Anleger aufgepasst Firmenjäger machen Kasse
15.03.2010, 14:05 UhrLebenszeichen auf dem IPO-Markt: Kabel Deutschland und Brenntag wollen an die Börse und Millionen einsammeln. Aber die Emissionserlöse fließen oft gar nicht in die Unternehmenskassen.
Endlich. Das Warten hat ein Ende. Ein Jahr und acht Monate nach dem letzten nennenswerten Börsengang in Deutschland - das Solartechnikunternehmen SMA Solar sammelte Mitte 2008 immerhin rund 360 Mio. Euro ein - wagen sich die ersten heißen IPO-Kandidaten aus der Deckung: Neben der Modekette Tom Taylor sind das in erster Linie Deutschlands größter Kabelnetzbetreiber Kabel Deutschland (KDG) und der Mülheimer Chemikalienhändler Brenntag (Brennstoff-, Chemikalien- und Transport AG). Noch vor Ostern könnte der erste Börsenneuling nach der Finanzkrise das Parkett der Deutschen Börse betreten.
Vor allem bei KDG und bei Brenntag geht es um hohe dreistellige Millionenbeträge, die die Unternehmen einsammeln wollen - und ums Kassemachen. Für die Private-Equity-Eigentümer Providence (KDG) und BC Partners (Brenntag) ist der Gang aufs Parkett gleichzeitig auch der Einstieg in den Ausstieg. Das birgt nicht nur für Anleger Gefahren. Auch die Finanzinvestoren sind vorsichtig, nachdem die ersten Versuche, große Unternehmen in diesem Jahr an die Börse zu bringen, in Großbritannien reihenweise in die Hose gegangen sind. In Deutschland selbst scheiterte das letzte große geplante IPO (Initial Public Offering) im Dezember, weil Hochtief Concessions angesichts des trüben Marktumfelds der Mut verließ.
Investoren machen Kasse
Deshalb sollen die beiden Börsengänge kleiner ausfallen als ursprünglich geplant. Beide bleiben – wenn auch nur knapp - unter der magischen Schwelle von 1 Mrd. Euro, die letztmals im November 2007 vom Hamburger Hafenlogistikunternehmen HHLA überschritten worden war. Für KDG sind Experten zufolge rund 700 Mio. bis 800 Mio. Euro realistisch. Bei Brenntag geht das IPO mit einer Kapitalerhöhung von 500 Mio. Euro einher. Das Gesamtvolumen des Börsengangs liegt Finanzkreisen zufolge zwischen 800 Mio. und 900 Mio. Euro.
Die Crux dabei: Bei den Unternehmen bleibt entweder gar nichts hängen (KDG) oder nur ein Teil (Brenntag). Der Chemikalienhändler kann nur 500 Mio. Euro der Erlöse nutzen. Damit sollen einige Darlehen getilgt, die Nettoverschuldung, die mit 1,8 Mrd. Euro beim immerhin 3,8-fachen des operativen Gewinns liegt, gedrückt werden. So will das 1874 in Berlin als Eiergroßhandel gegründete Unternehmen wieder Flexibilität für eigenes Wachstum gewinnen.
Weniger Schulden und "kleine Zukäufe"
Brenntag ist bereits Weltmarktführer und setzte 2009 rund 6,4 Mrd. Euro um. Der operative Gewinn betrug rund 477 Mio. Euro. Brenntag kauft von Lieferanten große Mengen Industrie- und Spezialchemikalien und verkauft sie in bedarfsgerechten Größen weiter. Laut Konzernchef Stephen Clark sind "kleine Zukäufe" denkbar. In Asien seien auch größere Übernahmen möglich. Clark betont zudem: BC Partners habe nie Geld aus dem MDax-Kandidaten abgezogen.
Bei KDG sieht das etwas anders aus. Eine den Börsengang begleitende und das Unternehmen stärkende Kapitalerhöhung wie bei Brenntag wird es nicht geben. Der Emissionserlös geht komplett an Providence. Der US-Finanzinvestor, der 88 Prozent an KDG hält, will nach seinem Einstieg 2003 nun endlich Geld sehen. Einem ursprünglich geplanten Verkauf hatte Providence zuletzt eine Absage erteilt. Dem Finanzinvestor waren Kreisen zufolge die Angebote, die deutlich über 5 Mrd. Euro gelegen haben sollen, zu niedrig.
"Dual Track"
Insider schließen aber nicht aus, dass Providence mit der Ankündigung des Börsengangs noch auf einen Käufer spekuliert, der mehr bietet. Ähnlich war es im November beim KDG-Konkurrenten Unitymedia gelaufen: Der US-Medienmogul John Malone schnappte sich kurz vor dem IPO die Nummer zwei am deutschen Kabelmarkt. Malones Medienkonzern Liberty Global zahlte gut 3,5 Mrd. Euro.
In Finanzkreisen heißt dieses Vorgehen kurz "Dual Track". Eigentümer und Berater fahren zweigleisig und arbeiten parallel sowohl am Börsengang als auch am Unternehmensverkauf. Was es am Ende wird, bleibt bis zuletzt offen. Bei Private-Equity-Firmen steht dieses Vorgehen Experten zufolge derzeit hoch im Kurs - aus einem ganz bestimmten Grund und der heißt Finanzkrise. Den oft als "Heuschrecken" titulierten Investoren fehlen aufgrund der Zurückhaltung der Banken Kredite zur Finanzierung ihrer Übernahmen und zur anstehenden Refinanzierung ihrer stark verschuldeten Unternehmen. Gleichzeitig wächst aber der Anlagedruck, nachdem durch die Finanzkrise Investitionen jahrelang brach gelegen haben.
Auf Nummer sicher
Mit den IPOs wählen die Finanzinvestoren daher die für sie sicherste und derzeit rentabelste Variante: Jeweils mindestens 60 Prozent der Aktien behalten Providence und auch BC Partners - in der Hoffnung, in einem oder zwei Jahren zu besseren Kursen ganz aussteigen zu können und groß Kasse zu machen.
Auch der Zeitpunkt der Börsengänge, mit Ende März veranschlagt, ist schlau gewählt. Im Mai beginnt die große Dividendensaison und belastet die Kurse an den Börsen. Nicht umsonst heißt es: "Sell in may and go away". Anleger sollten daher auf der Hut sein. Bei Brenntag belastet nach wie vor die hohe Verschuldung. KDG als Infrastrukturunternehmen, das in 13 Bundesländern rund 9 Mio. Haushalte mit TV, Telefon und Internet versorgt, lockt zwar mit langfristig sicheren Einnahmen. Im laufenden Geschäftsjahr wird ein Umsatz von 1,5 Mrd. Euro sowie ein operativer Gewinn von 650 Mio. Euro angepeilt, Allerdings belastet der Malus, dass der Emissionserlös komplett am Unternehmen vorbeifließt. Fakt ist aber eins: Ein IPO-Erfolg von KDG wäre auch gut für Brenntag und umgekehrt. Allerdings wäre das Scheitern eines Kandidaten auch ein schlechtes Zeichen für den anderen.
Quelle: ntv.de