Redelings Nachspielzeit

"Wie Statue von Michelangelo" Als der Dänenstar über die duschende "Walz von der Pfalz" schwärmte

Hans-Peter Briegel, Maschine.

Hans-Peter Briegel, Maschine.

Hans-Peter Briegel ist ein Phänomen. Als mehrfacher Meister im Fünfkampf kommt er erst im Alter von 17 Jahren zum Fußball - und kann schon nach kurzer Zeit den Bundestrainer auf sich aufmerksam machen. Mit der Technik hapert es anfangs, doch sein Körper beeindruckt so manchen Star der damaligen Zeit nachhaltig.

Der junge Hans-Peter Briegel war ein Berg von einem Mann. Und eigentlich Leichtathlet. Dreimal deutscher Jugendmeister im Fünfkampf. Doch dann hat er plötzlich umgesattelt auf Fußball. Sehr spät, aber auch sehr erfolgreich. Als DFB-Trainer Jupp Derwall den Lauterer schließlich das erste Mal beobachtet, ist er begeistert: "Was er am Ball schon kann, das glaubt man nicht, nach nur zwei Jahren Fußball." Den "Koloss" konnte eben nichts erschüttern - außer seine Freundin damals. Denn die durfte ihrem Hans-Peter beim Ballspielen nicht zuschauen. Mit schüchternem Blick erklärte der baumhohe Riese Briegel: "Das macht mich nervös!"

Der dänische Nationalspieler und Mannschaftskamerad in Verona, Preben Elkjaer Larsen, sagte einmal: "Es war ein Highlight meiner Karriere, als ich Briegel zum ersten Mal unter der Dusche sah. Wie eine Statue von Michelangelo. Aber viele vergessen: Er war nicht nur stark, er war auch ein sehr guter Fußballer. Einer der besten, mit denen ich zusammenspielen durfte."

"Zehn kleine Hühner können einen großen Hahn umbringen"

Auch der Kapitän der deutschen Europameistermannschaft, Bernard Dietz, mit dem Briegel 1980 den Titel holte, schwärmte von seinem Teamkameraden. Er war hörbar angetan von der "Walz aus der Pfalz": "Sein Raketenantritt, seine Wucht und seine Zweikampfstärke imponieren mir. Wenn er bei Trainingsspielen marschiert, gibt's bei uns schon den Scherzreim: 'Da geht er, der Hans-Peter!'"

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Schnell wurde Briegel damals in Kaiserslautern ein Star. Und doch hat er nie die Bodenhaftung verloren, wie sein Trainer Kalli Feldkamp erzählte: "Peter Briegel hat sich in der Rangordnung ganz schnell nach oben gespielt, aber er nutzt das nicht aus, spielt sich nicht auf. Er weiß genau, dass zehn kleine Hühner auch einen großen Hahn umbringen können. Ein solches Bewusstsein darf ein Star nie verlieren." Sein rasanter Aufstieg zum Nationalspieler war phänomenal.

Tatsächlich war Briegel bis zu seinem 17. Lebensjahr Leichtathlet. Doch dann machte er schnell im Fußball auf sich aufmerksam. 1976 rief Erich Ribbeck DFB-Trainer Jupp Derwall an: "Jupp, ich habe da einen Spieler, der ist unheimlich schnell. Aber wenn der am Ball ist, sieht das ziemlich komisch aus. Sieh ihn dir mal an, aber lach nicht." Fünf Jahre später sagte der Bundestrainer immer noch leicht erstaunt: "Peter hat eine Technik, die in keinem Lehrbuch steht."

"Fliegender Kleiderschrank"

Doch Anfang der 1980er Jahre hatte sich der Kaiserslauterer bereits die Anerkennung innerhalb der Fußballszene verdient. Bayerns Paul Breitner meinte: "Früher sagte ich, der gehört nicht auf den Fußballplatz. Jetzt zolle ich Briegel Respekt." Und Nationalmannschaftskollege Karl-Heinz Rummenigge war regelrecht angetan von Briegels Fähigkeiten: "Wenn du denkst, du bist an dem vorbei, steht immer noch ein Stück von dem Koloss da."

