Wirtschaft

Ende der Bescheidenheit Gewerkschaften wollen mehr Geld

Der Konjunkturoptimismus in Deutschland wächst und wächst. Die Prognosen schnellen nach oben, auch wenn der Schwung in den kommenden Monaten verpuffen könnte. Gewerkschaften verlangen, auch die Arbeitnehmer vom Aufschwung profitieren zu lassen.

Es geht um die Wurst: Alle wollen was vom Aufschwung abbekommen.

Es geht um die Wurst: Alle wollen was vom Aufschwung abbekommen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das Vertrauen in den Aufschwung in Deutschland scheint unerschütterlich - trotz der Konjunktursorgen in den USA: Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erhöhte seine Prognose für 2010 massiv, die Experten erwarten deutlich mehr als drei Prozent Wachstum. Auch die Bundesregierung will ihre Erwartungen nach oben korrigieren, die Deutsche Bundesbank hob ihre Prognose schon kräftig auf rund drei Prozent an. Bei all dem Optimismus fordern Gewerkschaften deutlich höhere Löhne.

Die IG Metall hatte bereits angekündigt, in der bevorstehenden Stahl-Tarifrunde das Ende der Bescheidenheit einzuläuten. Die Gewerkschaft will voraussichtlich Lohnerhöhungen zwischen 4,5 und 8,0 Prozent fordern. Auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) will Lohnerhöhungen: Um die Binnenkonjunktur anzukurbeln, seien spürbare Lohnerhöhungen unverzichtbar, sagte NGG-Chef Franz-Josef Möllenberg der "Rheinpfalz am Sonntag". Die Gewerkschaft werde mit einer Forderung von fünf Prozent mehr Lohn in die Tarifgespräche gehen.

"Auschwung XL"

Das Bruttoinlandsprodukt war von April bis Juni um 2,2 Prozent gewachsen, so rasant wie seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sprach von einem "Aufschwung XL".

Doch trotz des starken Wachstums im zweiten Quartal sieht der DIHK wenig Luft für mehr Lohn. Nach Einschätzung von DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann wächst die Nachfrage auch ohne Lohnerhöhungen. "Ich sehe derzeit wahrlich keinen Spielraum für größere Lohnzuwächse", sagte Driftmann dem "Hamburger Abendblatt".

Gleichzeitig erhöhte der Verband seine Prognose: Im Gesamtjahr erwartet der DIHK dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zufolge nun ein Wachstum von 3,4 Prozent. Bislang ging der Verband von 2,3 Prozent aus. Aber nicht allein der boomende Export sei die Ursache für die besseren Aussichten: "Der Aufschwung gewinnt an Breite", sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben dem Magazin. Die Unternehmen investierten branchenübergreifend wieder mehr. "Sogar der Konsum zieht wegen der erfreulichen Arbeitsmarktentwicklung langsam an."

Rückenwind noch nicht eingerechnet

Angesichts des starken zweiten Vierteljahres seien die Prognosen vieler Ökonomen Makulatur, schrieb die Zeitung "Euro am Sonntag". Eine Drei vor dem Komma sei durchaus möglich, sagte der Konjunkturchef des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo), Kai Carstensen, dem Blatt. Allerdings werde das Institut vor dem Herbstgutachten am 14. Oktober keine neue Prognose veröffentlichen. Bislang gehe das Institut von einem Wachstum von zwei Prozent aus.

Auch das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) stehe vor einer Anhebung: "Im Moment erwarten wir für 2010 mindestens drei Prozent Wachstum", sagte Konjunkturchef Oliver Holtemöller zu "Euro am Sonntag". Bisher sind es 2,1 Prozent - eine genaue Prognose werde am 15. September veröffentlicht. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) beurteilt die Aussichten ebenfalls optimistischer: DIW-Konjunkturexperte Vladimir Kuzin sagte dem Blatt, man gehe von einem Wachstum von gut drei Prozent oder leicht darüber aus. Das Institut hatte seine Prognose zuletzt im Juni von 1,7 Prozent auf 1,9 Prozent angehoben.

Die Bundesregierung wird ihre Konjunkturprognose für 2010 nach dem aktuellen Monatsbericht des Finanzministeriums deutlich nach oben schrauben. Bisher war die Regierung für 2010 von einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 1,4 Prozent ausgegangen. Inzwischen erwartet man in Regierungskreisen einen Zuwachs um bis zu drei Prozent. Ihre neue Prognose legt die Regierung im Oktober vor.

Wachstumstempo wird langsamer

Das Ministerium schrieb, die Dynamik werde in der zweiten Jahreshälfte wahrscheinlich erheblich weniger stark ausfallen. Auch Finanzexperten rechnen mit einer Abkühlung der deutschen Konjunktur in den kommenden Monaten. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) begründete dies mit der schwachen Konjunkturentwicklung in anderen Euro-Ländern und den USA.

Der US-Ökonom Michael Burda hält ein Abgleiten der USA in eine erneute Rezession für möglich. Dem "Tagesspiegel" sagte er, ein "Double Dip", der befürchtete zweite Absturz der Konjunktur nach dem Desaster von 2008, sei durchaus möglich.

Quelle: ntv.de, dpa

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