Alexander Seibold Soll Deutschland den Euro verlassen?
28.02.2011, 09:39 Uhr
Die meisten Vermögenswerte unserer Kunden notieren in Euro. Die Entwicklung der Gemeinschaftswährung ist daher für uns essenziell. Ein denkbares Szenario für die EU: Nicht die wirtschaftlichen schwächeren Länder wie Griechenland, sondern ausgerechnet die Wachstumslokomotive Deutschland könnte die Euro-Zone verlassen. Die Vorteile eines Austritts wären für Deutschland und die EU größer als bei fast jedem anderen Szenario.
Die These klingt zunächst gewagt: Warum sollte ausgerechnet der Euro-Gründer Deutschland die Gemeinschaftswährung verlasse? Doch eine Reihe hochrangiger Wissenschaftler diese Möglichkeit diskutiert ernsthaft dieses Szenario. Einer von ihnen ist Joseph Stiglitz, Wirtschafts-Nobelpreisträger 2001 und heute Professor an der Columbia-Universität in New York. In seinem Buch „Im freien Fall“ skizziert er die Vorteile, die sich für Deutschland und die Europäische Union ergeben würden.
Prominente Fürsprecher
In dasselbe Horn bläst Harald Uhlig. Der aus Deutschland stammende Volkswirtschafts-Professor in Chicago votiert ebenfalls für eine deutsche Wirtschaft mit eigener Währung.
Und auch das Londoner Analyse-Haus GFC sieht den Austritt Deutschlands aus dem Euro als Befreiungsschlag, nicht etwa als das Ende der Gemeinschaftswährung. Das Argument: Es wäre eine Chance für mehr Wachstum für beide Seiten und ein Ende aus der Schuldenspirale. Denn ohne eine durchgreifende Reform des Euro setzt sich aller Voraussicht nach der aktuelle Trend in den Währungsrelationen fort: Investoren bevorzugen die Schweiz, die USA, Japan oder China, weil sie dort durch steigende Wechselkurse gewinnen.
Vorteile: Höhere Kaufkraft, weniger Schulden
Eine Währungsumstellung brächte einige Vorteile für beide Seiten. Zunächst ist festzuhalten, dass es „nur“ um die Einführung einer neuen Recheneinheit geht, die für die Vermögenswerte erst einmal neutral ausfällt. Danach würde sicherlich die DM-Neu im Verhältnis zum Euro und Dollar kräftig aufwerten. Dies hätte gleich zwei Vorteile: Die Kaufkraft unserer Einkünfte im Ausland würde deutlich zunehmen, gleichzeitig wären unsere Euro-Schulden im Ausland weniger wert. Umgekehrter Effekt: Der „Rest-Euro“ wertet ab – dies hilft vor allem den südeuropäischen Länden, ihre Exporte zu steigern, zu wachsen und ihre Schulden zu reduzieren.
Gute Aussichten für Aktienmärkte
Abseits einer solchen Entwicklung sehen wir die Aktienmärkte, im Gegensatz zur Entwicklung des Euro, derzeit positiv. Ein Anstieg des deutschen Standardwerte-Index DAX auf 7500 Punkte ist bis zur Jahresmitte durchaus vorstellbar, getrieben von einem weiter starken Wirtschaftswachstum in Deutschland und einem Erstarken der US-Wirtschaft. Aus den Schwellenländern, einem wichtigen Exportmarkt für deutsche Unternehmen, erwarten wir zumindest keinen Gegenwind.
Der Autor Alexander Seibold ist bankunabhängiger Vermögensverwalter bei Dr. Seibold Capital und Experte des Internetportals Vermögensprofis.de.
Quelle: ntv.de