Dabei war der Weg der "Walz aus der Pfalz", wie Briegel aufgrund seiner imposanten Körperstatur und Kampfkraft gerne von der Presse genannt wurde, nicht immer ganz leicht, wie Briegel einmal verriet: "Oft dachte ich, mach Schluss, du packst das nicht." Doch Komplimente, wie das vom österreichischen Nationalspieler Hans Krankl, bauten ihn in schwierigen Phasen immer wieder auf: "Er hat zwei Köpfe, zwei Herzen, zwei Lungen." Die italienische "Gazzetta dello Sport" taufte ihn 1985 als "Der fliegende Kleiderschrank"!

Ein Fußballnarr war Briegel schon von Kindesbeinen an, wie eine Anekdote von ihm verrät: "1974 starb mein Großvater. Wir alle in unserer Familie waren tief bestürzt. Am nächsten Tag spielte der FCK gegen den VfB Stuttgart. Da schlich ich mich davon zum Betzenberg. Meine Oma hat nach meiner Rückkehr die Eintrittskarte gefunden und war natürlich sehr, sehr böse."

Blanke Schienbeine

Jahre später besuchte ein Reporter "Die Walz aus der Pfalz" zu Hause in Rodenbach. Hier war die Familie noch Trumpf. Die Oma von Hans-Peter Briegel hatte sich um den Haushalt zu kümmern. Auch wenn die Presse da war. Briegel: "Oma, mach uns einen Kaffee! Wollen Sie ein Brötchen mit Erdbeermarmelade oder mit Leberwurst?" Briegel kam vom Bauernhof und hatte sich in den Anfangstagen als Profi auch einmal bei typischen Bauerntätigkeiten ablichten lassen: beim Melken, Stallausmisten oder auf einem Traktor.

Ob ihm das nun peinlich war, wollte der Reporter damals wissen? "Gewiss gibt es Leute, die sagen, jetzt hat der Bauer angefangen, Fußball zu spielen. Die haben ja Recht. Aber ich würde mich wieder genauso fotografieren lassen. Ich stamme von einem Bauernhof, und?!"

Der Profi Briegel hatte einen Tick: Während des Aufwärmens schoss er nur ein einziges Mal aufs Tor - immer. Und auch sonst war er sehr abergläubisch. Nach einer verlorenen Partie gegen den Tabellenletzten Bielefeld meinte der Lauterer einmal ganz andächtig: "Ich hatte schon am Morgen ein ungutes Gefühl. Schließlich ist heute der 13.!" Auch sein Faible, stets mit herunter gelassenen Stutzen und ohne Schienbeinschützer zu spielen, ist vielen Fußballfans bis heute in Erinnerung geblieben.

"Im Vordergrund spielt sich einer auf"

Übrigens: Das (Aber-)Glaube bekanntlich auch Berge versetzen kann, mussten die erstaunten Pfälzer 1984 feststellen. Zuvor hatte Kaiserslauterns Präsident und Kirchenrat Udo Sopp gemeint: "Ich habe zwar den Italienern gesagt, dass ein Verkauf Briegels einem Herauskratzen des Vesuvs aus Italien gleichkäme, doch nach der ersten Verhandlungsrunde liegen unsere Vorstellungen nicht sehr weit auseinander."

Und so wechselte der Koloss Briegel schließlich tatsächlich nach Italien zu Hellas Verona und später zu Sampdoria Genua - und erlebte in puncto Liebe und Zuneigung noch einmal eine Steigerung zu Deutschland, auch wenn die Fans ihn in seiner Heimat bereits hoch verehrten.

Nach seiner aktiven Laufbahn mischte Briegel noch ein paar Mal beim 1. FC Kaiserslautern mit. Doch die Arbeit gefiel ihm nicht recht: "Die Regeln der Vereinspolitik sind doch ganz einfach: Im Vordergrund spielt sich einer auf, aber im Hintergrund spielt sich alles ab." Sprach's und trat aus dem Aufsichtsrat des FCK zurück. Heute feiert die legendäre "Walz von der Pfalz" seinen 70. Geburtstag. Alles Gute und Glück auf, lieber Hans-Peter Briegel!

Quelle: ntv.de

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