Reise

Wendelsteinbahn wird 100 Bier begünstigte Technik-Wunder

Die Wendelsteinbahn - eine technische Meisterleistung.

Die Wendelsteinbahn - eine technische Meisterleistung.

(Foto: Peter Hofmann/Archiv der Wendelsteinbahn GmbH)

Ein wöchentliches Fass Bier sollte beim Bau eines technischen Wunderwerkes auf dem bayerischen Wendelstein helfen - als Belohnung für die hunderten meist bosnischen Bauarbeiter. Es wurde dann auch in Rekordzeit fertig. Die Bahn machte den Wendelstein, den meistbestiegenen Berg der bayerischen Alpen, zum Ausflugsziel.

Wer hart arbeitet, soll auch feiern dürfen, dieser Devise folgte der Kommerzienrat Otto von Steinbeis. So ließ er vor gut hundert Jahren jeden Sonntag ein großes Fass Bier auf den Wendelstein in den bayerischen Alpen schleppen. Es war eine Belohnung für die 800 zumeist aus Bosnien stammenden Männer, die damals dort seinen Plan für ein technisches Wunderwerk in die Tat umsetzten. Binnen zwei Jahren bauten sie im Rekordtempo die erste Hochgebirgsbahn Deutschlands - eine Zahnradbahn - von Brannenburg bis zum rund hundert Meter unter dem Gipfel des 1838 Meter hohen Berges gelegenen Endbahnhof.

Der Bau der Wendelsteinbahn fiel in eine Phase des beginnenden Tourismus und großen Gründergeistes unter Industriellen. "Herrlich! Herrlich! Herrlich! Nie saß ein König auf einem prächtigeren Throne als ich hier sitze und weit in Gottes Welt herumschaue", schwärmte schon 1730 der Geschichtsschreiber Lorenz Westenrieder, nachdem er in einem mühsamen Aufstieg den Gipfel des Wendelsteins erklommen hatte. Solche Texte führten dazu, dass der für sein Panorama bekannte Berg allmählich zum Ausflugsziel wurde - er gilt als der erste Berg in den bayerischen Alpen, der zum Fremdenverkehrsmagneten wurde.

Erste Bergbahn Deutschlands

Paraglider vor der Wendelstein-Kulisse.

Paraglider vor der Wendelstein-Kulisse.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

1883 wurde das erste Alpenhotel auf dem Wendelstein erbaut. Dieser war damals schon längst der meistbestiegene Berg der bayerischen Alpen. Zur gleichen Zeit kam Otto von Steinbeis als Holzindustrieller zu einem Vermögen, vor allem in Bosnien verdiente er viel Geld. Der Unternehmer kaufte 1904 das Hotel Wendelsteinhaus und überredete Prinzregent Luitpold, ihm die Konzession zum Bau der ersten Bergbahn Deutschlands zu erteilen.

Doch wer bei dem Streit um "Stuttgart 21" denkt, die Menschen stünden erst heute technischen Neuerungen skeptisch gegenüber, verkennt die Geschichte der Wendelsteinbahn. Während der mehrjährigen Planung protestierten Umweltschützer, weil die Bahn "eines der herrlichsten Gebilde unserer Bergwelt verschandelt", wie es in den Archiven heißt. Doch von Steinbeis setzte sich auch mit Unterstützung des Alpenvereins durch - wobei er wahre Pionierleistungen vollbringen musste.

So wollte der Industrielle den Berg nicht durch die damals üblichen Dampflokomotiven erklimmen lassen, sondern durch eine Elektrobahn. Allerdings gab es in Brannenburg und Umgebung damals noch gar keinen Strom. Von Steinbeis ließ also bis 1910 ein Wasserkraftwerk mit zwei Turbinen errichten, die den für die Bahn nötigen Gleichstrom erzeugten.

Prinzip der Nutzung der Bremsenergie

Bei der damals noch nicht entwickelten Stromnutzung setzte er ein Prinzip der Nutzung der Bremsenergie ein, das heute bei modernen Autos zum Energiesparen genutzt wird (Rekuperation). Von Steinbeis baute das Kraftwerk so, dass die Bremsenergie des Richtung Tal fahrenden Zuges per Rückspeisung für die gleichzeitige Bergfahrt des zweiten Zuges genutzt werden konnte.

Zu diesen Meilensteinen technischen Fortschritts kam bei der Wendelstein-Bahn eine tollkühne Bauweise der Strecke hinzu. Um diese möglichst gut vor Lawinen und Steinschlag zu schützen, musste die schwierigste Streckenführung gewählt werden. Die 800 Arbeiter sprengten, schaufelten und mauerten in höchstem Tempo auf knapp zehn Kilometern Strecke sieben Tunnel, acht Galerien, zwölf Brücken und zahlreiche Stützmauern. Das eindrucksvollste Bauwerk ist die so genannte Hohe Mauer, ein 127 Meter langer und 17 Meter hoher Damm kurz vor dem Bergbahnhof.

Am 12. Mai 1912 befuhr der erste Zug die Strecke, am 25. Mai 1912 begann der reguläre Bahnbetrieb. Dass dieser bis heute läuft, ist die letzte Besonderheit der Wendelstein-Bahn. Denn diese erwies sich über die Jahre als äußerst teuer, in den 1980er Jahren drohte die Stilllegung. Doch mit einer Modernisierung durch neue Züge und einer Verkürzung der Fahrtzeit von 75 auf 25 Minuten wurden die Verluste spürbar verringert. Bis heute kommen auch noch die alten Züge zum Einsatz - bei "Nostalgie-Mondscheinfahrten" sollen die Passagiere etwas vom Gründergeist vor 100 Jahren spüren.

Quelle: ntv.de, Ralf Isermann, AFP

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