Fußball

Kein Blues wegen "Les Bleus"-Pleite Löw nimmt Grenzerfahrung locker

Bundestrainer Joachim Löw mag Spiele, aus denen seine Mannschaft lernen kann. Das gegen Frankreich war eins.

Bundestrainer Joachim Löw mag Spiele, aus denen seine Mannschaft lernen kann. Das gegen Frankreich war eins.

(Foto: dpa)

Der großen EM-Euphorie folgt die große Ernüchterung. Dass der Kater nach der Heimniederlage gegen starke Franzosen so schlimm aus fällt, ist jedoch ein Kompliment für die DFB-Elf: Er zeigt die hohen Erwartungen, die das Team von Joachim Löw zuletzt spielend übertroffen hatte. Am Frankreich-Dämpfer wird seine Elf nur eins: wachsen.

Dennis Aogo konnte sich nicht als Lahm-Stellvertreter empfehlen.

Dennis Aogo konnte sich nicht als Lahm-Stellvertreter empfehlen.

(Foto: dpa)

Norbert Meier, Trainer des Fußball-Zweitligisten Fortuna Düsseldorf, ist zu Beginn dieser Woche gefragt worden, ob er unter Druck stehe. Er will mit seiner Mannschaft in die erste Liga aufsteigen, und zurzeit läuft es nicht so rund. Norbert Meier wollte die Frage nicht verstehen. "Unter Druck stehe ich, wenn ich drei Kinder habe und keine Arbeit", zitiert ihn die "Süddeutsche Zeitung". "Wir haben keinen Druck." Nun schauen auf die deutsche Nationalmannschaft ein paar mehr Menschen als auf die Fortuna, und sie erwarten auch mehr. Sie soll im Sommer die Europameisterschaft gewinnen. Da könnte so ein 1:2 im Testspiel gegen Frankreich wie am Mittwochabend in Bremen ja als Dämpfer zur rechten Zeit interpretiert werden, auf das die Erwartungen des Publikums nicht ausarten.

Und so ist auch Joachim Löw nach der Partie gefragt worden, wie das denn nun sei mit der Last der Favoritenbürde beim Turnier in Polen und der Ukraine. Der Bundestrainer holte einmal tief Luft, es klang wie ein Seufzer, und sagte: "Ganz ehrlich - das interessiert mich kaum noch." Auch er hätte gerne gewonnen, aber gegen formidable Franzosen, denen ihr sichtlich zufriedener Trainer Laurent Blanc "eine bemerkenswerte Kollektivleistung" attestierte, war nicht mehr drin. "Frankreich ist heute der verdiente Sieger gewesen", sagte Löw. Beunruhigt schien er nicht. Dass die ansonsten sehr wohlgesinnten Bremer Zuschauer die Leistung der deutschen Elf zwischendurch mit Pfiffen bedachten und sich im Weserstadion eine gewisse Ernüchterung breit machte, ist ein schöner Beleg dafür, wie gut sich die Mannschaft entwickelt hat - und in welche Höhen die Ansprüche gestiegen sind.

"Sehen sie mal, was geleistet werden muss"

Denn auch wenn es der Bundestrainer ablehnt, den Begriff Stammspieler zu verwenden, so fehlten gegen die Equipe Tricolore, die farblos in weißen Trikots antraten, doch einige Akteure, die schwer zu ersetzen sind. Kapitän Philipp Lahm auf der linken Abwehrseite, sein Münchner Vereinskollege Bastian Schweinsteiger als bessere Hälfte der Doppelsechs sowieso, aber auch Arsenals Per Mertesacker in der Innenverteidigung oder das Dortmunder Supertalent Mario Götze auf der Position des Spielmachers. Dass Joachim Löw ihr Fehlen weder vorher noch hinterher als Entschuldigung anführte, zeigt das nicht mehr ganz so neue, aber auch nicht mehr ganz so kleine Selbstbewusstsein.

Marco Reus blieb im Nationaltrikot viel blasser als in Gladbach.

Marco Reus blieb im Nationaltrikot viel blasser als in Gladbach.

