Wirtschaft

"Gift für die Konjunktur" Putins Krieg macht deutscher Wirtschaft Sorgen

Selbst wenn die russischen Gaslieferungen gar nicht eingeschränkt werden, würde es bei einem Krieg in der Ukraine zu einem Preisschock auch in Deutschland kommen, warnt Ifo-Präsident Fuest.

Selbst wenn die russischen Gaslieferungen gar nicht eingeschränkt werden, würde es bei einem Krieg in der Ukraine zu einem Preisschock auch in Deutschland kommen, warnt Ifo-Präsident Fuest.

(Foto: imago images/Rainer Weisflog)

Russland gehört nicht zu Deutschlands wichtigen Handelspartnern. In den vergangenen Jahren haben sich viele Unternehmen aus dem Land zurückgezogen. Dennoch könnten eine russische Invasion in der Ukraine und ein Handelskonflikt mit dem Westen Deutschlands Wirtschaft empfindlich treffen.

Die Eskalation der Ukraine-Krise könnte auch in der deutschen Wirtschaft erheblichen Schaden anrichten. Wie groß dieser Schaden sein wird, hängt von einer zentralen Frage ab, ob der Kreml den Gasexport nach Deutschland und Europa stoppen wird. Die aktuellen und vorbereiteten Sanktionen gegen Russland und mögliche Kriegshandlungen selbst haben auf die deutsche Wirtschaft zunächst keine großen Auswirkungen. "Der bilaterale Handel mit Russland ist natürlich nicht groß genug, um ein allgemeines Anziehen der Industrie wegen verbesserter Lieferketten aufzuhalten", sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. "Eine weitere Eskalation der Situation bringt allerdings neue Unsicherheit, die Gift ist für die Konjunktur."

Diese Unsicherheit zeigt sich vor allem in einem erneuten sprunghaften Anstieg der Energiepreise. "Selbst wenn die Gaslieferungen nicht eingeschränkt würden, käme es zu einem Preisschock, jedenfalls vorübergehend", warnt Ifo-Clemens Fuest. "Das träfe private Haushalte und Industrie in Deutschland gleichermaßen." Die Energiepreise heizen wiederum die Inflation weiter an.

Die Teuerung ist in den vergangenen Monaten schon auf das höchste Niveau seit Jahrzehnten geklettert. Steigen durch den Konflikt die Gas- und Ölpreise weiter und bremsen andererseits die Konjunktur, erschwert das der Europäischen Zentralbank den Kampf gegen die Inflation. Denn die Notenbank muss bei Zinserhöhungen und anderem Schritten gegen die Inflation immer abwägen, dass solche Maßnahmen auch die Konjunktur belasten.

Viele Firmen haben Russland schon verlassen

Die Handelsbeziehungen mit Russland sind nach Einschätzung von Ifo-Präsident Fuest bereits durch Sanktionen beeinträchtigt, die nach der russischen Annexion der Krim 2014 verhängt wurden. Im vergangenen Jahr rangierte Russland mit knapp 27 Milliarden Euro auf Rang 14 der wichtigsten Länder für Waren "Made in Germany". Geliefert wurden vor allem Maschinen (5,8 Mrd Euro), Kraftfahrzeuge, (4,4 Mrd Euro) sowie chemische Erzeugnisse (3 Mrd Euro). Russlands Exporte nach Deutschland bestehen zum allergrößten Teil aus Rohstoffen, vor allem Erdgas. Die in den vergangenen zwei Jahren stark strapazierten Wertschöpfungsketten der deutschen Industrie würden durch den Konflikt oder mögliche Handelssanktionen nicht stark eingeschränkt.

Nach Angaben der deutsch-russischen Auslandshandelskammer haben deutsche Firmen in den vergangenen fünf Jahren rund 7,6 Milliarden Euro in Russland investiert. Fast die Hälfte der ursprünglich 6300 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung hat sich seit 2011 allerdings von dem russischen Markt zurückgezogen. Nach Angaben der AHK sind aktuell noch 3651 deutsche Unternehmen vor Ort aktiv.

Die Ukraine hat als Handelspartner für Deutschland noch weniger Gewicht: Als Exportmarkt kam das Land im vergangenen Jahr mit 5,4 Milliarden Euro auf Platz 40. Deutsche Hersteller lieferten vor allem Maschinen, Kraftfahrzeuge und chemische Erzeugnisse. Eingeführt wurden aus der Ukraine vor allem landwirtschaftliche Produkte. Ein Krieg in der Ukraine könnte allerdings weltweit und damit auch in Deutschland Lebensmittel verteuern. Das Land gehört zu den wichtigsten Getreideexporteuren der Welt.

Banken fordern Klarheit

Ein besonders stark in der Ukraine und Russland engagiertes deutsches Unternehmen ist der Großhändler Metro. Der Düsseldorfer Konzern hatte im vergangenen Geschäftsjahr 2020/21 in Russland mit 93 Märkten einen Umsatz von rund 2,4 Milliarden Euro eingefahren. Der Konzern beschafft dort seine Lebensmittel vor allem aus heimischer Produktion. In der Ukraine betreibt Metro 26 Märkte und kam dort zuletzt auf rund 800 Millionen Euro Umsatz. Man beobachte die Situation mit Sorge, heißt es aus der Unternehmenszentrale. "Wir setzen weiterhin stark auf diplomatische Bemühungen aller Seiten, um eine weitere Eskalation abzuwenden", sagte ein Metro-Sprecher. "Unsere Verantwortung als Unternehmen in Russland liegt vor allem bei unseren rund 10.000 Mitarbeitern und 2,5 Millionen Kunden", betonte er.

Die Auswirkung der ersten Sanktionen, die unter anderem auf russische Banken und die Vermögen einzelner Russen zielen, auf den deutschen Finanzsektor würden von ihrer konkreten Ausgestaltung abhängen, erklärte eine Sprecherin des Bankenverbandes BdB. Die meisten deutschen Banken hätten sich aufgrund der bereits seit 2014 bestehenden Sanktionen mit ihrem Russland-Engagement in den vergangenen Jahren zurückgehalten.

Die Forderungen deutscher Geldhäuser in Russland waren zuletzt gesunken. Nach Angaben der Bundesbank lagen sie im Dezember 2021 bei 6,03 Milliarden Euro nach 6,86 Milliarden Euro ein Jahr zuvor. Der Bankenverband fordert im Fall von Sanktionen gegen Russland klare und unmissverständliche Vorgaben. "Für die Banken ist entscheidend, dass Sanktionen hinreichend präzise und eindeutig formuliert sind, das heißt keine Auslegungsfragen offenlassen", erklärte die Sprecherin.

Quelle: ntv.de, mbo/dpa/rts

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