Er singt immer noch "Bochum"Dreht ein Bundesligist ein "verrücktes Ding" mit Christoph Kramer?
Von Ben Redelings
Die Nachricht sorgte für Schlagzeilen: VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig liebäugelt mit der Rückkehr des früheren Bochumers Christoph Kramer an die Castroper Straße. Dass das keine ganz abwegige Idee ist, zeigt ein Blick zurück. Kramer trägt den Klub und die Stadt immer noch "tief" in seinem "Herzen".
"Herbert Grönemeyer. 'Bochum'. Wegen der Verbundenheit", meinte Christoph Kramer nur kurz und knapp, als er während der Europameisterschaft im Sommer für eine Dokumentation gefragt wurde, welches Lied er für eine Karaoke-Session wählen würde. Die "Verbundenheit", die der gebürtige Solinger anspricht, rührt aus seiner Zeit als Profi beim VfL Bochum. Zwischen 2011 und 2013 bestritt Kramer, als Leihspieler von Bayer Leverkusen, über sechzig Spiele für den damaligen Zweitligisten. Eine Zeit, die beim langjährigen Profi von Borussia Mönchengladbach offensichtlich tiefe Spuren hinterlassen hat.
Damals, ein Jahr nach seinem Abschied und dem zwischenzeitlichen Gewinn der Weltmeisterschaft in Brasilien, überreichte ihm der damalige Sportdirektor des VfL Bochum, Christian Hochstätter, eine Dauerkarte für einen Ostkurven-Stehplatz im Ruhrstadion. In der Saison zuvor hatte sie der neue Weltmeister noch selbst bezahlt und manches Spiel des VfL mitten unter den Anhängern der Blau-Weißen verfolgt: "Ja, das macht einfach Spaß. Da singe ich dann ein bisschen mit, trinke ein Bierchen und gehe wieder nach Hause. Ich hatte in Bochum einfach eine großartige Zeit."
"Gibt mir so viel Kraft"
Als er nun als Mittelfeldspieler von Borussia Mönchengladbach und als Weltmeister zurückkehrte und symbolisch seine überdimensionierte Dauerkarte auf dem Rasen in Empfang genommen hatte, meinte Kramer emotional sichtlich berührt: "Diese Stadt gibt mir so viel Kraft. Hier bin ich Profi geworden. Ihr seid ganz tief in meinem Herzen." Und dann ergänzte er noch an diesem besonderen Tag in die Mikrofone der Pressevertreter: "Ich bin so dankbar für die Zeit in Bochum. Die Fans dort, wie soll ich es sagen - das ist wahre Liebe!" Worte, die auch die VfL-Fans nie vergessen haben - und seitdem an der einen oder anderen Stelle über ein Comeback des verlorenen Sohns an der Castroper Straße sinnierten.
Nun wird seit dem Wochenende tatsächlich über eine Rückkehr von Christoph Kramer an seine alte Wirkungsstätte gesprochen. VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig hatte bei "Bild TV" gesagt: "Verrückte Dinge, ich wäre bereit, solche Dinge zu tun. Ob das jetzt Chris Kramer ist oder jemand anderes. Mit 08/15-Lösungen werden wir den Verein nicht retten." Natürlich waren da sofort alle Ohren von Fußball-Deutschland ganz weit offen, denn Kramer selbst hatte erst einige Tage zuvor im Podcast "Copa TS" von Tommi Schmitt sein Leid darüber geklagt, dass sich das Interesse an seiner Person seit seinem Abschied im Sommer von Borussia Mönchengladbach in Grenzen gehalten hatte: "Dieser Markt Ü30, der ist irgendwie nicht so richtig da. Ich dachte, wenn ich auf den freien Markt komme, sagen alle: Bitte komm zu mir. Das war gar nicht so."
"Es würde ganz im Speziellen passen"
Nun ist also doch Interesse da - und dann auch noch von einem Erstligisten, bei dem Kramer früher schon aktiv gewesen ist. Zwar strauchelt der VfL Bochum aktuell ziemlich abgeschlagen zum rettenden Ufer am Tabellenende der Liga herum, doch das sollte Christoph Kramer - der sich im Sommer sogar "pro-aktiv" selbst bei einigen Klubs angeboten hatte - nicht davon abhalten, ernsthaft eine mögliche Rückkehr an die Castroper Straße in Erwägung zu ziehen. Schließlich betonte Ilja Kaenzig völlig zurecht: "Er war Spieler bei Dieter Hecking. Die hatten auch ein ganz gutes Verhältnis. Es würde daher ganz im Speziellen passen."
Und wie wichtig eine gemeinsame (erfolgreiche) Vorgeschichte sein kann, hatte Christoph Kramer selbst erst vor einigen Wochen im Fußball-Podcast von Tommi Schmitt erzählt: "Jeder Mensch funktioniert ja unter bestimmten Personen, die einem bedingungsloses Vertrauen schenken, immer besser. Wenn du jemanden an der Seitenlinie hast, der dir vertraut, von dem du weißt, was er von dir erwartet, mit dem du so lange eine gute Verbindung hast, mit dem du so lange zusammenarbeitest, dann kann so etwas gut funktionieren." Was sich bereits anhört, wie die Worte einer Presseerklärung nach der Unterschrift von Christoph Kramer beim VfL Bochum, war damals aus einem Moment im Gespräch des Weltmeisters mit Tommi Schmitt über die spezielle Verbindung von Trainer Steffen Baumgart und Spieler Davie Selke entstanden.
"Brauche auch kein Geld mehr"
In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob der VfL Bochum in der Winterpause tatsächlich etwas "Verrücktes" machen möchte und Christoph Kramer zu einer Rückkehr auf den Rasen des Ruhrstadions bewegen kann. Dass der gebürtige Solinger, der im Frühjahr auch sein erstes Buch herausbringen wird, an die Castroper Straße passt, darüber wird sich der VfL keine Gedanken machen müssen. Und wie er in Bezug auf seine Motivation tickt ("Ich brauche auch kein Geld mehr. Ich hätte einfach Bock auf die ganze Nummer"), hat er indirekt einmal ganz grundsätzlich im Vorwort eines Buchs über Torsten Mattuschka preisgegeben: "Wir fingen alle mit dem Fußballspielen an, weil es uns Spaß gemacht hat. Verkörpert wird dieser Spaß bei den Profis sehr selten. 'Tusche' hat man immer angesehen, dass er Spaß am Fußball hat, und deswegen hat er mich am Fernseher stets begeistert." Man kann davon ausgehen, dass Kramer in diesen Worten auch seine Ansicht auf den Fußball beschrieben hat.
Ob der Weltmeister von 2014 aus dem reinen "Spaß" am Spiel im neuen Jahr tatsächlich noch einmal in der ersten Bundesliga für den Klub aus dem Ruhrgebiet auflaufen wird, muss man noch abwarten. Aber über eine Sache bräuchte er sich ab diesem Moment wenigstens keine Gedanken mehr machen: Wie er an etwas in Blau und Weiß kommt. Denn wenige Monate nach seinem Abschied aus Bochum verriet der damals 22-Jährige Christoph Kramer: "Ich habe immer etwas vom VfL bei mir. Und sei es nur ein T-Shirt, das ich nachts anziehe." Na, dann: Glück auf!
