Xabi Alonso gab sich nach der Meinungsverschiedenheit diplomatisch.
(Foto: IMAGO/Alberto Gardin)
Karim Adeyemi und Vinícius Júnior haben sich am Wochenende bei ihren Auswechselungen nicht gerade von ihrer besten Seite gezeigt. Ihre wütenden Ausraster werden Folgen haben. Denn durch ihre emotionalen Attacken zeigten sie, wie wenig Respekt sie vor ihren eigenen Mitspielern und Trainern haben.
"Immer ich. Ich verlasse das Team. Es ist besser, wenn ich gehe. Ich gehe!", soll der Superstar von Real Madrid, Vinícius, bei seiner Auswechselung am Sonntagabend im Classico gegen den FC Barcelona geschrien haben. Schon direkt nachdem seine Rückennummer hochgehalten worden war, hatte Vinícius seinen Unmut über seine bevorstehende Herausnahme mit ausschweifender Mimik und Gestik zum Ausdruck gebracht. Seinen Landsmann Rodrygo, der für ihn in die Partie kam, klatschte der brasilianische Nationalspieler gerade noch so ab - seinen Trainer Xabi Alonso ließ er allerdings links liegen.
Keine Ahnung, ob Vinícius einen Tag zuvor noch Bundesliga geschaut hatte, aber die Bilder ähnelten denen, die der BVB-Kicker Karim Adeyemi einem Millionenpublikum bei seiner Auswechslung im Spiel gegen den 1. FC Köln geboten hatte. Mit voller Wucht hatte der DFB-Angreifer seine Wasserflasche gegen die Rückwand der Ersatzbank gepfeffert und damit nicht nur seinen Mitspielern und seinem Trainer, sondern auch der kompletten Öffentlichkeit gezeigt, was er von seiner Herausnahme gehalten hatte.
Dass beide Spieler mit ihrem egozentrischen Verhalten dabei indirekt wie direkt nicht nur eine verständliche, persönliche Enttäuschung über ihre Auswechslung zeigten, sollte den beiden langjährigen Nationalspielern eigentlich bewusst sein. Doch dass ihnen das ganz offensichtlich vollkommen egal war, lässt tief blicken - und wirft überhaupt kein gutes Bild auf Adeyemi und Vinícius, denn wie sagte Sami Khedira nach dem Ausraster des Real-Stars vollkommen zurecht: "Du musst immer wissen, dass du Teil einer Mannschaft bist. Du kannst sauer auf den Coach sein, aber nicht in diesem Ausmaß und in dieser Körpersprache."
Auch der eingewechselte Maxi Beier hätte lieber eine andere Ausgangslage
Genau das hatte BVB-Trainer Niko Kovac am Tag zuvor verständlicherweise ebenfalls bei Adeyemi so gesehen: "Dass er mal sauer sein kann, ist okay. Aber das ist unnötig, er ist erwachsen." Und vor allem war seine Auswechslung für jedermann nachvollziehbar, wie Stefan Effenberg am Sonntag im "Doppelpass" deutlich sagte: "Es hat immer Gründe, warum ein Spieler ausgewechselt wird. Entweder hat das taktische Gründe oder leistungstechnische. Bei ihm waren das jetzt leistungstechnische."
Kovac fand dafür nach der Partie dann auch eine einleuchtende Begründung: "Dass Karim genervt ist, nachdem er runter ist, das gehört dazu. Ich sage den Jungs immer: 'Wenn du nicht raus möchtest, dann wird dein Freund Maxi Beier oder wer auch immer, nicht reinkommen. Also wenn du dir das erlauben kannst, dass du nicht raus möchtest, okay. Bleibst du 90 Minuten drin, aber erklär das bitte deinem Freund.'" Und genau dieser Freund war es schließlich auch, der den erlösenden Treffer zum 1:0-Sieg in den Tormaschen des 1. FC Köln unterbrachte.
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Aber Maxi Beier sagte hinterher noch etwas ganz Entscheidendes: "Um ehrlich zu sein: Auch mir würde es besser gefallen, immer von Anfang an zu spielen, doch es ist schon wichtig für uns, wenn wir frische Qualität von der Bank bringen können." Und dass diese "frische Qualität von der Bank" durchaus in den nächsten Wochen auch wieder Karim Adeyemi heißen könnte, daraus machte Trainer Kovac hinterher keinen Hehl. Denn dass er sich im Sinne eines gesunden Mannschaftsgefüges diese wiederholten Attacken seines Superstar-Egomanen im Team nicht leisten kann, dafür sprang ihm im "Doppelpass" auch Union-Manager Horst Heldt zur Seite.
Real Madrid und das Vorbild aus Paris
Der meinte zu Adeyemis Ausraster: "Es drückt etwas aus, was man nicht will als Verantwortlicher. Es ist eine Geste gegenüber seinen Mitspielern, die nicht in Ordnung ist, weil eine Mannschaft tatsächlich nicht nur aus elf Spielern besteht. Denn am Ende hat Beier das Tor gemacht und man hat gewonnen. Das zeichnet einen Kader aus, dass du noch einmal nachlegen kannst und jeder ist wichtig in diesem Zusammenhang. Da profitieren alle von, er dann auch. Der gegenseitige Respekt muss gewahrt bleiben und wenn das nicht gewahrt bleibt, dann kann das schnell zu Problemen führen."
Das weiß natürlich auch Xabi Alonso in Madrid. Die "Marca" titelte: "Vini verliert die Nerven" - und schrieb anschließend noch über den emotionalen Ausraster des Brasilianers: "Selten hat ein Spieler seine Unzufriedenheit über einen Wechsel so deutlich zum Ausdruck gebracht." Vinícius, der sich aktuell in Vertragsverlängerungsgesprächen befindet - wie übrigens auch Karim Adeyemi - hat ja schon selbst seinen Abgang bei der Herausnahme gegen Barcelona ins Spiel gebracht.
Alonso, der direkt nach dem Spiel gewohnt besonnen ("Ich nehme viel Positives aus dem Spiel mit und auch viel Gutes von Vini") reagierte, wird sich die unverhohlene und wiederholte Respektlosigkeit seines Spielers sicherlich nicht viel länger bieten lassen. Denn am Ende einer Saison, das weiß der ehemalige Weltklasse-Spieler und aktuelle Erfolgscoach selbst nur zu gut, siegt immer die Mannschaft, die es geschafft hat, über eine komplette Spielzeit als eine geschlossene Einheit aufzutreten. Das beste Beispiel im Weltfußball hat gerade erst der amtierende Champions-League-Sieger gezeigt.
Bei Paris Saint-Germain mussten erst alle (vermeintlichen) Superstars gehen, bevor Trainer Luis Enrique mit einem verschworenen Haufen von großartigen Fußballern den höchsten Titel im europäischen Vereinsfußball holen konnte. Vielleicht sollten die herausragenden Spieler Adeyemi und Vinícius in diesem Sinne ihr eigenes Verhalten noch einmal überdenken. Denn am Ende wird ein Verein immer größer sein als jeder einzelne Spieler. Und diese Regel wird auch für diese beiden Akteure sicherlich nicht geändert werden.
Quelle: ntv.de

