Spotanalyse der Volkswirte Industrie mit Auftragsrückgang
07.07.2010, 13:30 UhrDie Industrie in Deutschland verzeichnet erstmals in diesem Jahr einen Nachfragerückgang. Analysten bleiben jedoch gelassen. Die Orderbücher sind für sie noch voll genug.
Die Industrie in Deutschland hat im Mai überraschend erstmals in diesem Jahr einen Nachfragerückgang hinnehmen müssen. Der Auftragseingang sank um 0,5 Prozent, wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilte. Das ist der erste Rückgang seit Dezember. Analysten hatten im Schnitt mit einem Anstieg um 0,5 Prozent gerechnet, nachdem im April revidiert 3,2 Prozent mehr Aufträge eingegangen waren. Experten sagten in ersten Reaktionen:
Thomas Amend, HSBC Trinkaus:
"Das ist kein Beinbruch nach den zwei sehr guten Vormonaten. Es hat diesmal weniger Großaufträge gegeben. Das Minus muss deshalb nicht beunruhigen. Die Auftragsbücher sind weiter gut gefüllt.
Wir müssen aber vorsichtig sein, wenn man in die Zukunft guckt. Bei den Stimmungsindikatoren scheint der Höhepunkt überschritten zu sein - nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Das dürfte die exportabhängige deutsche Industrie belastet. Wir haben den Wachstumshöhepunkt zur Jahresmitte erreicht. Die Dynamik wird in den kommenden Monaten nachlassen."
Andreas Scheuerle, Dekabank:
"Die Aufträge sind ein Spielball der Großaufträge. Wir haben nun das erste Mal den Fall, dass die Großaufträge unterdurchschnittlich waren. Der Auftragseingang war verglichen mit den Stimmungsindikatoren nach oben geschossen. Er lag deutlich über den Indikatoren. Dass wir nun eine Abschwächung sehen, ist normal.
Das zweite Halbjahr dürfte etwas schwächer werden, verglichen mit dem Frühjahr. Das hat damit zu tun, dass der Lagerzyklus die Auslandsnachfrage nicht mehr so stark antreibt. Das wird sich auch in den Aufträgen widerspiegeln. Die größeren Belastungen kommen aber erst im nächsten Jahr auf uns zu, wenn die Konjunkturprogramme weltweit auslaufen und die Sparbemühungen tragen.
Man kann noch nicht von einem selbsttragenden Aufschwung reden. Damit es dazu kommt, muss der Konsum zu einer stützenden Kraft werden, und das ist er bisher noch nicht. Wir hängen zu stark am Tropf des Auslands. Der Konsum dagegen war im Winter rückläufig und dürfte im zweiten Quartal bestenfalls stagnieren."
Ralph Solveen, Commerzbank:
"Der leichte Rückgang ist kein Grund zur Sorge. Wir hatten im März und April jeweils sehr starke Zuwächse, so dass ein kleiner Rückschlag nicht ungewöhnlich ist. In der Industrie läuft es insgesamt sehr gut. Die Auftragsentwicklung signalisiert, dass sich die Erholung fortsetzt. Wir werden im zweiten Quartal ein sattes Plus sehen - sowohl für die Industrie als auch für die Gesamtwirtschaft.
Die Industrie dürfte sich in den kommenden Monaten positiv entwickeln. Wir denken, dass die Weltwirtschaft weiter ordentlich laufen wird. Gleichzeitig hat unsere Wettbewerbsfähigkeit durch den billigeren Euro zugenommen. Auch das billige Notenbankgeld stützt."
Quelle: ntv.de, rts