Reise

Nobelpreisträger auf Intellektuelleninsel Hiddensee feiert Hauptmann

Blick auf den neuen Pavillon des Gerhart-Hauptmann-Hauses in Kloster auf der Insel Hiddensee.

Blick auf den neuen Pavillon des Gerhart-Hauptmann-Hauses in Kloster auf der Insel Hiddensee.

(Foto: dpa)

Hiddensee begeht den 150. Geburtstag Gerhart Hauptmanns. Die einstige Intellektuellen-Insel nutzt das Jubiläum, um an den verblassenden Ruf als Künstler-Refugium anzuknüpfen. Im April wird das Hauptmann-Haus um einen Ausstellungspavillon erweitert.

Gerhart Hauptmann nutzte in den Sommermonaten die Gebäude als Wohn- und Arbeitsraum.

Gerhart Hauptmann nutzte in den Sommermonaten die Gebäude als Wohn- und Arbeitsraum.

(Foto: dpa)

"Diese Klarheit! Dieses stumme und mächtige Strömen des Lichtes! Dazu der Salzgeschmack auf den Lippen." Im Jahr 1906 lässt Gerhart Hauptmann den gestandenen Bildhauer Ottfried Mäurer in seinem Drama "Gabriel Schillings Flucht" auf der kleinen Ostseeinsel Fischmeisters Oye tief durchatmen. Der Ortskundige weiß, dass Hauptmann mit der Insel, ihren geerdeten Bewohnern und den problembelasteten Städtern, die auf diesem Eiland Abstand vom zivilisatorischen Wahnsinn suchten, Hiddensee meinte. 1885 besuchte der Dichter das erste Mal die kleine, westlich von Rügen gelegene Insel. Es sollte eine Liebe fürs ganze Leben werden - und darüber hinaus. Das Grab des vor 150 Jahren geborenen Schriftstellers befindet sich auf dem Inselfriedhof in Kloster.

Der Dichter Gerhart Hauptmann war berühmt, wurde geliebt und verehrt. Doch gut 65 Jahre nach dem Tod des Nobelpreisträgers (1862-1946) kommen immer weniger Besucher wegen des Literaten auf die Insel, die einst Rückzugsort deutscher Intellektueller und Schauspieler war. Die Besucherzahl in dem einzigen authentisch erhaltenen Wohnhaus eines Autors auf Hiddensee ging in den vergangenen Jahren von mehr als 30.000 auf 25.000 zurück.

Sachlicher Pavillon

Schlafzimmer des Dichters im Gerhart-Hauptmann-Haus.

Schlafzimmer des Dichters im Gerhart-Hauptmann-Haus.

(Foto: dpa)

Die Mitarbeiter des Hauptmann-Hauses wollen nun das Doppeljubiläum von 150. Geburtstag (15. November) und 100. Jahrestag der Nobelpreisvergabe nutzen, um den Dichter wieder stärker ins Bewusstsein zu rücken. Ende April öffnet vor der Sommerresidenz Hauptmanns, dem "Haus Seedorn", ein Ausstellungspavillon, in den noch in diesem Jahr eine Ausstellung zur "Literaturlandschaft Hiddensees" einziehen soll. Zwischen alten Buchen duckt sich der moderne, rund 850.000 Euro teure Bau in den Hang. Der sachliche Bungalow aus Glas, Stahl und Holz zwischen Reetdachhäusern und repräsentativen Sommervillen war anfangs umstritten. Mehrere Buchen mussten für den Neubau gefällt werden.

Das Jubiläumsjahr feiere das Hauptmann-Haus mit einer Verjüngung seiner selbst, sagt Leiterin Franziska Ploetz. Denn das mit Möbeln, Bibliothek und Weinkeller im Originalzustand erhaltene Haus sei Segen und Fluch zugleich. Soviel Hauptmann der Ort auch atme, so wenig Platz biete er für eine einordnende Darstellung. Für eine Generation, die von Hauptmann nur "Die Weber" als schwer verdauliche Pflichtlektüre kenne, sei eine solche Erklärung erforderlich, ist Ploetz überzeugt. Der neue Pavillon biete den Raum, das Werk des Autors in den kulturhistorischen Kontext einzubetten.

Künstler auf der Intellektuellen-Insel

Die Räume sind im Originalzustand zu besichtigen.

Die Räume sind im Originalzustand zu besichtigen.

(Foto: dpa)

Wie Hauptmann zog es andere Künstler Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts nach Hiddensee: die Autoren Thomas Mann und Hans Fallada, die Schauspielerin Asta Nielsen, die Tänzerin Gret Palucca. Hauptmann, der 1912 den Nobelpreis für Literatur erhielt, dominierte mit seinen Abendgesellschaften die Intellektuellen-Insel. Eine Erfahrung, die Katia Mann, Ehefrau des ebenfalls mit einem gewissen Geltungsdrang ausgestatteten Literaten Thomas Mann, noch 50 Jahre später bitter aufstieß. "Nun war er aber dermaßen eindeutiger König, dass für uns dort wenig Aufmerksamkeit abfiel", schrieb sie in "Meine ungeschriebenen Memoiren" über den unsäglichen Hiddenseebesuch von 1924. Die Manns kauften sechs Jahre später ein Sommerhaus in Nidden auf der Kuhrischen Nehrung.

Die Spuren, die von Hiddensees Ruhm als Künstlerinsel zeugen, verblassen: Der Gasthof Freese, in dem einst Hans Fallada an seinem Roman "Kleiner Mann - was nun" arbeitete, ist geschlossen. Das unter Denkmalschutz stehende Gret-Palucca-Haus wurde vor drei Jahren trotz Protesten abgerissen. Die neue Ausstellung im Pavillon soll die Verbindungen sichtbar machen, die die Hiddenseer Literaten und Künstler untereinander pflegten.

Lesungen und Konzerte durchziehen das Hauptmann-Jahr auf der Insel. Schriftsteller wie Christoph Hein, Ingo Schulze, Judith Schalansky, Götz Aly und Sigrid Damm werden in seinem Haus lesen. Frido Mann, Enkel des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann, stellt sein Buch "Mein Nidden - Auf der Kuhrischen Nehrung" vor.

Quelle: ntv.de, Martina Rathke, dpa

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