Extreme Kursbewegungen Amazon, Spotify, Snap – die Börse dreht am Rad
04.02.2022, 10:48 Uhr
Börsen-Beben am US-Aktienmarkt: Kursbewegungen zwischen zehn und fünfzig Prozent auf Quartalszahlen von Großkonzernen sind nicht normal.
(Foto: REUTERS)
Für Nervenkitzel und Spannung an der Börse ist gesorgt. Die Stimmung ähnelt der im Fußballstadion bei absoluten Ausnahmespielen. Meta pulverisiert ein Fünftel seines Börsenwerts, Amazon packt es obendrauf. Einmal Geldtransfer von Zuckerberg zu Bezos. Was bedeutet das?
Im Fußball sind es die wahnsinnigen Spiele, an die man sich ewig erinnert: Liverpool als Champions-League-Sieger nach 0:3 zur Halbzeit gegen Mailand in Istanbul. Oder die "Mutter aller Niederlagen", Bayern gegen ManUnited. Franz Beckenbauer stellte in der 88. Minute den Pokal für seine Bayern in den Aufzug und durfte ihn dann Manchester übergeben.
Genau so ein Tag war der 3. Februar 2022 für Börsianer. Los ging es mit dem Facebook-Konzern Meta, der an einem einzigen Handelstag mehr als 200 Milliarden an Börsenwert verlor und allen Marktteilnehmern so richtig Angst einjagte. Die Technologiebörse Nasdaq schnitt im Vergleich zum großen S&P 500 relativ gesehen so schlecht ab wie an nur fünf Tagen zuvor in den letzten 30 Jahren. Mehr als vier Prozent Verlust standen zu Buche, und die Anleger zitterten vor den Zahlen von Amazon. Nach Börsenschluss ging es dann erst richtig zur Sache.
Denn Amazon überraschte mit seinem Zahlenwerk positiv und packte bei seinem Marktwert locker das drauf, was der Konkurrent eben verloren hatte. Einmal Geldtransfer von Mark Zuckerberg zu Jeff Bezos, könnte man flapsig sagen. Der Amazon-Großaktionär kann zusätzliche Milliarden gut brauchen, lässt er doch gerade in Rotterdam ein riesiges Segelschiff bauen, das seinen Weg zur See noch bahnen muss. Das könnte extrateuer werden, denn eine denkmalgeschützte Brücke steht im Weg.
Zu viel der Volatilität
Der letztgenannte Irrsinn scheint sinnbildlich dafür zu stehen, was am US-Aktienmarkt gerade passiert. Denn Kursbewegungen zwischen zehn und fünfzig Prozent auf Quartalszahlen von Großkonzernen sind nicht normal und womöglich auch nicht gesund. "Snap legte nach seinen Zahlen um fünfzig Prozent zu und ist mit einem Marktwert von 50 Milliarden Dollar keine Aktie der fünften Reihe", kommentiert Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets.
Bei Spotify ging es um fast 20 Prozent nach unten, dort überzeugte das Wachstum ebenso wenig wie eine Woche zuvor bei Netflix. Dessen Marktwert ist um satte fünfzig Prozent gesunken. Börse bildet immer nur tagesaktuell ab, wie viel Investoren bereit sind, für einen Anteil eines Konzerns zu bezahlen. Dies ist der originäre Teil des Aktiengeschäfts. Doch sollte man sich bewusst sein, dass weder Meta noch Netflix, Spotify, Snap oder Amazon ihr grundsätzliches Geschäftsmodell verändert hatten noch eine Pleite bevorstand. Die Bewegungen zeigen etwas anderes.
Ruhe ins Depot bringen
Investoren neigen in Phasen überschüssigen Geldes dazu, wild zu spekulieren und Firmen auf dem Top weit besser zu sehen als sie wirklich sind - und in Abstürzen schlechter zu machen als sie sind. Für private Anleger bietet das eine gute Chance. "Wer in einem solchen Umfeld die Nerven behält, kann bei qualitativ starken Titeln langfristig intelligent einkaufen", bemerkt Stefan Riße, Kapitalmarktstratege beim Fondshaus Acatis. Denn ob nun einige Kunden mehr Amazon Prime teurer abonnieren, ob Spotify besser genutzt wird als Youtube oder Snap und Pinterest herausragende Geschäfte machen – dies ist berechtigt, sich in Kursveränderungen niederzuschlagen.
Ob es gleich den Firmenwert wie bei Snap um fünfzig Prozent heben sollte, darf bezweifelt werden. Porsche lehnte einst die extrem zyklische Quartalsberichterstattung ab und mancher Börsianer fände zwei Berichte im Jahr gar nicht schlecht. Schwankungen bei großen Tech-Aktien größer als im Kryptobereich, das kann nicht gesund sein. Die Kursexplosion bei Alphabet fällt dabei fast gar nicht auf, doch dort gab es on top auch noch einen kurstreibenden Aktiensplit. Warum auch nicht.
Daniel Saurenz betreibt das Börsenportal Feingold Research.
Quelle: ntv.de