Friedrich Huber 2011 wird zum Euro-Schicksalsjahr
31.01.2011, 12:09 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Noch vor zwei Jahren stand das Weltfinanzsystem vor dem Kollaps. Heute redet man in Deutschland bereits wieder über die Rückkehr zur Vollbeschäftigung. Nach den jüngsten Prognosen wird die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 2,5 Prozent wachsen und mehr Jobs sowie spürbar höhere Einkommen bringen. Eigentlich eine fantastische Situation – wenn da nicht der Euro wäre…

Deutschland ist mit seiner positiven Entwicklung unter den Industriestaaten zwar eine Art Sonderfall, doch auch die Lage der Weltwirtschaft ist so schlecht nicht: China, Indien und Brasilien, die neuen Wirtschafts-Supermächte, wachsen weiter, wenn auch mit etwas geringerem Tempo. Die Gefahr, dass die Vereinigten Staaten in eine Rezession zurückfallen und den Rest der Welt mit sich reißen, ist gesunken – zum einen wegen der anhaltend expansiven Geldpolitik der US-Notenbank Federal Reserve, im Fachjargon „Quantitative Easing II“ genannt, zum anderen, weil sich Demokraten und Republikaner im Kongress zu massiven Steuersenkungen durchringen konnten, die die Nachfrage anregen sollen. Dass sich die Stimmung in Amerika bereits aufhellt, zeigte das Weihnachtsgeschäft.
Das sind eigentlich Gründe genug für uneingeschränkte Zuversicht – wäre da nicht der Euro. Vermutlich wird 2011 zum Schicksalsjahr der Gemeinschaftswährung. Denn der Euro ist nicht nur eine Währung, sondern als Politikum derzeit auch das mit Abstand größte Risiko für die weitere Entwicklung. Inzwischen ist mit Frankreich sogar ein Kernland der EU ins Visier der Spekulanten geraten: Im Dezember erreichten die Kosten für die Ausfallversicherung französischer Staatsanleihen Rekordwerte, nachdem wachsende Zweifel an der Kreditwürdigkeit des Landes laut geworden waren. Präsident Nicolas Sarkozy unterstrich den Kampfeswillen der Politik mit den Worten: „Der Untergang des Euro wäre das Ende Europas“. Offenbar ist man bereit, den Euro zu verteidigen – koste es, was es wolle.
Vorübergehend Entspannung brachte ein Hilfsangebot aus China, das „konkrete Maßnahmen“ ankündigte, um einigen EU-Mitgliedsstaaten aus ihrer ernsthaften Schuldenkrise zu helfen. Details nannte der chinesische Vizepremierminister Wang Qishan nicht, doch die Finanzmärkte gehen davon aus, dass es sich wie im Falle Griechenlands und Portugals um den Ankauf von Staatsanleihen handelt. China hat zudem versichert, diese Bonds länger halten zu wollen und so den immer noch angespannten Markt für europäische Staatsanleihen zu stabilisieren.
Gleichwohl sind die Probleme damit nicht gelöst; das Dauerthema Schuldenkrise schwebt weiter bedrohlich über allem wie ein Damoklesschwert. Nur wenn es in den kommenden sechs bis neun Monaten gelingt, Spanien zu verteidigen und Zweifel an Frankreichs Kreditwürdigkeit auszuräumen, nur wenn sich der Euro-Rettungsschirm als glaubwürdig erweist und der europäische Stabilitätspakt tatsächlich reformiert wird, wird der Euro erst einmal aus der Schusslinie kommen.
Fazit: Die deutsche Wirtschaft floriert, aber sie tut es in einem weltweiten Umfeld, das nach wie vor nicht nachhaltig stabil ist. Ob das Jahr 2011 wirklich so gut wird, wie es jetzt scheint, hängt damit wesentlich von der Bereitschaft und Fähigkeit der Politik ab, die Probleme rund um den Euro zu entschärfen.
Der Autor Friedrich Huber ist geschäftsführender Gesellschafter der Huber Reuss & Kollegen Vermögensverwaltung und Experte des Internetportals Vermögensprofis.de.
Quelle: ntv.de