Politik

Rebellen verlieren zunehmend an Boden NATO übernimmt Libyen-Kommando

Rebellen, die noch Stellungen der Gadaffi-Truppen beschießen, fliehen aus Brega.

Rebellen, die noch Stellungen der Gadaffi-Truppen beschießen, fliehen aus Brega.

(Foto: dpa)

Kaum geben die USA das Kommando über den Einsatz in Libyen an die NATO ab, entbrennt ein Streit über mögliche Waffenlieferungen an die Rebellen. Während die USA und Großbritannien dies nicht ausschließen, sprechen sich Russland, China und NATO-Chef Rasmussen strikt dagegen aus. Die Aufständischen verlieren derweil wieder an Boden.

Neue Rückschläge für die Aufständischen in Libyen setzen die NATO unter Druck. Das Militärbündnis hatte damit begonnen, das Kommando über den internationalen Militäreinsatz von den USA zu übernehmen. Trotz anhaltender Luftangriffe rückten die Truppen von Diktator Muammar al-Gaddafi weiter nach Osten vor, die Rebellen mussten auch die wichtige Ölstadt Ras Lanuf und den Ölhafen Brega aufgeben. In der NATO entbrannte ein Streit über eine Bewaffnung der Aufständischen.

Der Übergangsrat in Bengasi bat dringend um Ausrüstung. Während die USA, Frankreich und Großbritannien Waffenlieferungen an die Rebellen für denkbar halten, lehnt NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen dies strikt ab. Seiner Ansicht nach ist eine Bewaffnung der Aufständischen nicht von der UN-Resolution 1973 gedeckt. "Unsere Aufgabe ist es, Menschen zu schützen, nicht, sie zu bewaffnen", sagte Rasmussen dem britischen Sender Sky News.

"Eine kontroverse, eine extreme Maßnahme"

Die NATO debattiert derweil über Waffenlieferungen an die Aufständischen.

Die NATO debattiert derweil über Waffenlieferungen an die Aufständischen.

(Foto: dpa)

US-Präsident Barack Obama wollte Militärhilfen in einem NBC-Interview hingegen nicht ausschließen. Der britische Premier David Cameron sagte in London, seiner Ansicht nach erlaube die UN-Resolution die Ausstattung der Rebellen mit Waffen "unter bestimmten Umständen" wie zum Schutz von Zivilisten. Es sei aber noch keine Entscheidung darüber gefallen. Am Dienstag hatte sich auch Frankreichs Außenminister Alain Juppé offen dafür gezeigt.

Italien lehnte einen solchen Schritt strikt ab. "Die Rebellen zu bewaffnen wäre eine kontroverse, eine extreme Maßnahme und würde die internationale Gemeinschaft sicherlich spalten", erklärte der Sprecher des Außenministeriums in Rom, Maurizio Massari. In Neapel ist das Streitkräftekommando der NATO stationiert, das sämtliche Einsätze des Bündnisses in Libyen kontrolliert. Die Bundesregierung betonte in Berlin, für sie seien Waffenlieferungen kein Thema. Mit solch "hypothetischen Fragen" beschäftige man sich nicht.

Al-Kaida soll Rebellen unterwandern

Russland und China verschärften ihre Kritik am Vorgehen des Militärbündnisses. Moskaus NATO-Botschafter Dmitri Rogosin warnte die Allianz vor einer "kreativen Auslegung" der UN-Resolution 1973. Außenminister Sergej Lawrow sagte in Moskau, es müsse eine demokratische Führung in Tripolis geben. "Aber die Libyer sollten das selbst ohne Einmischung von außen entscheiden." Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao verlangte bei einem Besuch des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy ein sofortige Waffenruhe.

Zerstörtes Café in Adschdabija.

Zerstörtes Café in Adschdabija.

(Foto: REUTERS)

Laut "New York Times" gibt es in der US-Regierung allerdings große Sorgen, dass Waffenlieferungen islamistischen Terroristen in die Hände spielen könnten. Zuletzt waren Gerüchte aufgekommen, dass sich unter die Rebellen auch Mitglieder des Terrornetzes Al-Kaida und der schiitischen Hisbollah-Bewegung gemischt haben könnten. "Wir sehen verschiedene Dinge. Aber zu diesem Zeitpunkt verfügen wir nicht über ausreichende Details, um zu sagen, dass es eine signifikante Präsenz von Al-Kaida oder anderen Terroristen gibt", sagte der NATO-Oberbefehlshaber für Europa, US-Admiral James Stavridis.

London wies inzwischen fünf libysche Diplomaten aus, die laut Außenminister William Hague zum Sicherheitsrisiko hätten werden können. Unter ihnen befindet sich der Militärattaché der Botschaft. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte, die fünf Diplomaten seien überzeugte Anhänger Gaddafis. Die britische Regierung geht davon aus, dass die Diplomaten Druck auf libysche Oppositionelle und Studentengruppen in Großbritannien ausgeübt hätten. Die libysche Regierung wies derweil einen Korrespondenten der Nachrichtenagentur Reuters ohne Angabe von Gründen aus.

Raffineriestadt und Ölhafen umkämpft

Die Milizen der Regimegegner zogen sich unterdessen entlang der Mittelmeerküsten weiter zurück. Unter dem Artilleriefeuer der Truppen Gaddafis räumten sie zuerst die Raffineriestadt Ras Lanuf und dann auch den Ölhafen Brega. Das berichteten westliche Journalisten aus der Region. In Adschdabija, 80 Kilometer östlich von Brega, begannen Zivilisten ihre Sachen zu packen und mit ihren Autos die Stadt zu verlassen.

Ein französischer Kampfjet startet vom Flugzeugträger "Charles de Gaulle" im Mittelmeer.

Ein französischer Kampfjet startet vom Flugzeugträger "Charles de Gaulle" im Mittelmeer.

(Foto: AP)

Bereits am Dienstag hatten die Rebellen unter heftigem Artilleriefeuer der Gaddafi-loyalen Truppen den Ort Bin Dschawwad aufgegeben. Laut Human Rights Watch setzen die Gaddafi-Truppen in ihrem Kampf gegen Aufständische auch international geächtete Land- und Tretminen ein. Die Aufständischen-Truppen sind den Regime-Verbänden an Bewaffnung und militärischer Organisation unterlegen. Ihre jüngsten Vorstöße weit nach Westen am vergangenen Wochenende waren von Luftangriffen der westlichen Militärallianz auf die Gaddafi-Truppen ermöglicht worden.

Der libysche Außenminister Mussa Kussa traf derweil in seinem Hotel auf der tunesischen Ferieninsel Djerba französische Regierungsbeamte. Einzelheiten über die Gespräche wurden nicht bekannt. Außenminister Juppé berichtete in Paris von ersten Überläufern aus dem Kreis um Gaddafi in Tripolis. "Das ist ein gutes Zeichen", sagte er.

Quelle: ntv.de, mli/dpa/rts/AFP

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