Nvidia wird zur Nervensache Wie viel Luft hat der KI-Bulle noch?
21.02.2024, 18:34 Uhr Artikel anhören
Marktteilnehmer sind verunsichert: Eine Enttäuschung bei Nvidia dürfte daher für Druck sorgen.
(Foto: REUTERS)
Die Spannung an den Aktienmärkten steigt. Börsenliebling Nvidia legt am Abend Zahlen vor. Das IT-Unternehmen hat sich vor allem für die Entwicklung von Hochleistungschips für KI-Anwendungen einen Namen gemacht. Nach dem Kursplus von mehr als 40 Prozent seit Jahresbeginn hat die Aktie eine enorme Fallhöhe. ntv.de spricht mit Aktienpodcaster und Bestseller-Autor Noah Leidinger über Nvidia-Verfolger und Möglichkeiten für Spätzünder, noch in den KI-Boom einzusteigen.
ntv.de: Nvidia hat Tesla als meistgehandelte Aktie an der Wall Street abgelöst. Börsianern macht der Hype um Nvidia langsam Angst. Was rechtfertigt diesen sagenhaften Lauf?
Noah Leidinger: Zwischen Nvidia und Tesla gibt es einen entscheidenden Unterschied. Tesla hat in den vergangenen Jahren auch unfassbar an Wert gewonnen. Aber wenn man auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis schaut, war die Tesla-Aktie mit einer Bewertung von 200 teils auch sehr teuer. Für einen Autobauer völlig absurd. Bei Nvidia ist die Grundlage für den Wert vor allem eine wirtschaftliche Entwicklung. Nvidia hat beim Geschäft enorm zugelegt. Vor dem KI-Boom betrug das Umsatzwachstum 50 Prozent, dieses Jahr sollen es mehr als 100 Prozent sein. Die Brutto-Marge bei den Chips liegt bei über 70 Prozent. Für ein Hardwareprodukt ist das sehr hoch.
Was ist das Alleinstellungsmerkmal von Nvidia?
Die Chips von Nvidia sind aktuell die Besten, um KI-Modelle zu trainieren. Sie haben eine enorme Rechenleistung. Alle großen Technologiefirmen beschäftigen sich derzeit mit KI und der Frage, wie sie die nächste künstliche Intelligenz entwickeln können, die Probleme noch besser lösen kann. Genau dafür brauchen diese Firmen die Chips von Nvidia. Die Nachfrage ist so hoch, dass Nvidia starke Preissitzungsmacht hat. Zudem hat Nvidia eine spezielle Software entwickelt, auf der viele der KI-Algorithmen basieren, die Entwickler nutzen. Diese Software heißt CUDA und funktioniert nur mit den Chips von Nvidia.
In solchen Hypes entstehen auch Spekulationsblasen. Wie groß ist das Risiko, dass Nvidia die hohen Erwartungen nicht mehr erfüllen kann?
Die Luft wird dünner, das ist ein Risiko. Eine Firma mit so hohen Margen lockt Konkurrenz an. Es gibt starke Chipfirmen, die noch kein konkurrenzfähiges Produkt haben, aber daran mit Hochdruck arbeiten. Sam Altman, der Gründer und CEO von Open AI versucht derzeit, 7000 Milliarden US-Dollar für sein Chip-Projekt einzusammeln. Das ist ungefähr dreimal so viel Geld, wie alle börsennotierten Firmen in Deutschland zusammen wert sind. Er will damit Fabriken bauen. Der japanische Technologie-Investor Softbank versucht ein ähnliches Projekt zu starten und möchte dafür 100 Milliarden Dollar einsammeln. In dem Markt ist enorm viel Geld. Überdies gibt es langfristig natürlich das Risiko, dass sich Technologien verändern, Stichwort Quantencomputer. In fünf oder zehn Jahren ist das vielleicht die neue angesagte Technologie. Quantencomputer brauchen keine klassischen Chips und sind potenziell deutlich besser.
Zu den Nvidia-Verfolgern gehört auch AMD Advanced Micro Devices. Man liest, der Chiphersteller sei schon fast genauso weit wie Nvidia. Stimmt das?

Noah Leidinger ist Podcast-Host von "Ohne Aktien Wird Schwer" - einem der größten Aktienpodcasts Deutschlands
Das würde ich nicht sagen. Die großen Firmen, die ganz vorn bei dem Hype dabei sind, nutzen eher Chips von Nvidia. Das liegt auch an der Verbindung mit der CUDA-Software. Außerdem kann Nvidia gar nicht so viele Chips liefern, wie nachgefragt werden. Selbst wenn AMD nachzieht, gibt es nur eine begrenzte Produktionskapazität, die Nachfrage wäre wahrscheinlich immer noch höher als das Angebot. Aber klar, langfristig ist AMD einer der großen Konkurrenten, der da mitspielen kann. Aber bei Chips geht es nicht nur um die Technologie. Die Produktion muss in den nächsten Jahren massiv ausgebaut werden. High End Chips sind enorm schwer herzustellen. Es gibt nur einige wenige Firmen, die dafür die Maschinen oder Chemikalien liefern können.
