Deutschland ist Zugmaschine Wachstum in Eurozone gebremst
23.08.2010, 14:55 UhrDie Industriekonjunktur verliert in der Eurozone merklich an Schwung. Deutschland und Frankreich sind dabei eine rühmliche Ausnahme. Nach Angaben der Markit-Experten wächst die konjunkturelle Kluft zwischen den Ländern.
Die Konjunktur in der Eurozone verliert an Schwung. Sowohl in der Industrie als auch bei den Dienstleistern liefen die Geschäfte im August zwar besser als im Vormonat, aber beide Wirtschaftszweige büßten an Wachstumstempo ein, wie die Markit-Forscher zum vorläufigen Ergebnis ihrer Umfrage mitteilten.
Experten werten dies als Vorboten für die erwartete Konjunkturabkühlung, nachdem der Währungsraum im Frühjahr noch so stark zugelegt hatte wie seit mehr als drei Jahren nicht mehr.
Deutschland allerdings unterstreicht seine Stellung als Zugmaschine in der Eurozone: Die heimische Wirtschaft und Frankreich entwickeln sich besser als der Trend. "Das Wachstum im Rest der Eurozone bewegt sich in der Nähe der Nulllinie", sagte Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson.
Der an den Finanzmärkten viel beachtete Einkaufsmanagerindex für die Industrie der 16 Euroländer sank nach vorläufigen Angaben stärker als erwartet auf 55,0 Punkte von 56,7 Zählern im Juli. Das ist der niedrigste Stand seit Februar. Die Firmen erhielten zwar den 13. Monat in Folge mehr Aufträge, das Plus war aber nicht mehr so groß wie im Vormonat. Insbesondere die Auslandsnachfrage wuchs schwächer. Hier mache sich das Auslaufen der Konjunkturprogramme weltweit bemerkbar, sagte Williamson. In der Folge steigerten die Unternehmen ihre Produktion nicht mehr so stark wie noch im Juli, und auch der Stellenaufbau verlor an Tempo.
"Aufholjagd geht zu Ende"
Die Industrie rutscht nach Ansicht der Commerzbank in eine neue Phase. "Die Aufholjagd nach dem massiven Einbruch dürfte zu Ende gehen", sagte Christoph Weil. Die Firmen würden in den kommenden Monaten ihre Produktion zwar weiter "ordentlich" hochfahren, die Zuwachsraten dürften aber deutlich abnehmen. Auch die Postbank geht davon aus, dass die Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe in der Euro-Zone und in Deutschland ihren Höhepunkt erreicht haben dürfte.
Der Markit/BME-Einkaufsmanagerindex für Deutschland fiel stärker als erwartet um drei Punkte auf 58,2 Zähler und damit auf den tiefsten Stand seit sechs Monaten. Allerdings liegt das Barometer noch deutlich über der 50-Punkte-Marke, ab der es Wachstum signalisiert.
Dienstleister springen in die Bresche
Der Servicesektor hingegen legte noch einmal kräftig zu. "Dank des stärkeren Beitrags der Dienstleister gewinnt der Aufschwung zur rechten Zeit an Breite, weil die Industrie wegen der nachlassenden Nachfrage aus dem Ausland etwas Dampf verliert", erklärte Markit. Der Index für die Dienstleister kletterte überraschend um zwei auf 58,5 Punkte und damit auf den höchsten Stand seit drei Jahren. Der Sektor zeigte sich so optimistisch wie seit Dezember 2003 nicht mehr. Für die Euro-Zone sank das gesamte Barometer um 0,2 auf 55,6 Zähler.
Unterm Strich signalisieren die Daten für das dritte Quartal nach Markit-Einschätzung ein Wirtschaftswachstum von 0,7 Prozent, nach einem Prozent im Frühjahr. Sorge bereite allerdings, dass die Ungleichheiten zwischen den Euroländern zunehme, sagte Markit-Experte Williamson. Es gebe kaum Anzeichen dafür, dass die kräftige Erholung in Deutschland die Länder am Rande des Währungsgebietes mitziehe.
Quelle: ntv.de, rts