Marktberichte

Mit Draghi knapp unter die 8000 Dax schießt 2,1 Prozent ins Glück

Erst Zitterkurs, dann Ausbruch nach oben (hier nicht im Bild): Am Nachmittag schickte Draghi die Märkte nach oben.

Erst Zitterkurs, dann Ausbruch nach oben (hier nicht im Bild): Am Nachmittag schickte Draghi die Märkte nach oben.

(Foto: REUTERS)

Auf den EZB-Zinsentscheid reagiert der deutsche Leitindex zunächst nur mit schwachen Zuckungen knapp unterhalb der 7900er-Linie: Doch als EZB-Chef Draghi das Wort ergreift, ziehen die Kurse plötzlich kräftig an. Am Abend geht der Dax mit einem Aufschlag von knapp 165 Punkten aus dem Handel - das stärkste Plus seit Wochen.

Die Aussicht auf langfristig billiges Geld und dauerhafte Unterstützung durch die Notenbank hat eine Welle der Erleichterung an den europäischen Aktienmärkten ausgelöst: Die Europäische Zentralbank (EZB) belässt nicht nur aktuell ihren Leitzins unverändert bei 0,5 Prozent - die Währungshüter rund um EZB-Chef Mario Draghi stellen sogar eine weitere Zinssenkung in Aussicht.

Durch den stabilen Zinsentscheid sahen sich Beobachter am deutschen Aktienmarkt zunächst in ihren Erwartungen bestätigt: Der Dax notierte nach dem Zinssignal zunächst noch wenig verändert im Plus bei 7885 Punkten. Doch mit Beginn der traditionellen EZB-Pressekonferenz ging es steil und kräftig aufwärts. "Der EZB-Rat geht davon aus, dass der Schlüsselzins in der Eurozone noch für einen längeren Zeitraum auf dem aktuellen oder auch einem niedrigeren Niveau bleibt", sagte EZB-Präsident Mario Draghi wörtlich. Die EZB werde ihren konjunkturstützenden Kurs der Geldpolitik so lange fortsetzen wie nötig.

Der deutsche Leitindex Dax zog daraufhin steil an, überwand die Marke von 7900 Punkten und ging schließlich mit einem satten Plus von 2,11 Prozent bei 7994 Punkten aus dem Handel. Dies entspricht dem größten Tagesgewinn seit dem 23. April 2013. Kurzzeitig lugte das prominenteste deutsche Börsenbarometer sogar über die Schwelle bei 8000 Punkten: Das Tageshoch aus dem Verlauf liegt bei 8015,08 Punkten.

Auch bei den Nebenwerten griffen Anleger nach der Draghi-Pressekonferenz kräftig zu: Der MDax beendete den Tag der europäischen Notenbanken 1,84 Prozent im Plus bei 13.859 Punkten. Der TecDax notierte zum Handelsschluss in Frankfurt 1,73 Prozent fester bei 961 Zählern.

"Das Wesentliche ist dieser 'längere Zeitraum' und die Abwärtstendenz bei den Zinsen, von denen Draghi spricht", sagte Commerzbank-Analyst Michael Schubert mit Blick auf die Äußerungen des EZB-Chefs. "Ich glaube, er will mit diesen Aussagen erst einmal das Marktzins-Niveau stabilisieren, und das hat er sicherlich erreicht. Ob die Zinsen tatsächlich noch einmal gesenkt werden oder ob wir sehr lange auf dem gegenwärtigen Niveau bleiben, ist meiner Einschätzung nach noch offen."

Kurz vor der EZB hatte auch die Bank of England (BoE) signalisiert, sie wolle ihre Aussagen über die Dauer ihrer ultra-lockeren Geldpolitik demnächst konkretisieren. Außerdem ließ sich der neue Notenbank-Chef Mark Carney eine Hintertür für weitere Geldspritzen zur Ankurbelung der Konjunktur offen.

"Swing" bei der Commerzbank

Stärkster Dax-Gewinner des Tages waren die Aktien der Commerzbank: Nach zeitweise kräftigen Verlusten setzten sich die Aktien des zweitgrößten deutschen Kreditinstituts mit Plus 6,6 Prozent auf 6,2 Euro an die Indexspitze. Im frühen Handel hatten die Coba-Papiere noch ein Tagestief bei 5,56 Euro markiert. Mit dem schnellen Aufstieg hätten die Aktien der Commerzbank einen fast zehnprozentigen "Swing" hingelegt, wie Händler erstaunt beobachteten.

Ausgelöst worden sei der außergewöhnliche kräftige Richtungswechsel durch die Aussagen von Finanzvorstand Stephan Engels zum Aktienkursverfall der vergangenen Wochen und Monate. "Das hat einen Short-Squeeze losgetreten, aber mehr als ein Short-Squeeze ist es auch nicht", sagte ein Händler. Der Passus, dass Engels nach eigener Aussage "heute sogar etwas optimistischer" ist als noch vor einigen Monaten mit Blick auf die Risiken aus den Schiffsbeteiligungen, sei der zentrale Aspekt. "Das nimmt ein klein wenig die Sorge aus dem Markt, dass sich die Wertberichtigungen zuletzt vielleicht sogar noch ausgeweitet haben könnten", erklärte der Händler. Dazu kam: Engels attestierte seinem Arbeitgeber "richtig gute Fortschritte". Zudem betrachtet Engels den heftigen Kurseinbruch der Commerzbank-Aktie als "fundamental in keinster Weise" gerechtfertigt.

