Wirtschaft

Reallohnzuwachs im Frühling Kaufkraft steigt erstmals seit zwei Jahren - aber nur minimal

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos | Feedback senden
Die Reallöhne stiegen um 0,1 Prozent.

Die Reallöhne stiegen um 0,1 Prozent.

(Foto: picture alliance/dpa)

Erstmals seit gut zwei Jahren ist der durchschnittliche Anstieg der Löhne im Frühjahr höher ausgefallen als die Teuerung. Dazu haben unter anderem ein gestiegener Mindestlohn, höhere Zuverdienstgrenzen und die vielfach gezahlten Inflationsprämien beigetragen. Experten hoffen auf den privaten Konsum als Wachstumsmotor.

Sinkende Teuerung, Inflationsprämien und höherer Mindestlohn im Frühjahresquartal haben erstmals seit zwei Jahren für eine höhere Kaufkraft der deutschen Arbeitnehmer gesorgt - wenn auch nur geringfügig. Von April bis Juni wuchsen die Bruttomonatsverdienste einschließlich Sonderzahlungen mit 6,6 Prozent zum Vorjahreszeitraum so kräftig wie noch nie seit Beginn dieser Statistik im Jahr 2008. Die Verbraucherpreise zogen mit 6,5 Prozent etwas langsamer an, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Daraus ergibt sich ein leichter Anstieg der Reallöhne von 0,1 Prozent - das erste Plus seit dem Frühjahr 2021.

In der Jahressicht sind die Reallöhne seit 2020 rückläufig, als der Corona-Schock zu massenhafter Kurzarbeit führte. In den vergangenen zwei Jahren war dann der starke Anstieg der Verbraucherpreise der wichtigste Grund für den Reallohn-Schwund.

Nachdem die Verbraucher im Zeichen der Energiepreis getriebenen Inflation ihr Geld zusammengehalten haben, könnte nun wieder der private Konsum die wirtschaftliche Entwicklung stützen, erwartet die Chef-Volkswirtin der staatlichen KfW-Bankengruppe, Fritzi Köhler-Geib. Sie rechnet zum Jahresende mit einer deutlicheren Erhöhung der Reallöhne. "Getrieben durch die hohen Preissteigerungen und den Fachkräftemangel erhalten Arbeitnehmende im laufenden Jahr die höchsten nominalen Verdienststeigerungen seit 30 Jahren", analysierte die Ökonomin.

Reallohnverluste könnte 2023 ausgeglichen werden

Zuletzt hat die Inflation - die im Januar und Februar noch bei 8,7 Prozent lag - merklich nachgelassen, auch wenn sie ungewöhnlich hoch bleibt. Zum leichten Kaufkraftgewinn "haben auch die Auszahlungen der Inflationsausgleichsprämie beigetragen", erklärten die Statistiker. Diese kann bis zu 3000 Euro betragen und ist steuer- und abgabenfrei. Auch die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde im Oktober 2022 habe einen positiven Effekt auf das gesamtwirtschaftliche Lohnwachstum, so die Statistiker.

Ob die Reallöhne auch im Jahresschnitt steigen, ist dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) zufolge indes noch nicht ausgemacht. "Spätestens im kommenden Jahr werden die Nominallöhne dann aller Voraussicht nach aber deutlich stärker steigen als die Verbraucherpreise", sagte IfW-Experte Dominik Groll. Mit etwas Glück könnten die Reallohnverluste, die sich zwischen 2020 und 2022 aufsummiert haben, dann sogar wettgemacht werden. "Vom Vorkrisentrend – also dem Reallohnniveau, das ohne Pandemie und Energiekrise realistisch wäre – wäre man allerdings auch im kommenden Jahr noch weit entfernt", erwartet Groll.

Minijobs und Mindestlohn

Als Konjunkturmotor dürfte der private Konsum trotz der leichten Kaufkraftzuwächse vorerst ausfallen. Die realen Konsumausgaben würden 2023 wohl den Vorjahreswert um rund 1,25 Prozent unterschreiten, erwartet das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln). Darauf deutet auch die schlechte Stimmung unter den Verbrauchern hin: Die GfK-Konsumforscher sagen für September einen Rückgang ihres Barometers um 0,9 auf minus 25,5 Punkte voraus. "Anhaltend hohe Inflationsraten, vor allem für Lebensmittel und Energie, sorgen dafür, dass das Konsumklima derzeit nicht vorankommt", urteilte GfK-Experte Rolf Bürkl.

Geringfügig Beschäftigte wiesen mit 9,7 Prozent den stärksten Nominallohnanstieg auf. Dies sei vor allem auf die seit dem 1. Oktober 2022 gültige Erhöhung der Minijob-Verdienstgrenze von monatlich 450 auf 520 Euro sowie auf die Mindestlohnerhöhung auf zwölf Euro zurückzuführen, so die Statistiker. Bei Teilzeitkräften (+7,2 Prozent) und Auszubildenden (+8,4 Prozent) wurde ebenfalls ein starker Lohnanstieg verzeichnet. Die Nominallöhne von Beschäftigten in Vollzeit stiegen mit 6,3 Prozent leicht unterdurchschnittlich: Hier hatte das Fünftel mit den geringsten Verdiensten mit 11,8 Prozent die stärksten Lohnzuwächse.

Mehr zum Thema

Im Gastgewerbe kletterten die Nominallöhne im abgelaufenen Quartal mit 12,6 Prozent besonders deutlich, ebenso im Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung mit 11,9 Prozent. Auch die Beschäftigten in den Bereichen Verkehr und Lagerei profitierten von einem überdurchschnittlichen Lohnzuwachs (10,0 Prozent). Hierzu zählt beispielsweise die Luftfahrt. "Bei diesen Anstiegen handelt es sich auch um auf Aufholeffekte, da die Sektoren in der Corona-Krise besonders stark vom Lockdown und Kurzarbeit betroffen waren", erklärte das Statistikamt.

Laut einer Analyse der OECD sind während der Corona-Pandemie die Nominallöhne in fast allen entwickelten Volkswirtschaften gesunken. Gleichzeitig habe sich die Beschäftigung inzwischen erholt und zur niedrigsten Arbeitslosigkeit seit den frühen 1970er-Jahren geführt. Da es wenige Anzeichen für eine Preis-Lohn-Spirale gibt, rät die OECD zu staatlich kontrollierten Mindestlöhnen und Tarifverhandlungen, um die Kaufkraftverluste der Beschäftigten abzufedern.

Quelle: ntv.de, jwu/rts/dpa

Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen