Spiele, Zukunft und neue Welten Fünf Erkenntnisse von der Gamescom
17.08.2014, 20:12 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Die größte Spielemesse der Welt ist vorbei, es bleiben tiefe Eindrücke: Von freiheitsliebenden Entwicklern, fliegenden Riesenkraken und dem Schockpotenzial der Virtual-Reality-Brillen. Fünf Dinge, die auf der Gamescom wichtig geworden sind.
Alle 12 Monate zeigt die Spielebranche in Köln die Zähne, wie sie ihre Fans packen und nicht mehr loslassen will. Dabei setzen Entwickler und Publisher auf unterschiedliche Taktiken, locken mit Zusammenspiel, mit Zukunftsvisionen, oder zeigen sich als Rebellen. Und dann sind da diese Dinger namens "Oculus Rift" oder "Project Morpheus".
Gemeinsam statt einsam spielen
Wer zusammen auf die Jagd geht, ist meistens erfolgreicher – dieses Prinzip transportieren mehrere Entwickler auf die Bildschirme. Als bestes Spiel der Gamescom ausgezeichnet wurde "Evolve". In dem Ego-Shooter wählen vier Spieler jeweils einen Charakter mit speziellen Fähigkeiten - etwa einen widerstandsfähigen Kämpfer mit viel Feuerkraft, oder einen Arzt, der seine lädierten Mitstreiter wieder zusammenflicken kann. Dies ist häufig nötig, denn in kurzweiligen Partien tritt das Quartett gegen ein mächtiges Monster an, ebenfalls von einem menschlichen Spieler gesteuert. Je länger die Partie dauert, desto stärker wird der Einzelgänger, etwa in Gestalt einer fliegenden Krake mit magischen Angriffen, oder eines riesigen Muskelpakets, das mit weiten Sprüngen in die Mitte seiner Jäger stürmt.
Auch andere Entwickler setzen darauf, dass Spieler nicht mehr als 20 Minuten pro Partie investieren, aber trotzdem ein gemeinsames Erlebnis wollen. Dazu zählen etwa das neu angekündigte, gleiche Prinzip verfolgende "Shadow Realms", "Hunt", oder die Online-Rennspiele "Forza Horizon 2" und "The Crew".
Der Pessimismus ist am Ende
"Neue Welten entdecken" war das Motto der diesjährigen Gamescom, was sich auch auf einen Trend gründet: Die Entwickler bauen einen riesigen Sandkasten, schmeißen ein paar Werkzeuge hinein und lassen die Spieler selbst entscheiden, was und vor allem wann sie etwas tun wollen. Die Welle der riesigen Online-Rollenspiele wie "World of Warcraft" oder "Guild Wars 2" ist längst auf Land getroffen, dieser Boom ist vorbei. Stattdessen bewegten sich Spieler zuletzt in einer Vielzahl apokalyptischer Szenarien; etwa ergossen sich Horden von Zombies in unterschiedliche Spielewelten. Nachbeben waren bei der Gamescom etwa "The Last of Us Remastered", oder das noch nicht veröffentlichte "Dying Light", was durch seinen spannenden Parcours-Ansatz reizt.
Die alte Garde von Spieleentwicklern zeigt allerdings mit Nachdruck Kontrapunkte auf. Chris "Wing Commander" Roberts war bereits 2013 ohne Publisher-Unterstützung in Köln, um hinter verschlossenen Türen die Crowdfunding-Sensation "Star Citizen" zu erläutern. Für seine Weltraumsimulation hat er inzwischen fast 50 Millionen US-Dollar eingesammelt. Eine solche Vision bleibt nur mögliche Realität, wenn es die Menschheit nicht vor der Besiedlung anderer Planeten dahinrafft. Gegen diese Vorstellung wehrt sich neben Roberts inzwischen auch Kult-Entwickler Sid Meier mit seinem Rundenstrategie-Schwergewicht "Civilization: Beyond Earth"; oder auch der britische Pionier David Braben mit seinem neuen, ebenfalls von Fans finanzierten "Elite: Dangerous". Braben wandelt mit seinem Projekt auf den Pfaden seines eigenen Kulthits von 1984, als auch denen des seit Jahren erfolgreichen "Eve Online". Der Spieler hat ein Raumschiff und wählt selbst, wie und warum er sich in den Weiten des Weltalls bewegt.
Die Virtual-Reality-Revolution wartet
Alle reden davon, alle wollen es ausprobieren und sind danach begeistert. Doch im freien Verkauf ist die Virtual-Reality-Hardware, die VR, immer noch nicht so richtig. Der Impuls für die Großen der Branche kam aus dem Fanbereich, Spieler unterstützten die Pläne für die "Oculus Rift"-Brille. Seit etwa einem Jahr ist die HD-Version, die "Dev 2", im Umlauf und bereits bestellbar. Einige Spiele werben explizit mit der Kompatibilität zur Hardware. Eine Kamera beobachtet Kopfbewegungen und übersetzt sie auf die beiden kleinen Bildschirme direkt vor den Augen des Nutzers – es entsteht der Eindruck, man befinde in einer 3D-Umgebung und kann sich darin frei umschauen. Der Hersteller gehört inzwischen zu Facebook, weil Firmenchef Mark Zuckerberg zwei Milliarden US-Dollar auf den Tisch legte.
Sony zieht mit "Project Morpheus" wegen des Erfolges von "Oculus Rift" nun nach. Die eigene Brille soll Sony im Zusammenspiel mit seiner Bewegungssteuerung "Move" helfen, den Vorsprung der Playstation 4 vor der Xbox One zu halten. Noch gibt sich Konkurrent Microsoft wortkarg, was eigene Projekte in Richtung Virtual Reality angeht. Die Technik sei "interessant", aber nicht so interessant wie "den Flachbildfernseher, der heute schon in jedem Wohnzimmer steht", zitiert "Spiegel Online" Microsoft-Manager Phil Harrison. Auf der Gamescom konnten Interessierte einige Titel mit den VR-Brillen antesten, etwa das in der SciFi-Thriller-Tradition von "Alien" stehende "Alien: Isolation", das Ripleys Tochter Amanda in die Konfrontation mit dem Xenomorph schickt. Spieler wurden so reihenweise in Schockzustände versetzt, waren aber begeistert.
Als optimal bezeichnet "Elite: Dangerous"-Entwickler David Braben, dessen Weltraumsimulation ebenfalls "Oculus Rift" unterstützt, die Brille aber noch nicht: "Wir brauchen eine höhere Auflösung", sagte er golem.de, und hat dabei 4K im Blick, also 3840 mal 2160 Bildpunkte. Der Grund: Während bei einem Fernseher beide Augen ein Bild sehen, sind es bei der Brille zwei, also eines je Auge – und dementsprechend muss die Gesamtauflösung doppelt so hoch sein. Aber auch mit der jetzigen Version der Hardware spielen in der "Elite"-Beta bereits fast 10 Prozent der Nutzer mit VR-Hardware, wie Braben n-tv.de in Köln verriet. "Morpheus" soll irgendwann im kommenden Jahr in den Verkauf gehen, die "Oculus Rift" möglicherweise ebenfalls.
Fifa hat wieder einen Gegner
Konami nimmt sich Zeit, aber die könnte sich lohnen. "Pro Evolution Soccer 2015" erscheint erst im November und damit rund zwei Monate nach "Fifa 15". Dabei ist das neue "Pro Evo" die erste Version der Fußballsimulation für Xbox One und Playstation 4. Ein Jahr lang agierte Electronic Arts' "Fifa" nahezu konkurrenzlos, weil PES 2014 sich mehr oder weniger selbst ins Aus geschossen hatte: Keine Next-Gen-Version und dazu noch unfertig – Spieler hatten kaum einen Grund, sich nicht für "Fifa 14" zu entscheiden.
Im kommenden Herbst wird das langjährige Duell wesentlich spannender. Zwar spielt sich "Fifa 15" etwas robuster, das Gefühl der Kontrolle über die Akteure auf dem Feld ist nach wie vor hoch. Doch "Pro Evo" geht erstaunlich gut von der Hand, hier ist eine Menge Flair und Überraschungsmoment im Spiel. Wie immer wird es am Ende eine Geschmacksfrage sein, ob manch fehlende Lizenz stört und sämtliche Spielernamen unbedingt nötig sind. Borussia Dortmund etwa wird wahrscheinlich dank Exklusivlizenz wieder nur bei Fifa den bekannten Kader auflaufen lassen. Neben Bundesligaklubs fehlt PES 2015 auch die Premier-League-Lizenz. Alle anderen Ligen sind aber dabei, betonte Konami.
Konsolenkampf ist längst nicht entschieden
Zugegeben, Microsoft leistete sich im Zusammenhang mit der Einführung der Xbox One einige Patzer. Sony kostet die komfortable Situation aus und präsentiert sich nicht erst seit der Gamescom als Verbündeter der Spieler. Doch offenbar haben die Amerikaner ein paar Lektionen gelernt. Microsoft ging es in Köln und in Bezug auf seine Konsole nur noch um Spiele, das war in der Vergangenheit häufig anders. Sogar ein paar Indie-Titel schafften es in die Präsentation zur inoffiziellen Messeeröffnung. Der allgemeine Eindruck ist: Der Abtritt von Xbox-Chef Don Mattrick im vergangenen Jahr hat in Redmond einen Strategiewechsel ermöglicht. Microsoft rennt nicht mehr stur in eine Richtung, sondern achtet mehr darauf, was die Nutzer wollen. Anders gesagt: Das Unternehmen besinnt sich aufs Wesentliche. Willkommen zurück, Microsoft.
Quelle: ntv.de