
"Gollum" erzählt eine Geschichte zwischen Licht und Schatten.
(Foto: Daedalic)
Mit Gollum hat die "Herr der Ringe"-Saga einen Charakter, der polarisiert. Videospielentwickler Deadalic will sich das zunutze machen und strikt ein unterhaltsames Abenteuer rund um den garstigen Krabbler. Es gibt allerdings Gründe, warum das Action-Adventure nicht der ganz große Wurf ist.
"Mein Schatzzzzz", zischt es wohl jedem "Herr der Ringe"-Fan in den Ohren, wenn er an die Fantasy-Welt von Schöpfer J.R.R. Tolkien denkt. Diese prägenden Worte sind Gollum zu verdanken, einer zentralen Figur der Erzählungen. Ein Charakter, der polarisiert, weil er sowohl Mitleid als auch Abscheu erweckt. Der kleine Krabbler bekommt nun sein eigenes Videospiel, das einen Part beleuchten soll, der in den Büchern und Filmen nicht vorkommt. In "Der Herr der Ringe: Gollum" schleicht man sich durch Mittelerde, auf der Suche nach dem Ring der Macht. Obwohl wahrscheinlich viele wissen, wie es um Gollums Schicksal bestimmt ist, weiß das Spiel zu unterhalten, vor allem weil es sich von anderen Umsetzungen absetzt. Leider verfällt man als Zocker selbst in einen Zwiespalt und hadert zwischen den schönen Momenten und liegengelassenen Chancen.
Zeitlich spielt die Geschichte hinter den Kulissen des ersten Films "Die Gefährten". Nachdem er seinen kostbaren Ring an Bilbo Beutlin verloren hat, entscheidet Gollum, das Nebelgebirge zu verlassen. Anschließend wird er von Orks gefangen genommen und in Mordor versklavt. Er muss in einer Mine schuften und sucht einen Ausweg, um endlich dem Ring der Macht wieder näherzukommen. Es beginnt eine Reise quer durch Mittelerde, vorbei an bekannten Schauplätzen und bekannten Figuren.
Es wird den Spielern überlassen, ob der bösartige Gollum bei wichtigen Entscheidungen die Oberhand behält, oder ob sie sich eher auf die Seite seines alten Hobbit-Ichs Sméagol stellen. Die Charakterentscheidungen haben durchaus Auswirkungen auf Figuren in der Geschichte. Immer wieder befindet sich Gollum/Sméagol in einem Zwiegespräch, der Spieler entscheidet, welchem Naturell die Figur folgen soll, muss aber die andere Persönlichkeit in der krabbelnden Kreatur erst überzeugen. So kann man sich beispielsweise mit Orks oder Menschen kurzzeitig verbünden, mit oft fatalen Folgen für die andere Fraktion.
Gekonnt gezeichneter Antiheld
In diesem Bereich werden die deutschen Entwickler von Daedalic Entertainment der Vorlage auf jeden Fall gerecht. Der Antiheld trägt das Spiel, die deutsche Synchronisation sitzt und die Höhlenatmosphäre zu Beginn ist ein guter Einstieg. Abgesehen von den großen Bösewichten in "Gollum" sind die meisten Charaktere dafür weniger aufwendig gezeichnet, fallen sogar grafisch ab. Dabei tummeln sich Orks und andere Wesen nur so in den einzelnen Kapiteln.
Und so ist die Geschichte auch gestrickt. Kapitelartig. Zwischen verschiedenen Phasen vergehen Tage, Wochen und Monate. Abgesehen von kurzen Schwarzblenden zwischen Gameplay und Filmsequenzen verliert das Spiel kaum Tempo - wobei man sagen muss, dass es in "Gollum" eher gemächlich zugeht. Weniger Action, mehr Adventure. Auch in Sachen Brutalität ist die Umsetzung im Vergleich zu Spielen wie "Mordors Schatten" fast schon harmlos. Die typische "Herr der Ringe"-Atmosphäre bleibt aber erhalten. Emotional muss der Spieler immer wieder Entscheidungen treffen, die Konsequenzen nach sich ziehen: Freundschaften schließen oder der Verrat von Verbündeten - das ist spürbar und muss nicht noch zusätzlich mit Gewalt inszeniert werden.
Entsprechend gibt es kaum Kämpfe im Spiel. Hin und wieder kann Gollum seine Gegner erdrosseln, gerät er sonst in Konflikte, hat er stets das Nachsehen. Während frühere Videospiele im "Herr der Ringe"-Kosmos vor allem Schlachten und Rollenspiel-Elemente in den Fokus stellten, darf in "Gollum" vor allem geschlichen und gerätselt werden. Die Suche nach Auswegen aus Höhlen und Verliesen ist nicht immer simpel und wird technisch erst einmal erschwert. Wichtig ist tatsächlich, die Gammakorrektur richtig einzustellen. Das soll für eine realistische Bild- und Beleuchtungsqualität sorgen. Gerade am Anfang wird man eher dazu verleitet, sie etwas zu niedrig anzusetzen und damit das Spiel äußerst dunkel wirken zu lassen. Oft findet man so allerdings nicht den nächsten Felsvorsprung oder das Gestrüpp an der Wand, das nach dem Sprung über die Klippe Halt geben soll.
Ein Spiel, gemacht für die Dunkelheit
Dreht man die Gammakorrektur hoch, sieht man deutlich mehr, was allerdings auch einen negativen Effekt hat. Denn das Spiel ist grafisch keine große Wucht, es lebt vielmehr von seinen düsteren Elementen, der guten musikalischen Untermalung und den Dingen, die im Verborgenen liegen. Für ein Spiel dieser Kategorie ist das abgesehen von Gollum, der wirklich toll animiert ist, zu wenig. Bedenkt man, dass auch noch die alte Konsolengeneration bedient wird, relativiert sich das zumindest ein bisschen. Was in "Gollum" Spaß macht, sind die Kletterpassagen, die durchaus knifflig sein können. Der kleine Krabbler darf zur Abwechslung vor Bestien davonspurten und selbst welche heranzüchten.
Auch die Gameplay-Elemente sind sehr überschaubar. Gollum bewegt sich vor allem in den Schatten, um nicht gesehen zu werden, und wirft mit Steinen Lampen aus oder auf Gegenstände, um Wachen abzulenken. Für den Lebensbalken kann er Pilze oder Krabbeltiere sammeln, die er dann verspeist. Zudem hat er eine kurzfristige Nachtsicht, die wichtige Story-Objekte hervorhebt und den weiteren Weg andeutet.
Die Story hält auf jeden Fall bei Laune, wenn man auch hier etwas hätte besser machen können. Gerade die erste Hälfte des Spiels wirkt künstlich in die Länge gezogen. Noch eine Höhle, und noch mal Katakomben und nochmal ein Verlies, durch das wir Gollum führen müssen. Die Suche nach dem "Schatzzzz" mutiert zur Sisyphus-Aufgabe. Mehr Abwechslung gibt es zwar im späteren Verlauf der Geschichte, bis dahin braucht es etwas Durchhaltevermögen. Für Fans ist das Abenteuer immerhin ein richtig schöner Nostalgie-Trip. Immer werden die Tolkien-Geschichten aufgefächert, man erhält spannende Hintergrundinformationen zu vielen bekannten Figuren. Den interaktiven Ausflug nach Mittelerde sollte man allerdings nur wagen, wenn man bereit ist, die genannten Schwächen von "Herr der Ringe: Gollum" in Kauf zu nehmen.
Quelle: ntv.de