Deliveroo und Foodora Fahrer lehnen sich gegen Lieferdienste auf
17.05.2017, 18:34 UhrStart-ups wie Foodora und Deliveroo gestalten die Arbeitswelt um. Allein in Berlin fahren inzwischen mehr als 1000 Mitarbeiter für die Lieferdienste Essen aus. Die Kuriere gehen nun erstmals für bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße.
Unter anderem mit dem Versprechen einer "Festanstellung mit flexiblen Arbeitszeiten und sozialer Absicherung" wirbt der Berliner Lieferdienst Foodora um neue Fahrer. Bis zu zwölf Euro Verdienst pro Stunde winken demnach zudem - und dabei bleibe man auch noch fit und entdecke die eigene Stadt, während man Essen mit dem Fahrrad ausliefere. "Das ist wirklich ein toller Job", bestätigt Klaus, der seit mehr als einem Jahr hauptberuflich für Foodora fährt. Bei Regen und Schnee Fahrrad zu fahren sei ihm viel lieber, als im Büro zu sitzen.
Doch mit dem Rest der Versprechen sei es nicht so weit her, klagt der Kurierfahrer, der darum bittet, seinen richtigen Namen nicht zu nennen. Trotz Festanstellung garantiere Foodora seinen Fahrradfahrern keine feste Anzahl von Stunden. Jeder sei selbst dafür verantwortlich, sich freie Schichten im Dienstplan zu suchen. Da die Zahl der Fahrer allerdings stark gestiegen sei, vor allem mit den höheren Temperaturen im Frühjahr, gebe es manchmal nicht genug Arbeit für alle. Wer nicht auf die vertraglich vereinbarte Zahl von Schichten kommt, erhält auch weniger Geld. "Derzeit verdiene ich nur etwa halb so viel wie noch im Winter", berichtet Klaus.
Die Zahl der Fahrer und Fahrerinnen für Foodora und den britischen Konkurrenten Deliveroo ist in den vergangenen Monaten massiv gestiegen. In vielen Großstädten sind sie bereits aktiv - mit dem erklärten Ziel, bald alle deutschen Städte zu beliefern. Allein in Berlin beschäftigen die beiden Start-ups mehr als 1000 Menschen als Fahrradkuriere. Doch mit der Zahl der Fahrer werden auch deren Beschwerden lauter. Die Planungsunsicherheit und das stark schwankende Einkommen sind nur zwei der Probleme, über die Klaus klagt. Unfair findet er etwa auch, dass die Fahrer für ihre wichtigsten Arbeitsmaterialien - das Fahrrad und das Smartphone, über das die Lieferaufträge abgewickelt werden - allein aufkommen müssen.
In Berlin hat die unabhängige Gewerkschaft FAU begonnen, die Fahrer beider Lieferdienste zu organisieren. Am Donnerstag wollen sie erstmals ihrem Unmut auf einer Kundgebung in Kreuzberg Luft machen. Die meist jungen Fahrer mit ganz unterschiedlichem Hintergrund und verschiedener Herkunft, die sich zudem kaum persönlich kennen, zusammenzubringen, sei zwar schwierig, aber keineswegs aussichtslos, sagt Clemens Melzer, Sekretär der Gewerkschaft FAU. "Die Leute sind zum Beispiel in Whatsapp oder Facebookgruppen miteinander in Kontakt." Das Interesse an einem Zusammenschluss sei groß, auch über die rechtlich und finanziell verschieden gestellten Gruppen von festangestellten und freien Fahrern und Mitarbeitern in den Büros hinweg.
Uber & Co. gestalten Arbeitswelt um
Zu den ersten von der FAU organisierten Treffen für die Kuriere kamen mehr als 100 Fahrer. Wie viele Mitglieder seine Gewerkschaft bei Foodora und Deliveroo bereits hat, will Melzer nicht sagen. Die 50-Prozent-Marke, die notwendig sei, um zum Streik aufzurufen, sei noch nicht erreicht. "Aber die Mitgliederzahl ist bei beiden Unternehmen bereits stark gewachsen", sagt Melzer.
An einen Streik wollen die Fahrer zunächst ohnehin noch nicht denken. Wie die Auseinandersetzung weitergeht, hänge vom Verhalten der beiden Unternehmen ab, sagt Melzer. "Wir haben einen Forderungskatalog sowohl an Deliveroo als auch an Foodora überreicht und hoffen, dass wir bald mit Gesprächen beginnen."
Einen Termin für ein Treffen gibt es zwar noch nicht, doch die Firmen hätten grundsätzlich Gesprächsbereitschaft signalisiert. Foodora teilt mit, man sei "offen für weitere Gespräche mit sowohl unseren Fahrern als auch deren Vertretern auf Augenhöhe, die derzeit bereits auch stattfinden". Das Recht der Mitarbeiter, sich zusammenzuschließen, respektiere man selbständig. Vorwürfe wie den, zu viele Fahrer einzustellen, so dass die Mitarbeiter nicht auf vertraglich vereinbarte Stundenzahl und Einkommen kämen, weisen beide Unternehmen zurück. Die gestiegene Anzahl der Mitarbeiter entspreche der steigenden Nachfrage, heißt es.
Sowohl Foodora als auch Deliveroo betonen, dass ihre Mitarbeiter mit den gegenwärtigen Arbeitsbedingungen weitgehend zufrieden seien. Das wisse man aus regelmäßigen Umfragen unter den Kurieren. Foodora-Fahrer Klaus will dem gar nicht grundsätzlich widersprechen. "Ich möchte diese Arbeit gerne weitermachen", sagt er. Umso wichtiger sei es allerdings, für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einzutreten. Und das gelte umso mehr, da nicht nur Deliveroo und Foodora rasant expandierten, sondern auch andere Unternehmen der sogenannten Gig-Economy, die auf einen großen Pool flexibel einsetzbarer, oft freier Mitarbeiter setzten. Klaus hofft, dass sich viele seiner Kollegen an der Kundgebung am Donnerstag beteiligen, denn "wir haben als Arbeitnehmer auch eine Verantwortung, den Umbruch derzeit in der Arbeitswelt mitzugestalten".
Quelle: ntv.de