Wirtschaft

EZB meldet ernste Bedenken an Ungarn hofft auf Geldspritze

Ungarns Forint bewegte sich zuletzt stetig bergab.

Ungarns Forint bewegte sich zuletzt stetig bergab.

(Foto: dpa)

Trotz eines politischen Konfrontationskurses zur EU setzt Ungarn auf Hilfsgelder der Europäer und des Internationalen Währungsfonds. Ob es darüber zu konkreten Verhandlungen kommen wird, ist offen. Besonders umstritten ist dabei die geplante engere politische Anbindung der ungarischen Zentralbank, die der EZB die Haare zu Berge stehen lassen.

Das von den Ratingagenturen abgestrafte Ungarn greift in der Schuldenkrise nun doch wieder nach der internationalen Hilfe von IWF und Europäischer Union. Die im Streit um eine Reform des Zentralbankgesetzes ins Stocken geratenen Verhandlungen mit den Geldgebern würden bereits in der ersten Januarhälfte offiziell fortgesetzt, erklärte Wirtschaftsminister Gyorgy Matolcsy. Die Regierung strebe dabei einen vorläufigen Kredit an, um die gröbsten Finanzierungsprobleme zu lösen. Das Land wurde bereits 2008 mit Notkrediten der EU und des Internationalen Währungsfonds von rund 20 Mrd. Euro über Wasser gehalten und hofft nun auf eine ähnliche Geldspritze. Die EU-Kommission will sich nach Aussagen eines Sprechers zunächst allerdings nur auf "informelle Sondierungsgespräche" einlassen.

Zugleich erhöhte die Europäische Zentralbank ihren Druck auf die Regierung von Ministerpräsident Victor Orban. Sie kritisierte in einer Erklärung nicht nur die umstrittene Erweiterung des ungarischen Notenbank-Rats, sondern ging auch ausführlich auf die jüngsten Pläne ein, die Zentralbank unter das Dach einer neuen Behörde zu stellen. Der Schritt gefährde die persönliche Unabhängigkeit des Zentralbankchefs, hieß es. Die EZB ermahnte die Regierung darüber hinaus, ihrer Pflicht zur Beratung solcher Reformen mit der Institution in Frankfurt nachzukommen. Der derzeitige Gesetzentwurf würde demnach einen Verstoß gegen das Statut des europäischen Zentralbankensystems bedeuten.

Im Streit um das geplante Notenbankgesetz ist der Gesprächsfaden mit den potenziellen Geldgebern zunächst abgerissen. Die Regierung in Budapest liegt seit längerem im Clinch mit Notenbankchef Andras Simor, der jüngst eine weitere Zinserhöhung gegen den Widerstand Orbans durchsetzte. Mit der geplanten Reform will der rechtskonservative Regierungschef die Kompetenzen des Notenbank-Gouverneurs beschneiden und einen weiteren Stellvertreter installieren. EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso forderte die Regierung bereits am vorigen Wochenende in einem Brief auf, den Gesetzentwurf zurückzuziehen. Er blieb nach Angaben der EU-Kommission bislang unbeantwortet.

Ratingagenturen ziehen Schlüsse

Die geplanten Einschränkungen der Unabhängigkeit der Zentralbank sind aus Sicht der Ratingagentur Standard & Poor's zudem eine Gefahr für die Kreditwürdigkeit des hochverschuldeten EU-Mitglieds. Die Bonitätswächter stuften Ungarns langfristige Kreditwürdigkeit jüngst auf BB+ herunter und setzten den Ausblick für die weitere Entwicklung des Ratings auf negativ. Damit hält nun die zweite große Ratingagentur die Staatsanleihen des osteuropäischen Landes für Ramsch.

Forint / Euro
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Als Grund für die Herabstufung nannte S&P eine unsichere politische Entwicklung. Auch hätten sich die wirtschaftlichen Bedingungen sowohl international wie im Land selbst verschlechtert. Die ohnehin unter Druck geratene Landeswährung Forint verbilligte sich zum Euro nach der Herabstufung. Auch die Kurse ungarischer Anleihen gaben nach und die Budapester Aktienbörse reagierte mit Verlusten. "Der Entscheidung von S&P könnte ein ähnlicher Schritt von Fitch folgen, und die Herunterstufungen erhöhen den Druck auf die Regierung, den Konditionen von EU und IWF (zum Erhalt von Hilfen) zuzustimmen", hieß es in einem Kommentar der Citibank. Vorigen Monat hatte sich die Ratingagentur Moody's bereits kritisch zu den Aussichten Ungarns geäußert und das Land auf Ramsch-Niveau heruntergestuft.

Die Schuldenagentur in Budapest äußerte sich dennoch zuversichtlich, dass es nicht zu Panikverkäufen von ungarischen Staatspapieren kommt. Die Finanzlage des EU-Mitglieds ist ernst: Nächstes Jahr müssen auslaufende Anleihen im Volumen von fünf Milliarden Euro refinanziert werden. Weil die Staatstitel als Schrottpapiere gelten, sind sie trotz hoher Renditen eher Ladenhüter und vornehmlich für spekulativ orientierte Investoren interessant.

Orban eckt an

Orban ist entschlossen, das geplante Zentralbankgesetz auch gegen internationalen Widerstand durchzudrücken. In einem Fernsehinterview bekräftigte er, die neue Regelung werde zusammen mit einem Gesetz für die Finanzstabilität zum Jahreswechsel in Kraft treten. Die Gesetze seien wichtiger Bestandteil der neuen Verfassung, die ab dem 1. Januar gelte. Dies habe er auch gegenüber Barroso kommuniziert, sagte Orban. Der Ministerpräsident hatte sich lange gegen Hilfe von außen mit dem Argument gesträubt, er wolle sich nicht in Regierungsgeschäfte hineinreden lassen. Orban prägte dafür den Begriff der "wirtschaftlichen Souveränität".

Mit der umstrittenen Verstaatlichung der privaten Säule der Alterssicherung, hohen Bankensteuern und dem geplanten Notenbankgesetz geriet der Ministerpräsident aber international immer stärker in die Kritik. Jetzt muss sich Orban aber rasch mit dem IWF arrangieren, damit das Land nicht noch tiefer im Schuldensumpf versinkt, meint Ökonom Zsolt Kondrat von MKB: "Ungarn hat keine andere Wahl, als sich mit dem IWF zu einigen."

Quelle: ntv.de, nne/rts

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