Politik

Fragen und Antworten Wie wahrscheinlich ist ein Angriff auf Syrien?

Die US-Steitkräfte bereiten sich im Mittelmeer auf einen Militärschlag vor.

Die US-Steitkräfte bereiten sich im Mittelmeer auf einen Militärschlag vor.

(Foto: dpa)

Seit über zwei Jahren befindet sich Syrien im Bürgerkrieg. Nun bereiten sich die USA und weitere Staaten darauf vor, einzugreifen. Warum kommt der Schritt gerade jetzt? Wie wird er aussehen? Und was passiert danach?

Was ist in der vergangenen Woche passiert?

Gegner von Syriens Präsident Baschar al-Assad meldeten am Mittwoch, dass es einen großflächigen Angriff auf Dörfer nahe Damaskus gegeben habe. Dabei sei auch Giftgas eingesetzt worden, weit über tausend Menschen seien gestorben. Youtube-Videos sollen das belegen. Die renommierte Organisation Ärzte ohne Grenzen berichtete später aus umliegenden Krankenhäusern von eindeutigen Symptomen bei 3600 Menschen, 355 von ihnen seien gestorben. Viele der Opfer haben es erst gar nicht bis ins Krankenhaus geschafft. Die Opposition in Syrien spricht von über 1300 Todesopfern. Ob die UN-Inspektoren nun Gas-Rückstände finden oder nicht, ist kaum noch relevant.

Wie wirken Chemiewaffen?

Massenvernichtungswaffen wie Giftgas sind weltweit, etwa durch das Genfer Protokoll, geächtet, weil sie nicht gezielt gegen Kämpfer eingesetzt werden können, sondern Zivilisten in großer Zahl töten. Möglich ist, dass das Nervengas Sarin eingesetzt wurde. Es kann durch die Haut aufgenommen werden und schädigt so selbst Menschen, die sich mit Gasmasken schützen. Es führt zu einer Verengung der Pupillen, Atemnot, unkontrolliertem Speichelfluss, Schaum vor dem Mund, Muskelzuckungen und Krämpfen. Wenn die Lunge betroffen ist, kommt es zu einer Atemlähmung, die zum Tod führt. Sich ohne professionelle Ausrüstung zu schützen, ist praktisch aussichtslos. Oft sterben auch Hilfskräfte, die mit den Opfern in Kontakt kommen. Die aktuellen Bilder zeigen, dass viele Kinder Opfer des Gases wurden.

Wer hat die Chemiewaffen eingesetzt?

Das ist eine ganz entscheidende Frage. In Syrien kämpfen die Regierungstruppen gemeinsam mit Assad-treuen Milizen. Ihre Gegner sind zum einen Rebellentruppen, die Verbindungen ins westliche Ausland haben. Es gibt aber auch Islamisten. Oft wird die Al-Nusra-Front genannt. Ihr ist ein solches Kriegsverbrechen ebenfalls zuzutrauen. Die westlichen Staaten sind sich allerdings relativ einig, dass Assad den Giftgas-Angriff zu verantworten hat. Entsprechend äußerten sich die Regierungen der USA, von Großbritannien, Frankreich und nun auch von Deutschland. Dafür spricht, dass Assad den Besitz von Chemiewaffen zugegeben hat und diese bereits mehrfach eingesetzt haben soll. Assad – so die Überlegung – versucht, mit langsam heftiger werdenden Giftgaseinsätzen, die "rote Linie" der USA Schritt für Schritt zu verschieben. Auch, dass er zunächst keine Kontrollen in dem Gebiet erlaubte, spricht gegen ihn. Kritiker glauben, dass die Islamisten mit dem Gas ein Eingreifen des Westens provozieren wollen, damit sie es leichter haben, Assad zu stürzen.

Welche Optionen für einen Angriff gibt es?

Wer glaubt, dass die USA oder ein anderes westliches Land erpicht darauf sind, einen neuen Krieg vom Zaun zu brechen, der irrt. Viel zu sehr sind die Nato-Staaten mit Afghanistan, Irak und Mali beschäftigt. Auch der Krieg in Libyen hat Kräfte gekostet. Ein Einmarsch in Syrien kommt wohl kaum infrage. Stattdessen wird geprüft, wie man das Land vom Meer aus oder aus der Luft unter Druck setzen kann. Diskutiert werden Einsätze wie im Kosovokrieg oder in Libyen: Als Jugoslawien Ende der 1990er Jahre Krieg gegen die Bevölkerung im Kosovo führte, bombardierte die Nato die jugoslawische Hauptstadt Belgrad, bis sich die Regierung gezwungen sah, einem Friedensplan zuzustimmen, in dessen Folge das Kosovo von Serbien unabhängig wurde. In Libyen bekämpfte der Machthaber Muhammar al-Gaddafi die Aufständischen in seinem Land mit Kampfflugzeugen. Dies sollte durch eine Flugverbotszone unterbunden werden. De facto bedeutete das, dass die Flughäfen und die Flugabwehr Libyens zerstört wurden. Gaddafis Truppen wurden dabei so sehr geschwächt, dass die Rebellen das Regime schließlich stürzen konnten.

Wer würde sich an einem Angriff beteiligen?

Vor allem die USA, Großbritannien und Frankreich diskutieren gemeinsam das Vorgehen. Die Türkei hat ihre Unterstützung zugesagt. Israel befindet sich seit Jahrzehnten offiziell im Kriegszustand mit Syrien, befürwortet einen militärischen Einsatz, will sich selbst aber aus Kampfhandlungen heraushalten. Auch Deutschland will sich derzeit nicht beteiligen, allerdings sprechen Außenminister und Kanzlerin davon, dass ein Giftgasangriff "Konsequenzen" haben müsse.

Wie wahrscheinlich ist ein Angriff?

Russland und China werden einem Mandat im UN-Sicherheitsrat nicht zustimmen. Völkerrechtlich ist ein Militäreinsatz darum fraglich. Allerdings wollen sich die entschlossenen Staaten davon nicht abbringen lassen. Nach Aussagen von Diplomaten sind die Pläne schon sehr konkret. Die Entscheidung soll bald fallen. Sie werde sich "in dieser Woche abspielen", sagte Frankreichs Präsident François Hollande. Weitere Beweise durch die UN-Inspektoren scheinen dafür nicht mehr nötig. Eine militärische Intervention ist also sehr wahrscheinlich.

Was würde nach einem Angriff passieren?

Das Land einzunehmen und unter westlicher Regie einen neuen Staat aufzubauen, erscheint unrealistisch. Zu zersplittert ist die syrische Bevölkerung, zu tief sind die Spaltungen, zu mächtig die Islamisten. Das heißt: Der Bürgerkrieg würde wohl weitergehen, nur wäre das Assad-Regime dabei geschwächt. Wer irgendwann die Oberhand gewinnt, ist völlig offen. Außerdem würde es diplomatische Verstimmungen mit Russland geben, das den Westen mit scharfen Worten vor einem Einsatz in Syrien warnt.

Was passiert, wenn es keinen Angriff gibt?

Auch ohne eine Einmischung von außen werden in diesem Krieg noch viele Menschen umkommen. Zu erwarten ist, dass dann noch mehr Giftgas einsetzt wird. Problematisch ist außerdem, dass US-Präsident Barack Obama den Einsatz von Chemiewaffen als "rote Linie" bezeichnet hatte. Lässt er nun keine Taten folgen, würden andere Regime erkennen, dass diese "rote Linie" keine große Bedeutung hat.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen