In fünf Jahren hält sie kaum noch etwas auf Die NSA hat mehr als einen Supercomputer
03.01.2014, 16:37 Uhr
Mit dem Titan hat die NSA heute schon den zweitschnellsten Supercomputer im Dienst.
(Foto: Wikipedia/Top 500)
Dass die NSA an einem neuen Supercomputer arbeitet, ist eine interessante, vielleicht sogar beängstigende, aber keine überraschende Neuigkeit. Schon seit Jahren kontrolliert der mächtige US-Geheimdienst mehrere der schnellsten Rechner der Welt.
Sidney Pollacks grandioser Film "Die drei Tage des Condor" kam am Neujahrstag 1975 in die Kinos. Robert Redford spielt darin einen CIA-Mitarbeiter, der eigentlich einen langweiligen Job hat: Er sichtet zusammen mit mehreren Kollegen in einer kleinen New Yorker Dienststelle internationale Zeitungen, Bücher und andere Schriften. Sie werten sie nach möglichen Mustern, Codes oder versteckten Botschaften aus, die in irgendeiner Weise auf Strategien anderer Staaten oder Organisationen hinweisen, die für die USA eine Bedrohung darstellen oder anderweitig von Interesse sein könnten. Dazu benutzt die als "American Literary Historical Society" getarnte Dienstelle die damals besten Computer.
Heute, 39 Jahre später, arbeiten die US-Geheimdienste im Prinzip noch genau so, wie in "Die drei Tage des Condor". Sie sammeln so viele Daten aus so vielen legalen und illegalen Quellen wie es ihnen möglich ist. Dabei setzen sie sowohl für die Beschaffung als auch für die Auswertung die modernsten Technologien ein. Nach dem 11. September 2001 sind die Mittel, die die USA dafür bewilligen, in die Höhe geschossen.
Früher Atombomben, heute Daten
Schon alleine um die gewaltigen Datenmengen verarbeiten zu können, benötigen die Dienste sogenannte Supercomputer, die mit einer riesigen Anzahl von Prozessoren in sehr vielen parallel vernetzten Rechnern in Petaflop-Geschwindigkeit arbeiten. Solche Anlagen sind enorm teuer, sie können dreistellige Millionenbeträge kosten. Für die mehr als gut ausgestattete NSA dürfte dies aber kein größeres Problem sein, sie finanziert und kontrolliert vermutlich direkt oder indirekt nicht nur einen amerikanischen Supercomputer.
Aktuell ist der Titan des "Oak Ridge National Laboratory" (ORNL) in der Weltrangliste hinter dem chinesischen Tianhe-2 der zweitschnellste Superrechner. Das 1943 für die Atombomben-Entwicklung gegründete ORNL ist dem US-Energieministerium unterstellt. Neben der zivilen Forschung nutzt vor allem die NSA den Titan für seine Zwecke.
Auch das "Lawrence Livermore National Laboratory" (LLNL) wurde für die Entwicklung von Kernwaffen ins Leben gerufen und wird vom US-Energieministerium kontrolliert. Dies ist als "Office of Intelligence and Counterintelligence" auch eines der 17 Mitglieder der "United States Intelligence Community", wo alle US-Nachrichtendienste zusammengeschlossen sind. In Einrichtungen des LLNL stehen der drittschnellste Supercomputer Sequoia sowie Vulcan, der auf Platz 9 der Supercomputer-Charts steht.
Nummer 5 der "Top 500" ist Mira, der im Argonne National Laboratory (ANL) steht. Auch das ANL ist eine Einrichtung des US-Energieministeriums, mit dem Hauptbereich nationale Sicherheit der USA. Das Texas Advanced Computing Center, das den siebtschnellsten Computer der Welt hat, gehört zwar nicht direkt zu einem Mitglied der US-Nachrichtendienste, Hauptauftraggeber sind aber das Verteidigungs- und das Energieministerium.
Gigantischer Datenspeicher in der Wüste

Zäune, die auch schwere Fahrzeuge nicht durchbrechen können, schützen das Utah Data Center der NSA.
(Foto: REUTERS)
Demnächst eröffnet die NSA zudem das "Intelligence Community Comprehensive National Cybersecurity Initiative Data Center" in Bluffdale in der Nähe von Salt Lake City. Ein 1,5 Milliarden Dollar teurer Komplex, dessen Funktion geheim gehalten wird. Nach Recherchen von "Wired" soll der kurz "Utah Data Center" genannte, rund 100.000 Quadratmeter große Komplex einen Strombedarf von 65 Megawatt haben - so viel wie eine kleinere Großstadt. Dafür hat ein Stromversorger ein eigenes Kraftwerk errichtet, riesige Generatoren sollen notfalls drei Tage lang die Energieversorgung sichern. Für die Kühlung veranschlagt "Wired"-Autor James Bamford pro Tag 450.000 Liter Wasser, die Stromkosten schätzt er auf jährlich 40 Millionen Dollar. Die geplante Eröffnung am 24. September musste wegen Problemen mit der Stromversorgung verschoben werden.
Wozu das alles? Die NSA benötigt die Anlage in Bluffdale zur Speicherung und Auswertung der gewaltigen Datenmasse, die die US-Behörde weltweit sammelt. Bamford schreibt mit Bezug auf Pentagon-Unterlagen von einer fantastischen Speicherkapazität im Yottabyte-Bereich. Ein Yottabyte entspricht einer Billion Terabyte. Selbst wenn die NSA wirklich alles speichern würde, könnte sie die Festplatten kaum füllen. Tatsächlich stehen für die Serveranlage nur 10.000 Quadratmeter zur Verfügung. Daher dürfte eine von "Gigaom" ermittelte Speicherkapazität von bis zu zwölf Exabyte - zwölf Billion Gigabyte -realistischer sein. Auf der Website des Utah Data Center macht sich die NSA über die Diskussion lustig und schreibt, die Kapazität sei für die Zukunft ausgelegt und biete "alottabytes" ("Eine Menge Bytes").
"Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten"
Da die NSA aber offenbar weder private Fotografien, noch Videos, Musik oder andere unwichtige Daten speichert, sind auch zehn Exabyte mehr als genug. Interessant sind vor allem Metadaten. So zeichnet die NSA beispielsweise großflächig keine ganzen Telefongespräche auf, sondern nur die Nummern der Teilnehmer und wann und wie lange sie miteinander verbunden waren.
Was genau die NSA sammelt, teilt sie inzwischen recht offen mit: Sie speichert alles, was möglich ist. Sogar im Kabelfernsehen gesehene TV-Sendungen interessieren die Datenkrake, die gleichzeitig versichert, in einer Welt, in der die Privatsphäre so oft missachtet werde, seien die privaten Daten in der NSA-Cloudbase sicher. "Wenn du nichts zu verbergen hast, hast du nichts zu befürchten", schreibt die NSA. Ob damit jedoch auch Ausländer gemeint sind, die ausgespäht werden, bleibt offen. So versichert die Behörde nur US-Amerikanern, dass ihre Daten lediglich im Verdachtsfall direkt von einem ihrer Mitarbeiter geprüft werden.
NSA peilt 1000 Petaflops an
Aber auch die "anonyme" Auswertung von Metadaten benötigt viel Rechenleistung, für die die NSA Supercomputer benötigt. Das Utah Data Center hat nach eigenen Angaben einen Cray XC30 zu Verfügung, der künftig in der Lage sein soll, mit deutlich mehr als 100 Petaflops zu rechnen. Zum Vergleich: Die aktuelle Nummer 1, Chinas Tianhe-2, erreicht theoretisch bis zu 55 Petaflops.
Der Traum der Datenkrake NSA ist es aber, sämtliche Verschlüsselungen dieser Welt problemlos knacken zu können. Das allerdings dürfte selbst die Anlage in Bluffdale überfordern. Laut "Quantencomputer.de" könnte es schlicht unmöglich sein, mit Algorithmen der "klassischen Mathematik", die irrsinnig große Zahl von erforderlichen Rechenoperationen schnell genug zu erledigen, um sie auch noch nutzen zu können.
Wie die "Washington Post" berichtet, lässt die NSA deshalb an Computern forschen, die die Möglichkeiten der Quantenphysik nutzen. Vereinfacht gesagt: Die Quantentechnik hat den Vorteil, dass ein Teilchen, beziehungsweise ein Bit nicht nur einen Zustand haben kann. Bei klassischen Computern ist ein Bit entweder 0 oder 1. Ein Quantenbit kann aber beides zugleich sein und damit nicht nur zwei, sondern vier Werte darstellen. Theoretisch klingt das großartig, ist aber, wie Computerwissenschaftler Scott Aaronson der "Washington Post" sagte, bisher praktisch noch nicht umgesetzt worden. Auch die Versuche der NSA könnten seiner Meinung nach bestenfalls in einem experimentellen Stadium sein. Aaronson rechnet frühestens in fünf Jahren mit einem funktionierenden Quantencomputer.
Selbst wenn dies nicht gelingt, könnte die NSA zu diesem Zeitpunkt ihren Traum mit ihren herkömmlichen Rechnern weitgehend erfüllt haben. Nach einem "Durchbruch", der in der Anlage von Oak Ridge gelungen sei, rechnet der Geheimdienst nun damit, im Jahr 2018 in der Lage zu sein, mit einem Exaflop-Computer (Exaflop sind 1000 Petaflops) den mit 256 Bit verschlüsselten AES-Algorithmus zu knacken.
Quelle: ntv.de