Der Anlauf behindert Vetter Speerwurf-Drama für übermächtigen Goldfavoriten
07.08.2021, 13:43 Uhr
Johannes Vetter am Boden.
(Foto: REUTERS)
Speerwerfer Johannes Vetter gilt als der große Favorit auf Gold. Doch dann scheidet der Weltjahresbeste vorzeitig aus der Konkurrenz aus. Der Tartanboden hält seinen gewaltigen Stemmschritt nach dem Anlauf nicht. Vetter fällt ein vernichtendes Urteil.
Das Finale im Speerwurf läuft noch, da verlässt Johannes Vetter bereits das Stadion. Der Topfavorit ist bei den Olympischen Spiele in Tokio frühzeitig ausgeschieden. 82,52 Meter reichten nicht, um die Medaillenrunde der letzten acht Werfer zu erreichen. Der 28-Jährige aus Offenburg wurde nur Neunter. Am Freitag hatte bereits Christin Hussong mit Platz neun im Speerwurf enttäuscht.
"Es tut mir leid für alle, die mir daheim wahnsinnig doll die Daumen gedrückt haben. Ich glaube, ich muss dazu nicht viel sagen, der zweite Versuch tut beim Hinschauen schon weh, selbst mir. Es ist zum Kotzen, wir sehen hier Weltrekorde auf diesem Bounce-Boden (über 400 Meter Hürden, Anm.d.Red.). Aber für Leute wie mich, die härter hinstemmen, für die ist der Boden nicht gemacht, die rutschen weg und versaut es von der Leistung", erklärte er enttäuscht im ZDF. "Wir sehen von anderen Topleistungen, die setzen ein bisschen anders von oben drauf. Aber ich bin einer, der, wenn er 90 Meter werfen will, dann braucht der eben ein starkes Stemmbein, dann muss der die Ferse richtig hinsetzen. Ich kann das System nicht umlernen von der Quali bis zum Finale."
Vetter hatte in Tokio sichtlich Probleme mit dem Anlauf, rutschte beim Abwurf weg. Dabei hatten die Organisatoren die Anlaufbahn mit Hunderten Eispacks vor dem Wettkampfbeginn extra versucht, den Untergrund zu kühlen, um Vetter und Co. einen festen Stand beim Abwurf zu ermöglichen. Der Ex-Weltmeister hielt sich aber schon nach dem zweiten Versuch den schmerzenden linken Fuß - beim Abwurf lastet etwa eine Tonne Gewicht auf dem Gelenk.
Sein Fazit: "Es ist schade, es ist echt bitter und es kotzt mich tierisch an, wie gesagt, vor allem für die Leute, die mir daheim so sehr die Daumen gedrückt haben."
"In die Tonne kloppen"
Im Vorfeld der Spiele hatte sich Vetter, der empfindlich auf den Anlaufbelag reagiert, noch gefreut, dass im Olympiastadion eine Mondo-Bahn verlegt wurde. Theoretisch könne er darauf gut werfen, erklärte er nach seinem Final-Aus. Die anderen kamen mit den Bedingungen aber besser zurecht, haben eine andere Technik. Keiner stemmt seinen Fuß dermaßen hart nach dem Anlauf in die Bahn. Er ist der einzige, der mehr als 90 Meter werfen kann. Er urteilte: "Diese Anlage kann man nach dem Wettkampf in die Tonne kloppen."
Vetter war mit 18 Siegen in Folge und als Weltjahresbester nach Japan gereist. Er hat in diesem Jahr bereits 90-Meter-Würfe in Serie geliefert, der weiteste ging auf 96,29 Meter. Bereits in der Qualifikation, die er mit 85,54 Metern erst im dritten Versuch überstand, hatte Vetter sich schon nicht in Bestform gezeigt. "Wir haben in den letzten Tagen mental versucht, einen Weg zu finden, dieses Wegrutschen zu kompensieren", sagte er im ZDF.
Tränen in Offenburg
"Das ist wirklich ein Drama, eine Katastrophe", reagierte Christina Obergföll auf das Aus Vetters. Die frühere Europameisterin ist die Ehefrau von Vetters Trainer Boris Obergföll. "Ich bin tief traurig für Johannes, für Boris, für die Fans in Offenburg, für den Verein", sagte sie unter Tränen. "Die ganze Energie verpufft halt, löst sich in Luft auf und geht nicht ins Gerät. Dann hast du keine Chance", erklärte Christina Obergföll beim Public Viewing in Offenburg dem ZDF. Vetter verpasste es damit, nach Thomas Röhlers Gold-Coup 2016 in Rio die zweite Speer-Goldmedaille für den Deutschen Leichtathletik-Verband in Serie zu gewinnen. Röhler hatte wegen einer Rückenverletzung auf die Tokio-Spiele verzichten müssen.
Der zweite Deutsche im Finale, Julian Weber, erreichte derweile den Endkampf der besten Acht. Der Mainzer wird Vierter mit Saisonbestleistung von 85,30 Meter. "Ich hätte nicht gedacht, dass ich um Medaillen mitkämpfen kann." Neuer Olympiasieger ist überraschend der Inder Neeraj Chopra vor den beiden Tschechen Jakub Vadlejch und Vitezslav Vesely.
Quelle: ntv.de, ara/dpa/sid