Volkswagen-Anleihen im Fokus VW-Skandal erschüttert Bond-Markt
25.09.2015, 14:07 Uhr
"Eine Dividendenstreichung kann (...) nicht ausgeschlossen werden": Der VW-Skandal hat für Anleger gerade erst begonnen.
(Foto: dpa)
Wie schwer trifft das "Diesel-Desaster" Europas größten Autobauer? Am Anleihenmarkt sehen sich Anleger bereits mit massiven Auswirkungen konfrontiert. Die Bond-Ratings fallen, die Risikoprämien steigen sprunghaft an.
Der Abgasskandal bei Volkswagen verunsichert nicht nur VW-Aktionäre, sondern auch Investoren am Markt für Unternehmensanleihen. Die Notierungen der VW-Anleihen sind in den vergangenen Tagen enorm unter Druck geraten, heißt es aus dem Handel. Zugleich seien die Risikoprämien in die Höhe geschnellt. Bondholder sind offenbar massiv verunsichert.
"Die Bonds sind zwischenzeitlich auf ein Niveau von 'BBB' beziehungsweise 'BBB-' herausgelaufen", erklärt Gerhard Wolf von der Landesbank Baden-Württemberg mit Blick auf die Einstufung der betroffenen Anleihen durch die Ratingagenturen. An den Märkten attestiert man Volkswagen also gerade eben noch ein "Investment Grade"-Rating. Den Bereich der erstrangigen Bonität haben die VW-Papiere längst verlassen.
Bislang hielt Volkswagen bei der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) noch das Langfrist-Rating "A". Die Analysten des S&P-Kontrahenten Moody's vergaben an VW die Note "A2". Durch den Abgas-Skandal droht sich die Einschätzung der Analysten grundlegend zu verändern.
Mit S&P, Moody's und Fitch haben bereits alle drei großen Analysehäuser ihren Ausblick für VW auf "Negativ" gesenkt. Damit sind Abstufungen in den kommenden Wochen möglich. Für Volkswagen und die betroffenen Investoren geht es dabei um viel Geld: Laut LBBW-Analyst Wolf hat die Volkswagen AG derzeit Anleihen im Volumen von knapp 42 Milliarden Euro ausstehen.
Was kostet der Skandal VW?
Davon sind 7,5 Milliarden Euro in Form von Hybridanleihen gebunden, eine Mischform aus Anleihe und Aktie mit langer Laufzeit und einem zumeist deutlich höheren Zinssatz als bei der klassischen Anleihe. Kreditanalyst Wolf vermutet, dass die Anleihenkurse der Wolfsburger auf dem niedrigen Niveau nun einen "Boden" finden dürften.
Das signalisierten zumindest die entsprechenden Parameter zur Kreditwürdigkeit. Wolf unterstellt in einem Szenario eine um 15 bis 20 Milliarden Euro höhere Verschuldung des Konzerns wegen Rückrufen, Schadensersatz- und Strafzahlungen einerseits und einem Gewinnrückgang von 25 Prozent andererseits. Damit dürfte sich das Verhältnis von Schulden zu Gewinn (EBITDA) - zumindest in diesem Szenario - von bislang 1,67 auf 3,2 rein rechnerisch beinahe verdoppeln.
Wackelt die Dividende?
"Beim derzeitigen starken Geschäftsrisiko von VW würde dies (...) einer Rating-Kategorie im mittleren BBB-Bereich entsprechen", sagt Wolf. Um wirklich belastbare Zahlen zu unterstellen, seien die Unsicherheiten jedoch noch viel zu groß. Außerdem seien in diesem Szenario Gegenmaßnahmen von VW nicht enthalten. So könnte der Automobilhersteller Investitionen verschieben oder etwa die Zahlung von Dividenden aussetzen.
Stichwort Dividende: "Eine Dividendenstreichung kann (...) nicht ausgeschlossen werden, insbesondere wenn mit den Behörden eine schnelle Einigung über eine Strafzahlung kommt", meint Wolf. Für die Halter von Hybridanleihen von VW müsse eine Dividendenstreichung jedoch nicht automatisch eine Aussetzung des Kupons bedeuten. Die Entscheidung über die Kuponzahlung falle unabhängig von der Dividende.
"Lediglich wenn ein Kupon ausgesetzt werden sollte, muss dieser nachgezahlt werden, bevor die nächste Dividende ausgeschüttet wird", erläutert Wolf. Sein Szenario lautet: VW zahlt eine symbolische Dividende für die im Dax notierten Vorzugsaktien. Die Besitzer von Stammaktien gehen dagegen leer aus. Und die Kupons für die Hybridanleihen werden weiter gezahlt - schon allein, um die Investoren nicht zu verschrecken und nachhaltigen Schaden am Markt zu vermeiden.
Zehntausende Kunden getäuscht?
Wie viel Geld Europas größter Automobilkonzern bereit legen muss, um die Auswirkungen des Abgas-Skandals abzufedern, ist noch vollkommen unklar. Die Bundesregierung schloss zuletzt nicht aus, dass deutschen Verbrauchern aus der gezielten Manipulation der Abgaswerte Schadenersatzansprüche entstehen könnten.
Wenn eine Kaufsache nicht die vereinbarte Beschaffenheit habe, verletze der Verkäufer seine Pflicht, sagte ein Sprecher des Justizministeriums. Das gelte auch, wenn sich der Käufer auf öffentliche Äußerungen des Verkäufers verlassen habe, erläuterte er und fügte hinzu: "Darunter können unter Umständen auch Abgaswerte fallen."
Die Aufklärung läuft
Anspruch auf Schadenersatz könne sich immer dann ergeben, wenn das Verhalten des Verkäufers schuldhaft sei. Ob das im Fall der manipulierten Abgaswerte bei VW-Dieselautos der Fall sei, könne man aber noch nicht sagen, die Aufklärung laufe noch.
Nordrhein-Westfalens Justizminister Thomas Kutschaty hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt zuletzt aufgefordert, mit VW einen verbindlichen Rahmen über Entschädigungszahlungen zu vereinbaren. Der von Dobrindt eingesetzten Untersuchungskommission ist nach Ministeriumsangaben noch nicht bekannt, ob und wie viele Autos in Deutschland betroffen sind. "Die Zahl liegt noch nicht vor", sagte ein Sprecher.
Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa