Wo Konzerne ihre Produkte testen Mini-Deutschland an der Weser
04.04.2010, 13:53 Uhr
(Foto: dpa)
Bremen ist Durchschnitt. Das klingt nicht gerade schmeichelhaft. Doch gerade das macht die Hansestadt für Marktforscher und Werbestrategen spannend. Denn sie stellt in vieler Hinsicht ein kleines Abbild von Deutschland dar: bei Altersstruktur, Haushaltsgröße, Kaufkraft, Arbeitslosenquote und Mediennutzung zum Beispiel. Damit ist Bremen ein optimales Testfeld für neue Produkte und Dienstleistungen, was sich viele große Hersteller zunutze machen.
Im Auftrag von Branchenriesen wie Beiersdorf, Dr. Oetker, Novartis und Procter & Gamble testet das Marktforschungsunternehmen Bonsai Deutschland seit 2003, wie neue Produkte bei den Verbrauchern ankommen und welche Werbestrategien funktionieren. Egal ob bei Waschmittel, Dosensuppen, Hustensaft oder Versicherungen - die Bremer werden zum Gradmesser für die bundesweite Akzeptanz. Allerdings ohne dass sie es merken.
Saft und Shampoo treten zur Generalprobe an
Irgendwann taucht das Testprodukt einfach in den Regalen von Supermärkten, Apotheken oder Drogerien auf, zwischen all den anderen Säften, Shampoos oder Windeln. "So wie es später nach der Markteinführung auch wäre", erklärt Norbert Hegmann, Geschäftsführer der TNS Infratest-Tochter Bonsai. Die Geschäfte bekommen dafür eine Aufwandsentschädigung. Nach zwei bis drei Monaten prüfen die Marktforscher die Verkaufszahlen und vergleichen diese mit den deutschlandweiten Daten für andere Waren dieser Art, um saisonale Schwankungen auszuschließen. Sonnencreme verkauft sich in den Sommermonaten zum Beispiel grundsätzlich besser als im Winter.
Parallel dazu läuft eine Werbekampagne, die nur in Bremen zu sehen ist. Die dort verkauften Zeitungen und Zeitschriften enthalten eine zusätzliche Anzeigenseite. Fernsehen und Radio strahlen Werbespots aus, die nur an der Weser auf den Sender gehen. Nach einiger Zeit befragen die Marktforscher dann eine repräsentative Zahl von Verbrauchern, um die Werbewirkung festzustellen.
Bremen ist deutschlandweit einzigartig
"In Deutschland ist der Bremer Testmarkt einzigartig", sagt Christoph Burmann, Professor für innovatives Markenmanagement an der Universität Bremen. Es gebe zwar noch einen in der pfälzischen Kleinstadt Haßloch, doch dieser bilde nicht so viele gesellschaftliche Gruppen und Medien ab. In Bremen können die Unternehmen ihre Produkte unter realen Bedingungen testen und dabei mit zuverlässigen Ergebnissen rechen. "Die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese auf das ganze Land übertragen lassen, liegt bei 98 bis 99 Prozent", erläutert Burmann.
Doch das hat seinen Preis. Nach Angaben von Bonsai-Geschäftsführer Hegmann kosten die Tests je nach Umfang zwischen 50 000 und 200 000 Euro. Auf der anderen Seite kann so eine Generalprobe viel Geld sparen. Denn die Flop-Gefahr liegt gerade bei Waren wie Joghurt, Keksen, Shampoo und Zahnpasta besonders hoch. "70 bis 80 Prozent der neuen Produkte fallen durch und sind nach wenigen Wochen wieder aus dem Regal verschwunden", sagt Martina Vollbehr, Geschäftsführerin bei der Hamburger Mediaagentur Pilot, die seit Jahren mit Bonsai zusammenarbeitet. Der Probelauf kann die Hersteller daher vor herben Verlusten schützen. Die Markteinführung eines Produkts verschlingt nämlich enorme Summen, oft mehrere Millionen Euro.
Quelle: ntv.de, dpa