(Foto: AP)

Und es schien ihm ganz Recht zu sein, dass einige Spieler ihre Grenzen erfuhren, ob der Hamburger Dennis Aogo als linker Verteidiger oder der Mönchengladbacher Marco Reus im offensiven Mittelfeld (zur Einzelkritik). "Dann sehen sie mal, was so geleistet werden muss. Für einige war das mal wieder ein guter Gradmesser." Ansonsten begegnet der Bundestrainer Ausfällen mit, wie er jüngst dem Magazin "11Freunde" sagte, "einer Wenn-dann-Strategie: Wenn sich dieser Spieler verletzt, dann ersetzt ihn jener". Oder wie er jetzt in Bremen sagte: "Der Plan, der steht."

Geschlossene Gesellschaft, in beide Richtungen

Der Zeitplan bis zur EM

11.-18. Mai: Regenerationstrainingslager
                      (Sardinien)
12. Mai:         DFB-Pokalfinale
18.-30. Mai: Trainingslager (Südfrankreich)
19. Mai:         Champions-League-Finale
22. Mai:         FC Bayern -Niederlande
26. Mai:         Testspiel gg. die Schweiz
29. Mai:         Meldeschluss für den EM-Kader
1. Juni:          Testspiel in Leipzig gegen Israel
9. Juni:          EM-Vorrunde gg. Portugal
13. Juni:        EM-Vorrunde gg. die Niederlande
17. Juni:        EM-Vorrunde gg. Dänemark

Das bedeutet auch, dass der Kreis der Nationalmannschaft längst zur geschlossenen Gesellschaft geworden ist. Last-Minute-Tickets wird es wohl nur geben, wenn sich jemand verletzt. 23 Spieler darf Joachim Löw mit zur EM nehmen, 19 dürfen sich bereits jetzt sicher fühlen. Offen ist noch, ob Hannovers Ron-Robert Zieler oder der Gladbacher Marc-André ter Stegen als dritter Torhüter mitfahren, eine Entscheidung von marginaler Bedeutung. Zudem wird ein Ersatzkandidat ein für die Sechserposition gesucht, hier kommen der Leverkusener Lars Bender, der Dortmunder Sven Bender oder Simon Rolfes, ebenfalls Bayer Leverkusen, in Frage. Frei ist auch noch die Stelle als Ersatz für Lahm als linker Außenverteidiger. Hier hat Aogo sich in Bremen eher aus dem Kader gespielt, Nutznießer könnte der Dortmunder Marcel Schmelzer sein, der 90 Minuten auf der Bank saß.

Überhaupt ist die Abwehr der Mannschaftsteil, über den sich der Bundestrainer die meisten Gedanken machen muss. Das sieht er auch selbst so. "Ich denke, dass wir gerade in der Defensive einiges tun müssen." Gegen die Franzosen "war das nicht das Gelbe vom Ei". Doch unabhängig von diesem Spiel oder dem Ergebnis: "Die Dinge, die wir heute gesehen haben, habe ich auch vorher gewusst." Auch hier vertraut Joachim Löw ganz auf sich und sein Team. Und darauf, dass es ihm gelingt, im Trainingslager im südfranzösischen Tourettes unmittelbar vor der Europameisterschaft mit seinen Spielern die Abläufe so zu üben, dass passend zum Turnierstart am 9. Juni in Lemberg (zum EM-Spielplan) gegen Portugal alles fein aufeinander abgestimmt ist.

"Manchmal brechen alle Dämme"

Miroslav Klose jedenfalls ist sich sicher: "Wir haben eine sehr große Qualität im Kader, das wird sich bei der EM zeigen. Wenn es darauf ankommt, ist unsere Mannschaft da." Nur wenn mehrere Stützen auf einmal ausfallen, könnte das ein Problem werden. Das hat die Niederlage gegen Frankreich gezeigt, das frischer wirkte, enorm gut organisiert auftrat und dem deutschen Team auch fußballerisch überlegen war. Denn so gut durchdacht die Wenn-dann-Strategie auch ist, und so viele Alternativen dem Bundestrainer auch tatsächlich zur Verfügung stehen - sie ist endlich.

Vielleicht war die kalte Dusche in Bremen doch eine willkommene Abkühlung. Eine Erinnerung daran, dass es in Europa auch noch andere gute Teams gibt, auch wenn Toni Kroos zu Protokoll gab: "Wir hätten als Mannschaft nicht unbedingt diesen Dämpfer gebraucht." Aber selbst Joachim Löw musste eingestehen: "Manchmal, hat man den Eindruck, brechen in der Öffentlichkeit alle Dämme." Auch wenn Druck wirklich etwas anderes ist.

Quelle: ntv.de

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