Die Busch-Trommel Kein Grund zur Häme
08.03.2010, 08:54 UhrDas drastische Sparprogramm der griechischen Regierung kommt im Ausland gut an: Brüssel sieht Griechenland auf dem richtigen Weg, in drei Jahren das Haushaltsdefizit von jetzt 12,7 Prozent auf unter 3,0 Prozent zu drücken. Die Euro-Partnerländer zeigen sich erleichtert, weil die Griechen erst mal in der Lage sind, sich selbst zu helfen. Und die internationalen Finanzinvestoren halten jetzt einen Staatsbankrott Griechenlands für weniger wahrscheinlich als noch vor einigen Tagen. Folglich hat die jüngste 10-jährige Staatsanleihe über fünf Milliarden Euro überraschend viel Kaufinteressenten gefunden. Zwar muss die Athener Regierung eine auf Dauer erdrückende Rendite von 6,4 Prozent gewähren - immerhin drei Prozentpunkte mehr als die Bundesregierung gegenwärtig für eine solche Anleihe zahlen müsste - doch auf dem Höhepunkt der Spekulation gegen die Griechen hätten auf dem Zinskupon dieser Anleihe mindesten sieben Prozent gestanden.
Bei allem Verständnis für diese demonstrative Erleichterung außerhalb Griechenlands, noch ist alles nur eine Absichtserklärung seitens der griechischen Regierung, noch hat sich die Bevölkerung Griechenlands nicht aus der Schockstarre befreit, in die sie durch die angekündigten Maßnahmen versetzt worden ist. Und wohl nur einer Minderheit der Griechen wird heute bewusst sein, dass diese radikalen Einschnitte in ihr tägliches Leben erst der Anfang künftiger Grausamkeiten sind. Die daraus folgenden negativen Konsequenzen für die ohnehin schwache griechische Wirtschaft liegen auf der Hand und werden zu weiteren Straßenkrawallen führen.
Hilfreiche Sündenböcke
Die plötzliche Vertreibung aus dem Wohlfühlparadies wird erst langsam ins Gehirn der Griechen sickern. Jahrzehntelang haben sich viele von ihnen vom Staat aushalten lassen, ohne zu fragen, woher das Geld für all die Wohltaten gekommen ist. Jetzt stürzt ein ganzes Volk in den Abgrund einer katastrophalen Staatsverschuldung und weiß nicht, wie ihm geschieht. Ob die Mehrheit der Griechen diesen Absturz nutzen wird, sich der eigenen Fehler bewusst zu werden, ein ineffektives und korruptes System von Grund auf zu verändern, ist längst noch nicht ausgemacht. Lautstarke Proteste der Gewerkschaften und des wuchernden Beamtenapparates, Streikaktionen und nationalistische Tiraden auf den Straßen weisen in eine andere Richtung: Nicht eigenes Verschulden habe das Land in den Abgrund geführt sondern ausländische Spekulanten.
Doch sollten gerade wir in Deutschland uns vor unsinnigen Ratschlägen und selbstgerechter Häme über griechischen Schlendrian und Korruption hüten. Denn im Grunde mahnt das griechische Drama auch uns, in welcher Katastrophe eine ungebremste Staatsverschuldung enden kann. Mit einer Rekordneuverschuldung von über 80 Mrd. Euro geht jetzt die Bundesregierung in die Haushaltsdebatte 2010.
Auch Deutschland muss sparen
Mit gravierenden Einsparungen sei nicht zu rechnen, sagt der Bundesfinanzminister schon jetzt vorbeugend, das wäre angesichts der aktuellen Krise verkehrt. Aber ab 2011 werden dann jährlich zehn Milliarden Euro gespart, sagt er, schon wegen der im Grundgesetz vorgeschriebenen Schuldenbremse. Nur wo, das sagt er nicht. Vielleicht weiß er es auch gar nicht. Wieso auch? Haben die Verantwortlichen doch nicht einmal in den Boomjahren Möglichkeiten gefunden, tatsächlich zu sparen, also weniger auszugeben als im Haushaltsjahr zuvor.
Hoffen wir, dass sich diese Rosskur der Griechen nicht als Probelauf für Deutschland erweist, wenn der von vielen als europäischer Exportschlager gerühmte deutsche Sozialstaat zum unbezahlbaren Selbstbedienungsladen verkommen sollte und nur durch eine kräftige Inflation vor dem Kollaps bewahrt werden könnte. Ob die relativ junge deutsche Demokratie, die von vielen Bürgern nur noch als mehr oder weniger unterhaltsames "Ereignis" in den Fernseh-Talkshows vom Sofa aus konsumiert aber nicht wirklich gelebt wird, eine derartige Attacke auf den eigenen materiellen Wohlstand unbeschadet überstünde, wage ich zu bezweifeln. Parteipolitische Dummenfänger zur Rechten wie zur Linken gibt es schon jetzt zur Genüge.
Quelle: ntv.de