrt rasant.

Die Spekulationen um einen Abgang von Schaaf wurden lauter, ein klares Treuebekenntnis von Eichin blieb aus. Am vergangenen Freitag beging Schaaf sein 14-jähriges Dienstjubiläum, zwei Tage später machte Werder durch ein 1:1 gegen Eintracht Frankfurt den Klassenerhalt perfekt. Es war das zwölfte sieglose Ligaspiel in Serie. Was umgehend folgte, war eine Analyse der sportlichen Entwicklung, wie es Eichin formulierte. Das Ergebnis ist nun bekannt: "Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir einen Neuanfang wagen wollen."

Allofs zeigte sich vom Zeitpunkt der Trennung "ein bisschen überrascht". "Ich hatte nicht vor dem letzten Spiel mit einer Veränderung gerechnet", sagte der Wolfsburger Manager: "Thomas Schaaf war immer die Idealbesetzung für Werder, weil er sich zu 100 Prozent mit dem Verein identifiziert hat." Am Morgen, sagte Allofs weiter, habe er kurz mit Schaaf telefoniert - und den Eindruck gehabt, "dass es ihm gut geht. Die schwierige Phase in den letzten Wochen hat ihn sehr gefordert - vielleicht war es sogar eine Erleichterung."

Scholl, Stanislawski - oder Magath?

Die Suche nach einem Nachfolger für Schaaf will Allofs-Nachfolger Eichin "mit der nötigen Seriosität und Ruhe" angehen. Sicher sei nur, dass es keine interne Lösung geben wird. Gehandelt wurden Mehmet Scholl und Holger Stanislawski (1. FC Köln), die beide allerdings bereits abgesagt haben sollen. Als weitere Kandidaten gelten Stefan Effenberg, Norbert Meier (Fortuna Düsseldorf), Ralph Hasenhüttl (VfR Aalen) und sogar Felix Magath. Der ehemalige Bremer sagte aber der Tageszeitung "Welt", dass er nicht mit einem Anruf aus Bremen rechne.

Eichin erklärte zu den Spekulationen lediglich, er "mache nicht den Fehler und kommentiere oder dementiere irgendwelche Trainernamen". Fest steht nur, dass Werder Bremen einen neuen Trainer bekommen wird. Nach 14 Jahren und 5 Tagen.

Quelle: ntv.de

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