Studie: Vorkriegs-BIP erst 2030 Russlands Zentralbank senkt erneut Zinssatz
16.09.2022, 17:20 Uhr
Die Zentralbank sieht nun keine Spielräume mehr für weitere Zinsschritte.
(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)
Zum fünften Mal in diesem Jahr senkt die russische Notenbank den Zinssatz und signalisiert nun eine Zinspause. Inzwischen rechnen die Notenbanker mit einem BIP-Minus nahe sechs Prozent. Eine Studie rechnet mit einem langen Weg bis zu einer Wirtschaftsleistung auf dem Niveau von vor dem Überfall der Ukraine.
Russlands Notenbank stemmt sich erneut mit einer Zinssenkung gegen die Rezession. Sie kappte den Schlüsselzins um einen halben Punkt auf 7,5 Prozent. Es war bereits der fünfte geldpolitische Schritt nach unten in diesem Jahr. Experten hatten die Senkung erwartet. Die Währungshüter um Zentralbankchefin Elvira Nabiullina strichen zugleich die Passage aus ihrem Text, wonach sie die Notwendigkeit weiterer Lockerungen prüfen wollten. Laut Nabiullina ist als nächstes sowohl eine Zinspause als auch eine Erhöhung denkbar.
Der Zins sei nun auf einem neutralen Niveau, das die Wirtschaft weder bremse noch anschiebe: "Der Spielraum für eine weitere Senkung schwindet", fügte sie an. Ökonomen gehen davon aus, dass die Phase der geldpolitischen Lockerungen in Russland damit vorerst beendet sein dürfte.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Russlands wird der Zentralbank zufolge dieses Jahr stark schrumpfen. Dabei werde das Minus wahrscheinlich im oberen Bereich einer Spanne von vier bis sechs Prozent liegen. Nach der Invasion in der Ukraine und vom Westen verhängten Sanktionen hatte die russische Wirtschaft im Frühjahr eine steile Talfahrt hingelegt.
Die Konjunktur wird nach Prognose der Ratingagentur Scope erst am Ende des Jahrzehnts auf das vor dem Einmarsch in die Ukraine erreichte Niveau zurückkehren. Der Kreml habe zwar mit Hilfe der Zentralbank die unerwartet hohen Exporteinnahmen dazu genutzt, um die unmittelbaren Folgen des Krieges und der westlichen Sanktionen auf die Binnenwirtschaft abzufedern, heißt es in der Studie. "Aber die längerfristigen Aussichten haben sich verschlechtert", schreibt Scope-Analyst Levon Kameryan. Bis Ende kommenden Jahres wird das Bruttoinlandsprodukt wegen der westlichen Sanktionen um etwa acht Prozent unter dem Stand von 2021 liegen. Die russische Wirtschaft werde daher voraussichtlich bis etwa 2030 brauchen, um wieder das Vorkriegsniveau erreichen.
Mit dem wirtschaftlichen Abschwung dürfte laut der Notenbank in Moskau allerdings der starke Preisauftrieb allmählich nachlassen: Für dieses Jahr sei eine Jahresteuerung von 11 bis 13 Prozent zu erwarten, die nächstes Jahr auf 5 bis 7 Prozent zurückgehen werde. Für 2024 wird dann wieder mit dem Erreichen des Inflationsziels der Notenbank von vier Prozent gerechnet. Im August lag die Teuerungsrate bei 14,3 Prozent. Sollte sich das Haushaltsdefizit ausweiten, sieht die Notenbank auf mittlere Sicht die Notwendigkeit, die Zinszügel womöglich wieder anzuziehen, um an das Inflationsziel zu gelangen.
Um einen Absturz des Landeswährung Rubel zu verhindern, hatten die Währungshüter den geldpolitischen Schlüsselsatz nach der Invasion in der Ukraine zunächst von 9,5 auf 20,0 Prozent hochgesetzt und die Zinsschraube danach wieder allmählich gelockert.
Quelle: ntv.de, jwu/rts