Insgesamt waren auf Unternehmensebene vor allem die Finanzwerte gefragt: Fünf der zehn größten Kursgewinner im Eurostoxx50 gehörten zu diesem Sektor. Der Branchenindex für die Banken der Eurozone stieg um 4,4 Prozent. Die Papiere der Deutschen Bank gewannen 2,9 Prozent.

Ebenfalls auffallend stark gefragt waren Aktien aus dem Automobilsektor: "In den USA läuft der Absatz weiter gut, und in China stabilisiert sich die Lage", meinte ein Händler. Dort habe sich der Interbanken-Handel komplett normalisiert. Die Aktien von Daimler beendeten den Handelstag 4,5 Prozent fester bei 49,08 Euro. Continental schlossen 4,1 Prozent höher, Volkswagen notierten 3,9 Prozent im Plus. BMW schlugen sich mit plus 2,4 Prozent immer noch besser als der Gesamtmarkt.

Die Aktien von Celesio rutschten um 7,7 Prozent ab. Der Chef des Pharmagroßhändlers, Markus Pinger, muss nach einem Führungsstreit mit Großaktionär Haniel gehen. Finanzchefin Marion Helmes übernimmt die Aufgaben. Aus Kreisen verlautete, Haniel bevorzuge wohl eine Umstrukturierung gegenüber einem Verkauf des Unternehmens oder einem Zusammenschluss. Analysten reagierten mit Abstufungen.

Europaweit zogen die Kurse an: Der EuroStoxx50 gewann am Donnerstag 2,94 Prozent auf 2646 Punkte. Auch für den Leitindex in Paris ging es mit Gewinnen von rund 3 Prozent rasant nach oben. Die Börsen der beiden hoch verschuldeten Euro-Staaten Spanien und Italien gewannen ebenfalls jeweils gut drei Prozent. Der Lissaboner Leitindex legte sogar 3,7 Prozent zu. In London kletterte der FTSE um 3,1 Prozent ins Plus.

Feiertagsruhe an der Wall Street

Impulse aus den USA bleiben im Handelsverlauf aus: Am 4. Juli findet an der Wall Street wegen des Feiertags Independence Day kein Handel statt.

"Die EZB hat genau den Mittelweg gefunden zwischen hektischem Aktionismus und einer Beruhigung der Märkte", sagte Christian Lips, Volkswirt von der NordLB. "Der neue Kniff ist die Vorfestlegung auf eine ausgedehnte Periode eines sehr niedrigen Leitzinsniveaus. Darauf haben einige gewartet, das hat der Aufwärtsbewegung der Renditen am Anleihemarkt den Dampf genommen."

"Die EZB lässt sich bezüglich der zukünftigen Geldpolitik alle Optionen offen", meinte dagegen Helaba-Analyst Ulrich Wortberg in einer ersten Reaktion. Draghi wiederholte seine jüngste Ankündigung, wonach die Währungshüter so lange wie nötig an ihrer lockeren Geldpolitik festhalten werden. Zudem versucht die EZB laut Wortberg möglicherweise, das Renditeniveau zu drücken und sich von den USA abzukoppeln.

Am deutschen Rentenmarkt stieg die Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere auf 1,38 (Vortag: 1,35) Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 0,21 Prozent auf 133,74 Punkte. Der Bund Future gewann 0,28 Prozent auf 142,45 Punkte.

Der Euro gab in Reaktion auf die Draghi-Aussagen 1 Cent ab und fiel zeitweise unter die Marke von 1,29 US-Dollar. Gegen Mittag hatte die EZB den Referenzkurs auf 1,2984 (1,2959) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,7702 (0,7717) Euro.

In Großbritannien sorgten Aussagen der Bank of England, die sich wie die EZB besorgt über den Anstieg der Marktzinsen äußerte, ebenfalls für heftige Reaktionen. Das britische Pfund geriet unter Druck, britische Staatsanleihen stiegen deutlich.

Stützende Signale kamen aus Kairo: Mit Käufen ägyptischer Aktien reagierten Anleger auf die Absetzung von Präsident Mohammed Mursi. Portfoliomanager Sebastien Henin von The National Investor in Abu Dhabi wertete es positiv, dass es einen detaillierten Plan der Armee für die Rückkehr des Landes zur Demokratie gebe. Der Leitindex der Kairoer Aktienbörse stieg um 7,3 Prozent auf 5334,54 Punkte. Im Gegenzug verbilligten sich am Markt für Credit Default Swaps (CDS) die Prämien zur Absicherung ägyptischer Staatsanleihen gegen Zahlungsausfall.

Mit der Beruhigung der Lage ließ auch die Furcht vor einer Destabilisierung des gesamten Nahen Ostens und einer Unterbrechung der Rohöl-Versorgung nach. Die Nordsee-Ölsorte Brent verbilligte sich um 0,4 Prozent auf 105,30 Dollar je Barrel (159 Liter).

Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts

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