
Lässt sich feiern: Steffen Baumgart.
(Foto: imago images/ActionPictures)
Steffen Baumgart sticht momentan heraus - und das nicht nur aufgrund seiner topmodischen Mütze. Seit er im Sommer in Köln den Trainerposten übernahm, hat der Verein eine erstaunliche Wandlung erfahren. Und die Geschichte vom "Wunder des FC" scheint noch lange nicht auserzählt zu sein!
Das Geheimnis dieses Mannes ist sicherlich seine gänzlich unverfälschte Art. Mit Steffen Baumgart würden wohl 99 Prozent aller Bundesliga-Fans gerne einmal einen Abend an der Theke verbringen. Und dem steht wahrscheinlich auch nichts im Wege, wenn man denn den Worten des aktuellen Kölner Trainers trauen kann. Schließlich hatte Steffen Baumgart vor der Saison erklärt, er würde seinen Spielern weder das Rauchen noch das Alkoholtrinken verbieten. Es wäre lediglich gut, "wenn sie es nicht (direkt) vor dem Bus machen" würden.
Anlässe ein wenig über die Stränge zu schlagen, hat der Kölner Coach zusammen mit seinem Team den treuen FC-Fans in dieser Spielzeit schon häufiger gegeben. 12 Punkte und Platz 6 in der Tabelle sprechen nach dem siebten Spieltag eine deutliche Sprache. Steffen Baumgart ist ein kleines Wunder in Köln gelungen - und nicht wenige Beobachter vor Ort führen dies tatsächlich zu ganz großen Teilen auf den Trainerwechsel im Sommer zurück. Es scheint, als ob Baumgart seiner Truppe etwas vom magischen Zaubertrank des Druiden Miraculix aus den legendären Asterix-Comics besorgt habe. Er selbst wirkt dabei immer mehr wie "Obelix", der bekanntermaßen schon als Kind in den Kessel mit dem magischen Getränk gefallen war, höchstpersönlich. Doch statt Hinkelsteine auf dem Rücken zu tragen, hat Steffen Baumgart seinem Team offensichtlich die (frühere) schwere Last der Bundesliga von den Schultern genommen. Der FC ist unter ihm regelrecht aufgeblüht.
Der Klopp von Köln
Ganz besonders deutlich sieht man dieses Phänomen in den letzten Wochen beim wiedererstarkten Torjäger Anthony Modeste. Vom dunklen Abstellgleis zurück auf die gleißend helle Showbühne Bundesliga hat es der Franzose geschafft. Seine bereits vier Treffer in dieser Saison sind ein beeindruckendes Zeichen dafür, dass rund ums Geißbockheim etwas Besonderes in den letzten Wochen und Monaten passiert sein muss.
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Schalkes Betreuer-Unikat Charly Neumann hat einmal über den gebürtigen Rostocker gesagt: "Baumgart, der Ferrari unter den Hansa-Trabis." Denn schon als Spieler fiel Baumgart aus der Reihe - und auf. Er verkörperte auf dem Platz stets den Profi, den jeder Fan gerne in seiner eigenen Mannschaft und nicht im Trikot des Gegners sieht. Den quirligen Aktivposten, der alles dafür tut, dass er nicht als Verlierer vom Rasen gehen muss. Diese Leidenschaft hat sich Baumgart bis heute bewahrt. Nicht umsonst meinte er einmal: "Kein Fußballer verliert gerne. Ich will sogar im Mensch-ärgere-dich-nicht gegen meine Kinder immer gewinnen. Darum spielen wir übrigens kein Mensch-ärgere-dich-nicht mehr zu Hause."
Beim FC hat man in dieser Saison den Eindruck, dass die Mannschaft jederzeit in der Lage ist zurückzukommen. Baumgart selbst nennt es den "Plan B", den sein Team habe. Doch wahrscheinlich ist dabei weniger eine Systemumstellung mitten im Spiel, als der feste Glaube gemeint, sich aus schwierigen Situationen jederzeit selbst befreien zu können. Und für diesen "Glauben" ist Baumgart in besonderem Maße verantwortlich. Er hat das gewisse Extra, über das nicht allzu viele Trainer und Menschen verfügen. Nicht umsonst gibt es erste Vergleiche zu Liverpools Erfolgscoach Jürgen Klopp. Eine Gegenüberstellung übrigens, die Baumgart sogar selbst ins Spiel gebracht hat, als er meinte: "Dortmund war im ersten Jahr mit Jürgen Klopp auch Zwölfter. Und warum soll es nicht möglich sein, sich nach und nach zu entwickeln? Der Klopp von Köln zu werden, ist doch ein schönes Ziel."
Einer wie Pagelsdorf
Und noch an einen anderen großen Trainer erinnert Steffen Baumgart in diesen Tagen: Helmut Schön. Der ehemalige Bundestrainer hatte den Beinamen "der Mann mit der Mütze". Seit Baumgart bei den FC-Spielen von der früheren Baseball-Kappe zur Schiebermütze gewechselt ist, haben Fußball-Nostalgiker das eine oder andere Mal beim Blick auf den Kölner Trainer schon an Helmut Schön denken müssen. Als der Weltmeister-Coach von 1974 einst abtrat, widmete ihm Udo Jürgens einen unvergesslichen Abschiedssong, in dem auch folgende Liedzeilen vorkamen: "Du warst ein General mit Herz, ein Freund zugleich und Boss. Du wusstest Rat und manchen Trick und rittest nie das hohe Ross." Worte, die durchaus auch auf den aktuellen FC-Trainer zutreffen würden.
Doch noch einmal zurück zum Anfang. Dass Steffen Baumgart unter den Fußballanhängern so beliebt ist, hat mit seinem sympathischen Auftreten und seiner leidenschaftlichen Art zu tun. Und irgendwie erinnert der Kölner Trainer noch an einen anderen früheren Coach: Frank Pagelsdorf. Der ehemalige Spieler und spätere Übungsleiter hat Steffen Baumgart Mitte der 90er-Jahre für den Profifußball entdeckt und nach Rostock geholt - und ist so maßgeblich dafür verantwortlich gewesen, dass der heutige FC-Trainer eine Karriere in der Bundesliga - die bis heute andauert - hinlegte.
Auf ein kühles Getränk
Pagelsdorf hat man schon als aktivem Spieler damals angesehen, dass er den schönen Dingen des Lebens nicht abgeneigt war. Doch er verstand dennoch lange nicht, warum sein früherer Trainer beim BVB, Timo Konietzka, ihn einst bestraft hatte, weil er kurz nach Anbruch der Bettruhe noch einen "kicker" am Kiosk holen gegangen war - bis Konietzka irgendwann die Geschichte etwas "geraderückte": "Wenn es nur der "kicker" gewesen wäre, den er sich damals geholt hat. Dagegen hätte ich ja überhaupt nichts einzuwenden gehabt. Was er wirklich in den Händen hatte, war aber ein Kasten Bier. Und das bei seinen Fitness-Werten. Die waren damals schon schlimm. Im Vergleich dazu macht er ja heute fast einen schlanken Eindruck."
Vielleicht hat Steffen Baumgart ja aus dieser Story seines einstigen Lehrmeisters etwas gelernt - und so das Rauchen und Trinken seinen Spielern besser erst gar nicht verboten. Und um die Fitness seiner Profis muss sich augenblicklich auch kein FC-Fan Sorgen machen. Es reicht schließlich vollkommen, wenn der Coach selbst den Eindruck erweckt, als ob man mit ihm einmal ein kühles Getränk an der Theke verköstigen könnte.
Quelle: ntv.de