Wachstum und mehr Arbeitslose OECD ermutigt und warnt
19.11.2009, 15:05 UhrDie Wirtschaft in Deutschland kommt nach Angaben der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wieder in Fahrt. Allerdings werde die Bevölkerung davon kaum etwas mitbekommen. So werde eine steigende Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr den Konsum beeinträchtigen.
Die deutsche Wirtschaft nimmt in den kommenden Jahren an Fahrt auf. Allerdings wird die Bevölkerung davon aber kaum etwas mitbekommen. Selbst ein Zuwachs von 1,6 Prozent 2010 und 1,8 Prozent im Folgejahr reiche nicht aus, um einen Anstieg der Arbeitslosigkeit bis Mitte 2011 zu verhindern, erklärte die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die Deutsche Bundesbank erwartet vor allem in der Industrie Stellenstreichungen.
Allerdings fallen in Folge der Wirtschaftskrise wohl weniger Stellen weg als in anderen Industrieländern oder in früheren Rezessionen - Grund dafür sind der massive Einsatz der Kurzarbeit und die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitszeit.
Ohne die Kurzarbeit wäre die Zahl der Arbeitslosen schon jetzt um etwa 500.000 höher, sagte OECD-Expertin Isabell Koske. Dass sich der Rekord-Einbruch der Wirtschaftsleistung nicht stärker auf den Arbeitsmarkt durchgeschlagen habe, sei nicht nur auf die Kurzarbeit zurückzuführen, schrieb die Bundesbank. Bedeutender seien andere Möglichkeiten, die Arbeitszeit an die betrieblichen Notwendigkeiten anzupassen.
Stellenabbau unvermeidbar
So bauten viele Firmen Zeitguthaben ab, die in den Boom-Jahren 2007 und 2008 angesammelt wurden, oder sammelten Zeitschulden an, die in besseren Zeiten abgearbeitet werden müssen. "Betriebe haben erstaunlich vielfältige Wege gefunden, um in der Krise zumindest große Teile ihrer Stammbelegschaft zu halten", sagte Alexander Herzog-Stein, Arbeitsmarktexperte beim Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Ein moderater Stellenabbau sei aber nicht zu vermeiden, erklärte das WSI zu seiner Umfrage unter 2300 Betriebsräten.
Die OECD erwartet im kommenden Jahr im Schnitt vier Mio. Arbeitslose, 2011 seien es dann 4,3 Mio. - das entspreche einer Quote von 9,2 beziehungsweise 9,7 Prozent. Bereits im Sommer war die Zahl der Erwerbstätigen gesunken, zum ersten Mal seit vier Jahren.
Steuersenkungen bringen nicht viel
Die steigende Arbeitslosigkeit belastet den Konsum im kommenden Jahr; die OECD erwartet hier einen Rückgang um 0,5 Prozent. Die geplanten Steuersenkungen der neuen Bundesregierung trügen wenig dazu bei, den privaten Verbrauch im kommenden Jahr anzukurbeln, weil schlicht gespart werde, sagte OECD-Experte Florian Hüfner. "Durch Einkommenssteuersenkungen bekommt man einen geringeren Anstieg des Wachstums, als man es mit Infrastrukturprojekten erreichen könnte."
Der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Franz, sprach sich angesichts des ausufernden Staatsdefizits stattdessen für Steuererhöhungen aus. Steuersenkungen beflügelten zwar die Wirtschaft. "Aber sie finanzieren sich nicht selbst, das hat noch nie so richtig funktioniert", sagte er den "VDI nachrichten". Auch die Bundesbank kritisierte die Steuererleichterungen mit Blick auf den EU-Stabilitätspakt: "Zusätzliche Defizit erhöhende Maßnahmen in einem Land, für das bereits ein Defizitverfahren eröffnet wurde, stehen nicht im Einklang mit dem Pakt", schrieben die Experten. In Deutschland werde 2010 das Defizit auf fünf Prozent steigen und damit deutlich über der Maastricht-Grenze von drei Prozent liegen.
Wachstumstreiber Export
Mit ihrer Wachstumsprognose von 1,6 Prozent im kommenden Jahr ist die OECD deutlich optimistischer als die Bundesregierung, die von lediglich 1,2 Prozent ausgeht. Das Wachstum werde in den kommenden Quartalen aber schwächer ausfallen als im Sommer, als die Wirtschaft um 0,7 Prozent gewachsen war. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) trat jedoch Befürchtungen entgegen, die Konjunktur könne bereits Ende nächsten Jahres wieder einbrechen.
Wachstumstreiber wird nach OECD-Einschätzung der Export, der 2010 um 7,2 Prozent zulegen und 2011 um weitere 8,1 Prozent steigen werde. Dabei profitiere Deutschland von der Belebung der Weltkonjunktur und den Konjunkturprogrammen. "Mit bisher beispiellosen wirtschaftspolitischen Anstrengungen scheint es gelungen zu sein, die Rezession abzumildern und den Aufschwung in einer Weise zu fördern, wie es noch vor sechs Monaten kaum zu erwarten war", sagte OECD-Chefökonom Jorgen Elmeskov in Paris. Dennoch dürfte der Einbruch in diesem Jahr mit 4,9 Prozent so groß sein wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik.
Quelle: ntv.de, wne/rts