Das hört sich nach Luft nach oben ab. Die Aktie ist allein in diesem Jahr 40 Prozent gestiegen. Sollte man noch auf den Zug aufspringen?
Das hängt davon ab, was man selbst von der Industrie erwartet. Banken, Analysten, Fonds schauen sich die Aktie sehr genau an, sie haben sehr hohe Erwartungen eingepreist. Aktuell rechnet die Börse damit, dass dieser Hype noch für einige Jahre so weitergeht. Glaubt man das oder nicht? Was weiß man selbst über diesen Markt? Wieso glaubt man das besser einschätzen zu können, als Banker bei Goldman Sachs, die sich den ganzen Tag damit beschäftigen? Diese Fragen sollte man vor einem Invest für sich beantworten. Grundsätzlich muss man bei derartig gehypten Aktien immer vorsichtig sein.
Schauen wir noch mal auf die Branche insgesamt. Wären TSMC oder ASML etwa eine Alternative für Spätzünder im KI-Boom?
Die sind in verschiedenen Sparten der Chipbranche aktiv. ASML produziert die Maschinen zur Chipproduktion, die auch Nvidia braucht. Das heißt, die reiten auf der KI-Welle mit, sind aber keine Konkurrenten. Ähnlich ist es bei TSMC, die wiederum Chip-Fabriken bauen, die dann die Chips, die Nvidia designt hat, produzieren. Geht man einen Schritt weiter, gibt es auch noch kuriose Firmen, zum Beispiel Modine. Die stellen Kühlsysteme her, mit denen die ganzen Server und Rechenzentren gekühlt werden. Die haben im letzten Jahr auch 200 Prozent zugelegt. Man muss bei den Firmen aber immer bedenken: Bei Nvidia kommt aktuell ein sehr großer Teil der Gewinne aus dem Geschäft mit KI-Chips. Davon profitieren diese Firmen auch, allerdings nur mit einem Teilbereich ihres Geschäfts. Entsprechend wachsen die auch deutlich langsamer. Nur die Kurs-Gewinn-Verhältnisse von TSMC und NVIDIA zu vergleichen und dann TSMC zu kaufen, weil sie günstiger ist, wäre also ein Trugschluss.
Wie kann man vom laufenden KI-Boom profitieren, wenn man nicht in Einzeltitel investieren will?
Viele Anleger investieren in breit gestreute ETFs, zum Beispiel in den MSCI World ETF oder den S&P 500 ETF. Wahrscheinlich schauen die immer ein bisschen wehmütig auf die unfassbare Kursentwicklung bei den Einzelaktien. Sie sollten dabei aber bedenken, dass Nvidia in dem Portfolio schon einen recht relevanten Anteil hat. Das heißt, Anleger partizipieren indirekt mit ETFs von der Entwicklung.
Wie wird sich der KI-Boom weiter fortpflanzen?
Es gibt viele Unternehmen, die KI bei sich einsetzen und dadurch effizienter werden oder bei denen das Produkt dadurch besser wird. Auch sie profitieren. Da wären beispielsweise Adobe. In dem Video-Schnittprogramm sind schon viele KI-Tools eingebaut, die die Arbeit leichter machen. Das Gleiche gilt für Sprachlern-Apps wie Duolingo, die durch KI immer besser funktionieren. Genauso profitieren IT-Berater wie IBM, Infosys oder Wipro. Denn viele Mittelständler fragen nach, wie künstliche Intelligenz bei ihnen eingebaut werden kann und beauftragen solche Beraterhäuser.
Der KI-Boom hat nicht nur eine Gewinnerseite. Schaut man mal nicht auf die Aktien, sieht man, dass immer mehr Firmen Stellen einsparen. Wie halten Sie davon?
Ich glaube, das ist ein Thema, womit sich jeder dringend beschäftigen sollte. Die einzelnen Branchen trifft es unterschiedlich. Einen Friseur kann man nicht so leicht durch einen Roboter ersetzen. Aber Programmierer schon. Einer kann heute die Arbeit von zehn machen. Jobs werden wegbrechen. Aber tendenziell würde ich davon ausgehen, dass wir durch KI mehr Innovationen in der Wirtschaft sehen und sich neue Arbeitsfelder entwickeln werden, wo menschliche Arbeitskraft auch wieder gefragt. So war es auch bei anderen technologischen Umbrüchen. Die stärkste Kombination ist immer noch Mensch und Maschine.
Mit Noah Leidinger sprach Diana Dittmer
Disclaimer: Das Interview dient nur zu Informationszwecken. Es stellt weder ein Angebot noch eine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder Investmentfonds dar.
Quelle: ntv.de