"Das ist doch Wahnsinn" BVB genießt Meister-Märchen
01.05.2011, 12:49 UhrSechs Jahre nach der Fast-Insolvenz sichert sich der frühreife und spielwütige BVB vorzeitig die siebte Meisterschaft. Der erfrischende Jugendstil, mit dem Jürgen Klopp und Borussia Dortmund die Bundesliga dominieren, reißt die Konkurrenz zu Glückwünschen hin. Selbst Erzrivale Schalke 04 verneigt sich.

Von der Südtribüne auf den Rasen: Kevin Großkreutz lebt mit Borussia Dortmund seinen Fußballtraum.
(Foto: dpa)
Als all seine Mitspieler längst auf dem Weg zum Edel-Italiener waren, stand Kevin Großkreutz noch immer grölend vor der Umkleidekabine. Mit dem Outfit eines Punks, das ihm Verteidiger Felipe Santana noch auf dem Rasen verpasst hatte, sang der kahlköpfige Nationalspieler selbst über zwei Stunden nach der Partie inbrünstig wieder und wieder das Vereinslied. Bei keinem anderen Profi im Team von Borussia Dortmund war die Freude über den siebten Meistertitel größer.
"Ich habe Gänsehaut, ich zittere am ganzen Körper", gestand der gebürtige Dortmunder, "das ist doch Wahnsinn. Noch vor zwei Jahren stand ich selbst noch da oben auf der Tribüne." Die Dauerkarte hat er immer noch, obwohl er inzwischen als unumstrittener BVB-Stammspieler selbst die Südtribüne verzückt.
Selten war ein Titel verdienter
Die unbändige Freude von Großkreutz, der noch während seiner Zeit als Profi beim Zweitligisten Ahlen gegen den Wunsch seines damaligen Trainers regelmäßig in das Dortmunder Stadion pilgerte, passt ins Bild von einer mit viel Leidenschaft erspielten Meisterschaft.
Schon seit Monaten verzückt der schnörkellose und kostengünstige Jugendstil der Borussia Fußball-Deutschland, mit einem Etat von rund 35 Millionen Euro ist der Meisterkader des BVB vergleichsweise niedrig. "Es hätte die Gesetzmäßigkeiten des Sports konterkariert, wenn diese Mannschaft nicht Meister geworden wäre", sagte BVB-Coach Jürgen Klopp nach dem 2:0 (2:0) über den 1. FC Nürnberg.
Selten war ein Titel verdienter, kaum jemals fielen die Gratulationen selbst der Konkurrenten so euphorisch aus. Schließlich trat Dortmund den Beweis aus, dass man auch ohne millionenschwere Investitionen die Schale gewinnen kann. Zudem gab es in der Bundesliga-Historie noch nie einen Meister mit einem geringeren Durchschnittsalter.
Nach monatelanger Alleinherrschaft an der Tabellenspitze bewies der zuletzt leicht wankende BVB im entscheidenden Moment Nervenstärke und zog nach dem zeitgleichen 0:2 von Verfolger Leverkusen in Köln bereits am 32. Spieltag uneinholbar davon. Die Treffer von Lucas Barrios (32.) und Robert Lewandowski (43.) bescherten dem Revierclub bereits am 32. Spieltag bei nun wieder acht Punkten Vorsprung das ersehnte Happy End.
Selbst Schalke verneigt sich
Selbst Erzfeind Schalke 04 verneigte sich hochachtungsvoll. "Die ganze Liga kann Dortmund nur ihren Respekt aussprechen. Jürgen Klopp hat in drei Jahren aus Startbedingungen, die woanders gewiss nicht schlechter waren, eine Spitzenmannschaft geformt", sagte Schalkes Trainer Ralf Rangnick. Der Noch-Schalker Manuel Neuer meinte: "Dortmund war die beste Mannschaft in dieser Saison, sie haben es verdient."
Stuttgarts Trainer Bruno Labbadia sagte: "Kloppo find ich geil. Ich freue mich total für ihn. Dortmund ist ein Meister, der es absolut verdient hat. Die Dortmunder haben atemberaubenden Fußball gespielt."
In der "Nähe eines Märchens"
Nur gut sechs Jahre nach der im letzten Moment abgewendeten Insolvenz meldete sich der Branchenriese mit einem Paukenschlag zurück. Wohl auch deshalb fiel die Meisterparty fast noch euphorischer aus als bei denen mit viel Geld erkauften Titeln 1995, 1996 und 2002.

Der Mainzer Präsident Harald Strutz könnte seinem Ex-Trainer Jürgen Klopp am letzten Spieltag die Schale überreichen. Es wäre eine schöne Pointe.
(Foto: dapd)
Dortmunds Präsident Reinhard Rauball wähnte sich sogar in der "Nähe eines Märchens". Als Liga-Boss könnte sich Rauball nach dem Spiel gegen Eintracht Frankfurt am letzten Spieltag die Meisterschale eigentlich selbst überreichen. Doch das wird nun ein anderer Ligavorstand übernehmen, möglicherweise sogar der Mainzer Präsident Harald Strutz. Der würde wahrscheinlich nichts lieber tun, als seinem langjährigen Trainer die Schale in die Hand zu drücken.
Quelle: ntv.de, dpa/sid