Betongold glänzt nicht mehr Immobilienmarkt im Krisenmodus
24.12.2011, 08:00 UhrGerade noch scheint die Immobilienbranche den Schlamassel der Finanzkrise hinter sich zu lassen, da trifft den Sektor die nächste Krise mit voller Wucht. Weil die Kreditmärkte unter Druck geraten, versiegt erneut das dringend benötigte Geld. Und wieder beginnt ein Überlebenskampf.

Eigentlich ein Filetstück: Die Potsdamer Platz Arkaden in Berlin aus dem Portfolio des SEB Immoinvest.
(Foto: SEB)
Die Immobilienbranche hat ein Deja vu. Es herrscht wieder Krisenstimmung. Unternehmen sind in der europäischen Schuldenkrise vorsichtiger mit der Anmietung neuer Büro- oder Ladenflächen. Käufer zahlen nicht mehr jeden Preis für Immobilienpakete und beschränken sich auf Bestlagen in wirtschaftlich soliden Ländern. Und die Banken werden mit Finanzierungen wieder knauseriger, verlangen mehr Eigenkapital. Vieles erinnert an die Zeit nach der Lehman-Pleite im Herbst 2008. "Angesichts der rasanten Verschlechterung der Kreditmärkte in Europa, nicht nur in den Peripheriestaaten, dürften die gewerblichen Immobilienwerte 2012 unter Druck kommen", warnen die Analysten der UBS in ihrem Prognosebericht. Für so manchen Spieler auf dem Markt geht es im neuen Jahr schlichtweg ums Überleben.
Prominenteste Beispiele hierfür sind die beiden eingefrorenen Offenen Immobilienfonds in Deutschland - der SEB ImmoInvest und der CS Euroreal. Für sie tickt die Uhr, bis Mai müssen sie entweder öffnen und aber für immer schließen. Es wären nicht die ersten Immobilienfonds, die liquidiert werden - schon nach der Lehman-Pleite haben es viele nicht mehr auf die Beine geschafft. Aber es wäre eine neue Größenordnung: Jeweils rund sechs Mrd. Euro schwer sind der Euroreal und der ImmoInvest. Damit zählen sie zu den größten Investoren in Europa. Die zermürbten Anleger kommen seit anderthalb Jahren nicht an ihr Geld. Hoffnungen, die beiden Fonds würden Ende 2011 wieder aufmachen, wurden vor wenigen Tagen enttäuscht. Die Fondsmanager mussten einen Rückzieher machen. Ihnen fehlt schlichtweg die nötige Liquidität, um alle Ausstiegswilligen auszuzahlen.
Tafelsilber wird zum Ladenhüter
"Die Märkte sind mittlerweile unberechenbar geworden", versucht sich die verantwortliche SEB-Fondsmanagerin Barbara Knoflach in einer Erklärung. Eine Liquiditätsquote von 30 Prozent halten Branchenkenner für nötig, damit ein Immobilienfonds öffnen kann, ohne sofort wieder in Schieflage zu geraten. Der ImmoInvest kam zuletzt auf 21 Prozent, der Euroreal auf 25 Prozent. Immobilienverkäufe, die Geld in die Kasse spülen sollen, werden von Woche zu Woche schwieriger. Die potenziellen Käufer spielen auf Zeit - die die Fonds nicht haben.
Knoflach bekommt das gerade am Beispiel des Potsdamer Platzes in Berlin zu spüren, ihrem Tafelsilber. 19 Immobilien, fast das gesamte Ensemble, stecken im ImmoInvest. Der Verkehrswert liegt bei 1,4 Mrd. Euro. Seit Monaten sucht die Fondsmanagerin mit Hilfe einer Investmentbank nach einem Abnehmer oder Partner für alle oder einen Teil der Gebäude - ohne Erfolg. Für andere Immobilienfonds ist das Klumpenrisiko zu groß. Und ausländische Staatsfonds, die als Käufer infrage kommen, versuchen Finanzkreisen zufolge den Preis zu drücken. Die Gespräche ziehen sich - auch beim CS Euroreal, der nach den Worten von Geschäftsführer Karl-Heinz Heuß versucht, weitere Immobilien im Wert von rund 850 Mio. Euro loszuschlagen.
Nadelöhr Konjunktur
Vor einem halben Jahr war die Stimmung noch besser. Den plötzlichen Umschwung bestätigt eine Expertenumfrage von Landesbank Berlin und Berlin Hyp. Darin zeigt sich zwar der Großteil der Befragten überzeugt, dass der deutsche Gewerbeimmobilienmarkt trotz Krise einer der attraktivsten in Europa bleibe. Doch der Transaktionsmarkt, insbesondere im Bürobereich, dürfte nach ihrer Einschätzung im neuen Jahr in Warteposition verharren. Viel geht nicht mehr. "Nadelöhr für die weitere Entwicklung bleiben Konjunktur und Finanzierung", bringt es Gero Bergmann auf den Punkt, Vorstandsmitglied bei der Berlin Hyp.
Eine Liquidierung der beiden Schwergewichte wäre für die gesamte Immobilienfonds-Branche ein enormer Schaden. Das weiß auch der Fondsverband BVI. Er hat den Vorstandsposten für die Offenen Immobilienfonds, lange Jahre das Knoflach-Ressort, inzwischen mit jemandem besetzt, dessen Produkte die Krise unbeschadet überstanden haben: Georg Allendorf, Deutschland-Chef von RREEF, einer Deutsche-Bank-Tochter. Dieser hofft immer noch auf eine Lösung. Offene Immobilienfonds müssten wieder zu einem verlässlichen Investment gerade für Kleinsparer werden, sagt er. "Daher ist es wichtig, dass die Wiederöffnungen der Fonds, die in den nächsten Monaten bevorstehen, gelingen."
Quelle: ntv.de, nne/rts