4000 Kilometer Vollsperrung Bau-Marathon soll marodes Schienennetz retten
10.02.2024, 16:54 Uhr Artikel anhören
Insgesamt 4000 Kilometer Schiene sollen bis 2031 generalsaniert werden.
(Foto: dpa)
Diesen Sommer startet die Deutsche Bahn das größte Modernisierungsprojekt ihrer Geschichte. In den kommenden sechs Jahren sollen die 40 wichtigsten Verbindungen im Schienennetz generalsaniert werden. Für Tausende Pendler bedeutet dies monatelanger Ersatzverkehr mit längeren Fahrzeiten.
In den nächsten sechs Jahren will die Deutsche Bahn (DB) 40 ihrer meistbefahrenen Strecken vollständig modernisieren. Bis 2031 soll so ein neues, zuverlässigeres Hochleistungsnetz entstehen. Bund und Bahn investieren insgesamt fast 40 Milliarden Euro. Damit wollen DB-Chef Richard Lutz und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) einem wichtigen Teil des öffentlichen Verkehrsnetzes in Deutschland aus der Krise helfen.
Der Handlungsbedarf ist offensichtlich: Steigende Fahrgastzahlen – bis 2030 sollen es 29,2 Millionen pro Tag sein – und die marode Schieneninfrastruktur stellen den Bahn-Konzern vor wachsende Herausforderungen. Rund jeder dritte Fernzug der Deutschen Bahn war 2023 unpünktlich. Probleme gibt es vor allem auf den vielbefahrenen Strecken.
Vom überlasteten zum Hochleistungsnetz
Das Schienennetz der DB umfasst mehr als 30.000 Kilometer. 25 Prozent des Verkehrs konzentriert sich jedoch auf ein 3500 Kilometer langes Schienennetz. Das führt zu Überlastungen von durchschnittlich 125 Prozent – und das ganz ohne zusätzliche Behinderungen wie zum Beispiel Baustellen. Mit der Generalsanierung von 4000 Kilometern sollen die Verspätungen und Ausfälle deutlich reduziert werden. "80 Prozent der Qualität des Eisenbahnsystems entscheiden sich auf dem Schienennetz", sagt DB-Chef Richard Lutz.
Für das Projekt sind zunächst 39,5 Milliarden Euro eingeplant. 11,5 Milliarden Euro kommen aus dem diesjährigen Bundeshaushalt und sollen die Finanzierung bis 2027 gewährleisten. Weitere 12,5 Milliarden Euro stammen aus dem Klima- und Transformationsfond (KTF). Die Bahn selbst steuert 3 Milliarden Euro bei. Weitere 12,5 Milliarden Euro sollen durch eine Eigenkapitalerhöhung finanziert werden. Dafür könnte der Bahn-Konzern seine Logistiktochter Schenker verkaufen oder der Bund seine Anteile an der Post und Telekom veräußern, so der aktuelle Stand der Überlegungen.
Verbessern statt ausbessern
Mit dem Plan zur Generalsanierung vollziehen DB-Chef Lutz und Verkehrsminister Wissing einen grundlegenden Strategiewechsel: Aktuell leidet der Bahnverkehr nämlich vor allem unter Verzögerungen durch viele kleine Reparaturen an verschiedenen Stellen. Bei der Generalsanierung sollen alle notwendigen Bauarbeiten hingegen parallel behandelt werden. Dafür werden die betroffenen Abschnitte monatelang komplett gesperrt. So können gleichzeitig Bahnhöfe, Gleise, Weichen, Oberleitungen, Signal- und Stellwerkstechnik sowie Bahnübergänge und Lärmschutzwände modernisiert werden. Danach sollen die Strecken acht bis zehn Jahre ohne weitere Großbaustellen befahrbar sein.
Das erste Projekt startet am 15. Juli. Dann wird die 74 Kilometer lange Riedbahn zwischen Frankfurt am Main und Mannheim bis zum 14. Dezember gesperrt. "Die Auswirkungen der Vollsperrungen werden für die Bahnreisenden erheblich sein", sagt Detlef Neuß vom Fahrgastverband Pro Bahn. "Der Fernverkehr wird umgeleitet und daraus entstehen längere Fahrzeiten, eventuell Anschlussverluste. Im Nahverkehr werden vor allem die Pendler durch den Schienenersatzverkehr deutlich zu leiden haben." Ab Juli übernehmen hier 150 Busse den Transport der täglich 15.000 Bahnpendler. Ob das ausreicht, kann Neuß nicht sagen. Klar ist: Wenn zu viele Bahnfahrer auf das Auto ausweichen, kann das vermehrt zu Staus und damit auch Verspätungen führen.
Nach dem Projektauftakt bei der Riedbahn folgen 2025 die Strecken Hamburg-Berlin und Emmerich-Oberhausen. Für 2026 sind fünf weitere Generalsanierungen geplant. 2030 soll das Projekt mit der Strecke Mannheim-Karlsruhe abgeschlossen werden.
Quelle: ntv.de