Diesel-Dunst beim Aktionärstreffen Daimler-Chef muss Investoren beruhigen
06.04.2016, 19:53 Uhr
Knallroter Blickfang mit Stern: Bei der Daimler-Hauptversammlung in Berlin parkt die neue E-Klasse auf der Bühne.
(Foto: imago/Stefan Zeitz)
Die Mehrheit der Aktionäre hält sich bei der Hauptversammlung nicht lange mit den Würstchen auf: Der VW-Skandal wirft dunkle Schatten. Konzern-Chef Zetsche muss sich bohrenden Fragen stellen. Viele Anleger sind nervös.
Der VW-Abgas-Skandal und die damit verbundene Debatte um Emissionswerte bei Dieselfahrzeugen lösen unter Daimler-Aktionären offenbar große Verunsicherung aus: Auf der diesjährigen Hauptversammlung des Stuttgarter Automobilkonzerns sprach Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment von "enormen Klage- und Reputationsrisiken für die gesamte Automobilindustrie". Speichs Worte haben Gewicht: Aktienfonds gelten als Großinvestoren und sind bei Daimler teils mit erheblichen Summen engagiert.
Auch andere Aktionärsvertreter drängten bei dem Treffen der Anteilseigner in Berlin auf Aufklärung. In den vergangenen Monaten hatte die Daimler-Aktie nach Bekanntwerden der Manipulation von Dieselmotoren bei Volkswagen zusammen mit den Aktien anderer Autobauer deutlich an Wert verloren. Die Stuttgarter hatten stets bestritten, eine "Defeat Device" genannte Schummelsoftware, die Testfahrten erkennt, in ihren Motoren zu verwenden. Trotzdem kritisieren Umweltverbände zu hohe Abgaswerte auch bei Daimlers Dieselmotoren.
DUH reicht Klage ein
Mit Blick auf entsprechende Klagen und Beschwerden von Umweltorganisationen sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche bei der Hauptversammlung: "Diese Vorwürfe weisen wir entschieden zurück." In den USA hatten Autobesitzer schon im Februar eine Sammelklage gegen Daimler wegen angeblichen Betrugs bei Abgaswerten eingeleitet. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zog mit einer Unterlassungsklage wegen Verbrauchertäuschung vor dem Landgericht Stuttgart (34 O 21/16 KFH) nach. Eine Daimler-Sprecherin erklärte dazu: "Die Klage wurde uns inzwischen zugestellt, wir halten sie für unbegründet."
Die Umwelthilfe wirft dem Autobauer vor, Verbraucher mit Werbung für saubere Dieselmotoren der Mercedes "C-Klasse 220 CDi" in die Irre zu führen. Der Verein kritisiert eine Einrichtung, die in einigen Dieselmotoren dafür sorgt, dass die Abgasnachbereitung in bestimmten Temperaturbereichen heruntergeregelt wird.
Das Kraftfahrtbundesamt schweigt
Hersteller wie Daimler begründen das mit dem Schutz von Bauteilen, der in den rechtlichen Vorgaben vorgesehen sei. Die Umwelthilfe hatte allerdings den Entzug der Typgenehmigungen des Modells gefordert. Einen ähnlichen Antrag, der sich gegen ein Opel-Modell wandte, habe das Kraftfahrtbundesamt abgelehnt, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Man werde dem widersprechen und notfalls auch vor das Verwaltungsgericht ziehen.

"Diese Vorwürfe weisen wir entschieden zurück": Daimler hält die DUH-Klage für unbegründet.
(Foto: imago/STPP)
Vorsorglich ließ die Umwelthilfe die Praxis in einem Rechtsgutachten für nicht rechtens erklären. Bislang ist das aber nur eine Expertenmeinung - und kein rechtsgültiges Urteil. Ein von den Grünen in Auftrag gegebenes Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages kommt allerdings zu einem ähnlichen Schluss. Das zuständige Kraftfahrbundesamt wollte sich dazu bislang allerdings nicht äußern.
"Abweichungen können auftreten"
Daimler-Chef Zetsche bekräftigte vor versammelter Aktionärsrunde, alle Daimler-Fahrzeuge seien auf Basis der geltenden Rahmenbedingungen in den einzelnen Regionen zertifiziert und zugelassen. Die vorgegebenen Grenzwerte würden eingehalten. "Im realen Fahrbetrieb können Abweichungen im Vergleich zu den zertifizierten Normwerten auftreten." Das sei keine Manipulation, sondern Folge der vorgeschriebenen Messverfahren. Rückstellungen für etwaige Schadenersatzzahlungen will Daimler demnach nicht vornehmen - schlicht, weil der Hersteller dafür keine Veranlassung sieht.
An den Geschäften von Daimler hatten die Aktionäre wenig auszusetzen. Nach dem Rekordjahr 2015 will der Konzern seine Anteilseigner mit einer deutlich erhöhten Dividende von 3,25 Euro (Vorjahr: 2,45 Euro) belohnen. Zetsche rechnet 2016 in der zweiten Jahreshälfte mit mehr Aufwind für das Geschäft des Autobauers. Er erwarte, dass das zweite Halbjahr dank der neuen E-Klasse und günstigerer Währungseffekte "deutlich besser laufen wird als das erste Halbjahr", sagte Zetsche.
Hält Bischoff Zetsches Stuhl warm?
Vor allem das erste Quartal werde von Anlaufkosten für das neue Modell sowie einer starken Nachfrage nach kleineren Autos beeinträchtigt, hieß es. Kleinere Fahrzeuge werfen im Pkw-Markt in der Regel weniger Gewinn ab als Limousinen und andere prestigeträchtigere Modelle. Insgesamt zogen Verkäufe im Autogeschäft im ersten Quartal trotz einer Abschwächung im März ordentlich an.
Kritisch sahen einige Aktionäre die Wiederwahl von Aufsichtsratschef Manfred Bischoff. Der 73-Jährige soll für weitere fünf Jahre in dem Kontrollgremium sitzen. Spekulationen zufolge soll er dann von dem bis dahin ausgeschiedenen Konzernchef Zetsche beerbt werden. "Das ist keine gute Corporate Governance, eine vorausschauende Nachfolgeplanung sieht anders aus", sagt Fondsmanager Speich.
Nie mehr Würstchen bei Daimler?
Unterdessen bestätigte Daimler Gespräche mit den US-Techkonzernen Amazon und Microsoft über einen Einstieg beim Kartendienst Nokia Here. "Wir reden mit Amazon, Microsoft und vielen Autoherstellern", sagte Entwicklungschef Thomas Weber dem "Wall Street Journal". BMW, Daimler und die VW-Tochter Audi hatten den Kartendienst für mehr als 2,5 Milliarden Euro von Nokia gekauft.
Ein kurioser Zwischenfall am Rand der Hauptversammlung sorgte nur kurzzeitig für Aufsehen: Einer der rund 5500 anwesenden Aktionäre hatte mit seiner Vorliebe für Würstchen am Buffet für einen Eklat gesorgt. Erst herbeigerufene Polizeibeamte konnten den Streit zwischen zwei Aktionären schlichten. Der Dax-Konzern hatte für seine Anteilseigner wie üblich eine kleine Stärkung vorbereitet. Nach Unternehmensangaben standen dafür insgesamt etwa 12.500 Würstchen bereit. Aufsichtsratschef Bischoff dachte anschließend laut über Konsequenzen nach: "Entweder wir brauchen mehr Würstchen oder wir schaffen die Würstchen ganz ab."
Quelle: ntv.de, mmo/dpa