Wirtschaft fürchtet Kollateralschäden VW holt prominente Krisen-Anwälte
23.09.2015, 07:49 Uhr
Als das "neue BP" wurde VW in den vergangenen Tagen schon bezeichnet. Nun holt der Autobauer die Anwälte an Bord, die auch den Ölkonzern in der teuersten Ölkatastrophe aller Zeiten vertraten. Auf Solidarität aus der Wirtschaft kann VW nicht hoffen.
Der VW-Konzern stellt sich offenbar auf einen langen und schwierigen Rechtsstreit in den USA ein. Das Unternehmen engagierte die bekannte US-Anwaltskanzlei Kirkland & Ellis. Das berichtete die Agentur Bloomberg unter. Die Kanzlei hatte den Ölkonzern BP nach der Explosion der Ölplattform "Deepwater Horizon" im Jahre 2010 mit elf Toten vertreten. Eine Sprecherin der Kanzlei lehnte eine Stellungnahme ab.
Die Umweltbehörde EPA, die derzeit auch gegen VW ermittelt, hatte BP für die Ölkatastrophe Strafzahlungen von insgesamt 18,7 Milliarden Dollar verhängt. Von einer vergleichbaren Strafe ist auch im Zusammenhang mit der Agbasaffäre für VW die Rede. Die gesamten Rechtskosten könnten durch weitere Verfahren und Schadensersatzklagen jedoch erheblich höher sein.

Sollte VW-Chef Winterkorn zurücktreten?
VW hat daher bereits bekanntgeben, eine Milliarden-Rückstellung zu bilden, und eine Gewinnwarnung veröffentlicht. Neben der US-Umweltbehörde EPA und dem Justizministerium ermitteln inzwischen auch mehrere US-Bundesstaaten gegen den deutschen Autobauer. Ein Sprecher des New Yorker Staatsanwalts bestätigte, dass die regionalen Staatsanwaltschaften dazu ein Bündnis formen würden. Für VW bahnt sich damit noch größerer Ärger an: Sowohl wegen möglicher Straftaten wie Betrug als auch wegen mutmaßlicher Verstöße gegen Umweltgesetze könnten auf bundesstaatlicher Ebene empfindliche Strafen und Bußgelder verhängt werden.
Unter Druck gerät VW nicht nur von Seiten der Justiz. Auch zahlreiche Wirtschaftsvertreter, die für ihre Unternehmen und Branchen "Kollateralschäden" befürchten, fordern von dem Konzern rasche Aufklärung. So stellt der Abgas-Skandal nach Worten von Nissan-Chef Carlos Ghosn die gesamte Autoindustrie vor eine erhebliche Herausforderung. Der Vorfall bringe für die Hersteller neue Vertrauensprobleme, sagte Ghosn in New York. Zu den Vorgängen bei VW wollte er sich nicht direkt äußern. Seiner Ansicht nach dürfte es allerdings schwierig sein, die Manipulation von Abgaswerten firmenintern geheim zu halten. "Ich glaube nicht, dass man so etwas verbergen kann", sagte Ghosn, der auch den Nissan-Partner Renault leitet.
Imageverlust für deutsche Firmen
Mit seiner Aussage belastet der Automanager die VW-Führung indirekt schwer. Mit dem Hinweis darauf, dass Konzernchef Martin Winterkorn auch die VW-Forschung und Entwicklung verantwortet, waren bereits zahlreiche Forderungen nach dessen Rücktritt laut geworden. Winterkorn will jedoch nicht auf sein Amt verzichten, sondern selbst die Aufarbeitung des Skandals leiten. Er sei überrascht, dass die Offenlegung der Vorgänge bei VW nicht auf einen Informanten aus dem Unternehmen zurückgehe, sagt Ghosn. Ans Tageslicht gebracht wurde der Skandal durch ein Forschungszentrum an der Universität von West Virginia.
Der Skandal bei VW sei ein "Schlag ins Kontor" für die gesamte deutsche Wirtschaft, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Martin Wansleben, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Es gibt jetzt so manchen auf der Welt, der sagt: Ganz so toll ist das mit Deutschland nicht."
Der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Anton Börner, rief in der "Bild"-Zeitung den Autobauer auf, "jetzt schnell alles auf den Tisch" zu legen. "Davon hängt auch ab, ob ein Kollateralschaden für das Image deutscher Produkte entsteht." Wansleben und Börner betonten allerdings, das Gütesiegel "Made in Germany" hänge nicht nur von einem einzigen Unternehmen ab.
Quelle: ntv.de, mbo/dpa/rts/DJ