Nokia gewinnt und verliert Startet Windows Phone durch?
13.01.2012, 17:17 Uhr
Das Nokia Lumia 900 ist das "Beste Smartphone der CES 2012"
(Foto: Nokia)
Experten schätzen Microsofts Windows Phone hoch ein, aber bisher hält sich der Erfolg des mobilen Betriebssystems in Grenzen. Doch die Kooperation mit Nokia bringt jetzt offenbar die Wende. Analysten erwarten starke Zuwächse und sehen den Stern von Windows Phone in diesem Jahr steigen. Für Nokia könnte die Rechnung aber trotzdem nicht aufgehen.
Mal ehrlich, kennen sie jemanden, der ein Windows-Phone-Gerät hat? Nein? Dann sind sie nicht alleine. Denn bisher konnte Microsoft mit seinem im Herbst 2010 veröffentlichten Windows-Mobile-Nachfolger kaum Erfolge feiern. Die weltweiten Marktanteile kämpfen immer noch mit der 2-Prozent-Marke, während Googles Android und Apples iPhone das Rennen unter sich ausmachen. Doch diese für Microsoft unerträgliche Situation könnte sich in diesem Jahr entscheidend ändern - und das liegt vor allem an Nokia.
Das renommierte Marktforschungsinstitut Morgan Stanley prognostiziert den gebeutelten Finnen steil steigende Verkaufszahlen: Nokia könnte laut Analyse in diesem Jahr 37 Millionen und 2012 bereits 64 Millionen Windows-Phone-Geräte verkaufen. Diese Aussichten beruhen derzeit nur auf dem Lumia 800 und dem eben auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas vorgestellten Lumia 900. Sollte Nokia - so wie allgemein erwartet - in den kommenden Monaten noch weitere vielversprechende Smartphones auf den Markt bringen, könnten die Finnen sogar noch mehr Geräte absetzen.
Auch HTC legt zu
Zusätzlichen Schub erhält Windows Phone auch von Microsofts zweiten starken Partner HTC, das auf der CES das Titan 2 vorgestellt hat. Dem taiwanischen Hersteller sagt Morgan Stanley für dieses Jahr sechs Millionen verkaufte Windows-Phones und für kommendes Jahr zehn Millionen voraus. Offen ist noch, welchen Anteil Samsung, LG und möglicherweise noch andere Hersteller am möglichen Windows-Phone-Boom haben können.
Die Analysten vertrauen bei ihrer Prognose natürlich nicht ihrem Bauchgefühl. Sie wissen, dass Microsoft und Nokia ihre Hausaufgaben gemacht haben und sich bewusst sind, dass man als Spätzünder mit einem guten Betriebssystem allein auf dem Smartphone-Markt kein Bein auf den Boden bekommt. Deswegen pumpen die Unternehmen viel Geld in die Vermarktung ihrer Windows-Phone-Geräte. Laut dem Fach-Blog "Windowsitpro" investieren sie in diesem Jahr alleine in den USA rund 200 Millionen Dollar in den Erfolg des mobilen Betriebssystems.
Nokia noch lange nicht aus dem Schneider
Der Autor schreibt, dass hier Nokia den Löwenanteil im Verhältnis 2:1 zahlt. Und auch sonst haben die Finnen noch viele dicke Bretter zu bohren, bis es vielleicht zusammen mit Microsoft feiern kann. Denn die fantastischen Zahlen sehen nicht mehr so toll aus, wenn man sie im Kontext der allgemeinen Entwicklung sieht. Der Smartphone-Markt wächst nämlich weltweit noch stärker als Nokias - mögliche - Verkaufszahlen.

Die Grafik zeigt, dass Nokia mit Windows Phone kräftig zulegt, wärend es mit Symbian steil bergab geht.
(Foto: Morgan Stanley)
Morgan Stanley erwartet laut "Incom", dass 2012 weltweit rund 650 Millionen Smartphones verkauft werden. Damit läge Nokias Windows-Phone-Marktanteil bei rund 5,7 Prozent. Rechnet man die prognostizierten 40 Millionen verkauften Smartphones mit dem zum Tode verurteilten Betriebssystem Symbian hinzu, verkauft Nokia im kommenden Jahr genauso viele Geräte wie 2011 und erreicht einen Marktanteil von knapp 12 Prozent. 2011 waren aber noch rund 18 Prozent aller verkauften Smartphones Nokia-Geräte. 2010 hatten die Finnen sogar noch einen Marktanteil von 33 Prozent.
Nokias Schwäche ist Microsofts Stärke. Denn weil die Symbian-Verkäufe weiter drastisch einbrechen, muss Nokia auf Teufel komm raus Windows-Phones verkaufen, um nicht auf der Strecke zu bleiben. Einen besser motivierten Partner kann sich der Software-Riese nicht wünschen. Und rund 7 Prozent Marktanteil in 2012 bedeuteten für Microsoft nach knapp 2 Prozent im vergangenen Jahr eine ansehnliche Steigerung.
Windows Phone hätte es verdient
Für viele Experten wäre ein Erfolg von Windows Phone absolut verdient. Das Betriebssystem ist eine Bereicherung, weil es sich deutlich von Apples iOS und Googles Android unterscheidet: Die Benutzeroberfläche mit Kacheln und raffinierter Typo ist ein völlig anderes Konzept. Dabei ist Windows Phone einfach zu bedienen und führt auch Smartphone-Einsteiger schnell ans Ziel. Die sozialen Netzwerke sind brillant eingebunden und auch grundsätzliche Programme wie die E-Mail-App müssen sich ganz sicher nicht vor der Konkurrenz verstecken.

Nokias Lumia-Telefone unterscheiden sich optisch von anderen Smartphones und sehen am meisten nach Windows Phone aus.
Für Nutzer, die es gerne unkompliziert haben, ist es ein Segen, dass Microsoft seine Hersteller bei Hard- und Software an die Kette legt. Die Geräte arbeiten auch ohne hochgerüstete Hardware äußerst flüssig und Updates bekommt fast zeitgleich jeder Windows-Phone-Nutzer. Dazu bietet Microsoft via Skydrive, Office 365 und Sharepoint ein großes Cloud-Angebot. Und auch bei den mobilen Spielen könnte Windows Phone durch die Xbox-Live-Einbindung bald ganz vorne sein.
Die Anzahl der Apps im Marketplace ist mit rund 50.000 zwar noch sehr überschaubar, aber die Zuwachsraten sind gut und auch die Qualität des Angebots ist in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Windows-Phone-Nutzer laut "Windowssteamblog" im Schnitt 48 Apps herunterladen und damit Besitzer eines Android-Handys mit 30 Downloads hinter sich lassen. iPhone-Nutzer liegen mit 83 Apps aber noch weit vorne.
Nokia muss noch besser werden
Nokia Stärke ist, dass es erstmals auch schöne Windows-Phone-Telefone anbietet, die "sexy" sind und auch Nutzer anspricht, die sich nicht nur von der nackten Technik angezogen fühlen. Für viele ist das Lumia das Smartphone, das am meisten nach Windows Phone aussieht. Außerdem können die Finnen mit ihrer eigenen, kostenlosen Navigation protzen, die überdies auch offline arbeitet. Nicht ohne Grund kürte "Cnet" das Lumia 900 zum besten Smartphone der CES. Wenn Nokia dieses Niveau nicht nur hält, sondern sogar steigern kann, hat es eine Chance zu überleben.
Quelle: ntv.de