Kinder werden zu Hause unterrichtet Eltern wollen weitermachen wie bisher
22.05.2013, 18:33 Uhr
Die Eheleute Schaum wollen ihre Kinder weiter zu Hause unterrichten.
(Foto: dpa)
Ein Ehepaar aus Hessen kämpft seit 20 Jahren gegen die Schulpflicht. Weil die 51 und 47 Jahre alten Eltern ihre Kinder zu Hause unterrichten, wird nun eine Geldstrafe fällig.
Ein Ehepaar aus Nordhessen muss eine Geldstrafe zahlen, weil es drei seiner Kinder zu Hause unterrichtet hat. Dass die strenggläubigen Eltern aus Homberg/Efze ihre Kinder nicht zur Schule schickten, sei rechtlich strafbar, erklärte die Richterin des Amtsgerichts Fritzlar. Sie verurteilte das Ehepaar Schaum, insgesamt 700 Euro zu zahlen. Der Familie war laut Anklage ein Verstoß gegen das hessische Schulgesetz vorgeworfen worden.

Aus Glaubens- und Gewissensgründen weigern sich die Eltern, ihre drei Kinder in eine Schule zu schicken.
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Das Paar kündigte noch im Gerichtssaal an, gegen die Entscheidung vorzugehen. "Das Urteil kommt nicht überraschend. Wir werden so weitermachen wie bisher", sagte der 51-jährige Vater. "Bevor wir unsere Kinder in eine zweifelhafte Umgebung geben, nehmen wir das lieber selber in die Hand." Er wolle selbst über die Bildungsziele und das Bildungsklima entscheiden.
Das Paar kämpft seit 20 Jahren für das sogenannte Homeschooling. Bereits zuvor wurde es zweimal zu Geldstrafen verurteilt. Die jüngeren der neun Kinder werden vor allem von der 47-jährigen Mutter unterrichtet. Die älteren Kinder, die auch zu Hause unterrichtet worden waren, haben über Prüfungen staatliche Haupt- oder Realschulabschlüsse mit sehr guten Noten erreicht und auch Berufsausbildungen absolviert.
Bildung als kollektiver Prozess
Die Richterin betonte in ihrer Urteilsbegründung, es gehe beim Unterrichten nicht nur um Wissen, sondern auch darum, sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen. Der Erfolg der Eltern sei angesichts der Leistungen der älteren Kinder zwar unzweifelhaft. Es sei allerdings fraglich, ob die Kinder angesichts der Noten nicht auch Abitur hätten machen können. Die Staatsanwaltschaft hatte für das Paar sechs Monate Haft gefordert, weil sie Wiederholungstäter seien. Der Verteidiger des Mannes forderte einen Freispruch, die Anwältin der Frau beantragte eine Geldstrafe.
"Sie versuchen, sich eine kleine eigene Welt zu schaffen", kritisierte Jochen Nagel, Vorsitzender der Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hessen. Den Kindern mangele es dabei jedoch an einem wichtigen Teil des Bildungsprozesses. Bildung sei ein kollektiver Prozess. "Kinder lernen miteinander und voneinander. Sie lernen die Eigenheiten der anderen zu akzeptieren."
Nach Angaben des hessischen Kultusministeriums gibt es maximal drei Familien in Hessen, die das umstrittene Homeschooling betreiben; in der Regel aus religiösen Motiven. Bundesweit gehen Schätzungen von bis zu 500 Kindern aus. Der Hausunterricht sei in dieser Form aber nicht erlaubt, sagte Harald Achilles vom Kultusministerium. "Es gibt eine Schulbesuchspflicht seit 1919." Wenn Eltern sich nicht daran halten, werde zunächst ein Bußgeld fällig. In hartnäckigen Fällen sei auch - wie im aktuellen Fall - ein Strafantrag möglich.
In anderen Ländern wie den USA dagegen ist Homeschooling erlaubt und gilt als Elternrecht. Dort lernen Schätzungen zufolge bis zu zwei Millionen Kinder bei ihren Eltern. Ein Paar aus Baden-Württemberg, bibeltreue Christen, beantragte vor Jahren sogar Asyl in den USA, um ihre Kinder zu Hause unterrichten zu können. Ein US-Gericht lehnte den Antrag, der erst genehmigt wurde, jedoch ab. In Ausnahmen werden Kinder allerdings auch in Deutschland zu Hause unterrichtet, zum Beispiel wenn sie länger schwer krank sind. "Ziel ist aber, dass sie zurück in den Klassenverband gehen", betonte Achilles.
Quelle: ntv.de, dpa