Wirtschaft

Europa im Teufelskreis Wirtschaftsweise schlagen Alarm

Die Wirtschaftsweisen fordern langfristige Lösungen im Kampf gegen die Krise in der Eurozone. An Eindringlichkeit lassen es die Ökonomen nicht fehlen. Der Finanzwirtschaft sowie den deutschen Unternehmen und Privatpersonen drohten bei einer Auflösung der Währungsunion erhebliche Verluste, warnen die Experten.

Vor dem Europäischen Parlament in Brüssel symbolisiert eine Skulptur die europäische Einheit.

Vor dem Europäischen Parlament in Brüssel symbolisiert eine Skulptur die europäische Einheit.

(Foto: REUTERS)

Die Beschlüsse des Euro-Gipfels der vergangenen Woche werden die europäische Schuldenkrise nach Einschätzung der "Fünf Wirtschaftsweisen" nicht langfristig lösen können. "Die Entscheidungen der Staats- und Regierungsschefs können die Lage im Euro-Raum zwar kurzfristig stabilisieren", schreibt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu einem Sondergutachten. Die Krise bleibe aber ungelöst. Es drohe gar erneute Zuspitzung, wenn der Teufelskreis aus Bankenkrise, Staatsschuldenkrise und makroökonomischer Krise nicht durchbrochen werde.

Diese Krisen verstärkten sich wechselseitig, führten zu einem Vertrauenseinbruch und stellten damit die Stabilität der Währungsunion insgesamt infrage, betonen die Ökonomen. Das Vorgehen der europäische Politik in den letzten Monaten - von Konsolidierungsschritten über Verschärfungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes bis hin zu engeren Abstimmungen - beurteilen die "Weisen" als zumeist mutig und sinnvoll, aber doch nicht ausreichend. Das gelte auch für die Beschlüsse des EU- und Euro-Gipfels von Ende Juni. Die Politik habe sich nur "eine Atempause" verschafft, die nun zu grundsätzlichen und langfristig Krisenlösungen genutzt werden müsse.

Ein dogmatisches Nein gegenüber jeglichen Formen einer Vergemeinschaftung von Risiken, wie es die Bundesregierung zumindest verbal verkündet, lässt sich angesichts der Dramatik der Lage nach Meinung des Rates nicht halten. "Der Sachverständigenrat ist sich der Tatsache bewusst, dass Deutschland bei einer gemeinschaftlichen Haftung für andere Mitgliedsländer im Euro-Raum Risiken eingeht, die sich auch bei umfassenden Absicherungsmechanismen nicht vollständig vermeiden lassen", schreiben die "Fünf Weisen". Allerdings sei alles andere mit "mindestens ebenso hohen Risiken" verbunden.

Schuldentilgungspakt modifiziert

Die Sachverständigen fordern die Partner im Euro-Raum auf, die beantragten Hilfen für die spanischen Banken "nur bei Einhaltung klarer Kriterien" zur Rekapitalisierung und Restrukturierung der betroffenen Banken zu bewilligen. Die Bedingungen für die Vergabe direkter Mittel aus dem geplanten dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM an Banken dürften dem Rat zufolge "auf absehbare Zeit" nicht erfüllt sein. "Es muss gewährleistet sein, dass Haftung und Kontrolle zusammenfallen", forderte der Rat. Die Weisen fordern, deshalb möglichst rasch die Bedingungen für eine grenzüberschreitende Bankenaufsicht mit Regelungen zur Restrukturierung und Abwicklung von Banken umzusetzen. Zugleich warnt er vor einer "übereilten Einführung einer Bankenunion".

Zur Lösung der Staatsschuldenkrise fordert der Sachverständigenrat die Umsetzung des bereits von ihm im Herbst 2011 vorgestellten Schuldentilgungspaktes, den man jetzt weiterentwickelt habe. Die Euro-Staaten sollen laut dem Pakt gegenseitig für einen Teil ihrer Verbindlichkeiten gemeinsam einstehen und sich zugleich verpflichten, die Schulden auf 60 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung abzubauen.

Dazu sollen nationale Schulden, die die 60-Prozent-Marke übersteigen, in einen gemeinsamen Tilgungsfonds ausgelagert werden. Für den Tilgungsfonds würden alle Euro-Mitglieder gemeinsam haften. Die Bundesregierung hatte diesen Vorschlag bisher aus rechtlichen Gründen immer wieder abgelehnt. Der Sachverständigenrat schreibt jetzt: "Er kann so konstruiert werden, dass europa- und verfassungsrechtliche Maßstäbe eingehalten werden." Der Rat will dazu in Kürze ein entsprechendes Rechtsgutachten veröffentlichen.

"Für Deutschland wäre ein unkontrolliertes Auseinanderbrechen des Euro-Raums mit hohen Risiken verbunden", heißt es in dem Sondergutachten. Der Finanzwirtschaft sowie den deutschen Unternehmen und Privatpersonen drohten bei einer Auflösung der Währungsunion "erhebliche Verluste". Auf 2,8 Billionen Euro beliefen sich die Auslandsforderungen Deutschlands gegenüber dem Euro-Raum Ende 2011. Hinzu komme, dass das Auseinanderbrechen der Euro-Zone einen "Unsicherheitsschock" ähnlich dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 auslösen könnte, warnt der Sachverständigenrat. Schließlich würde die Rückkehr zur D-Mark Deutschland eine massive Aufwertung bescheren, die die deutsche Wettbewerbsfähigkeit auf Dauer massiv beeinträchtigen würde.

Quelle: ntv.de, jga/rts/dpa

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