Wirtschaft

Parlament bittet Bürger um Spenden Griechenland droht mit IWF

Im Kampf gegen den drohenden Staatsbankrott greift die griechische Regierung zu drastischen Sparmaßnahmen. Allerdings fordert Athen nun auch Hilfe von der EU. Finanzminister Papakonstantinou wird deutlicher: Er bringt ein Hilfegesuch an den Internationalen Währungsfonds (IWF) ins Gespräch. Damit nicht genug: Nun sollen die Bürger nach dem Willen des Parlaments auch noch spenden.

Dunkle Wolken über Griechenland. Das Land ist finanziell am Ende.

Dunkle Wolken über Griechenland. Das Land ist finanziell am Ende.

(Foto: AP)

Im Kampf gegen das ausufernde Defizit hat Griechenland den von der Europäischen Union verordneten Sparkurs eingeschlagen und pocht im Gegenzug auf Hilfen. Die Regierung in Athen will mit zusätzlichen Einschnitten im Gesamtvolumen von 4,8 Milliarden Euro die Schuldenspirale brechen.

"Wir erwarten nun mit Fug und Recht europäische Solidarität", sagte Ministerpräsident Giorgos Papandreou im griechischen Fernsehen. Andernfalls könne man sich mit einem Hilfsgesuch auch an den Internationalen Währungsfonds (IWF) wenden, ließ sein Finanzminister Giorgos Papakonstantinou wissen.

Giorgos Papakonstantinou sorgt für neue Brisanz.

Giorgos Papakonstantinou sorgt für neue Brisanz.

(Foto: AP)

Die in Berlin und Brüssel bislang nur hinter den Kulissen geführte Diskussion um eine Rettungsaktion für den chronischen Defizitsünder erhält mit den Äußerungen Papakonstantinous neue Brisanz. Der EU-Vertrag verbietet explizit, dass ein Staat für die Schulden des anderen einsteht. Zugleich wollen die Europäer das Defizitproblem nach Möglichkeit selbst lösen und den IWF aus der Krisenbewältigung heraushalten.

Immer wieder hatten die europäischen Nachbarn darauf gedrungen, dass Griechenland "seine Hausaufgaben" machen müsse, bevor über konkrete Hilfen gesprochen werden könne. Dieser Zeitpunkt rückt nun aber offenbar näher, wie EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso durchblicken ließ: "Wir brauchen Solidarität in der Europäischen Union, die konkreten Instrumente werden wir bald präsentieren", sagte Barroso in Brüssel. Es gebe eine intensive Debatte darüber, doch wolle er die Spekulationen nicht anheizen.

Jose Manuel Barroso: "Griechenland ist nicht allein."

Jose Manuel Barroso: "Griechenland ist nicht allein."

(Foto: AP)

Nach Ansicht des Chefs der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, kann Athen mit den zusätzlichen Einschnitten ihr Sparziel 2010 erreichen. "Die angekündigten Maßnahmen senden ein starkes Signal der Bereitschaft der griechischen Regierung, mutige Entscheidungen zu treffen", erklärte der luxemburgische Regierungschef.

Merkel spricht nicht über Hilfen

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte den neuen griechischen Sparplan. Er trage dazu bei, das Vertrauen der Märkte in Griechenland und den Euro zu stärken, sagte die CDU-Politikerin in Berlin. Die Sparmaßnahmen seien alternativlos. Bei ihrem für Freitag geplanten Treffen mit Papandreou werde es nicht um Hilfsmaßnahmen für Griechenland gehen, stellte Merkel klar.

"Ich glaube, es gibt keine Alternative dazu, dass Griechenland seine Hausaufgaben macht", sagte die Kanzerlin. Dennoch wächst der Druck auf Merkel, konkrete Zusagen zu machen.

Angela Merkel: "Es geht, das will ich ausdrücklich sagen, nicht um Hilfsmaßnahmen."

Angela Merkel: "Es geht, das will ich ausdrücklich sagen, nicht um Hilfsmaßnahmen."

(Foto: dpa)

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble begrüßte die Sparankündigungen. Er betonte, Griechenland habe nicht um Finanzhilfen gebeten. Daher stelle sich diese Frage nicht. Die Schuldenkrise des Euro-Landes ist für die EU auch deshalb zu einem zentralen Problem geworden, weil in ihrem Zuge die Gemeinschaftswährung unter Druck geraten ist.

Das griechische Parlament bat die Bürger des Landes um Spenden. Wie Parlamentspräsident Filippos Petsalnikos sagte, wird ein "Unterstützungsfonds für Griechenland" eingerichtet, in den Einheimische und im Ausland lebende Griechen einzahlen können. "In Griechenland gibt es nicht nur Steuerhinterzieher", sagte Petsalnikos. "Eine überwältigende Mehrheit der Einwohner hat Ehrgefühl, Prinzipien und Liebe für ihr Vaterland."

"Notfalls bilaterale Hilfe"

Die Diskussion um mögliche Finanzhilfen für das hochverschuldete Land läuft europaweit auf Hochtouren. BDI-Chef Hans-Peter Keitel appellierte, dass Griechenland notfalls Hilfen zu seiner Rettung vor einem Staatsbankrott aus Deutschland und Frankreich erhalten solle. Breche Griechenland zusammen, drohe eine Kettenreaktion mit nicht zu beherrschenden Folgen. Es sei dringend notwendig, mit der griechischen Regierung in enger Abstimmung mit dem IWF über eine Sanierung des Haushalts und eine Überwachung dieser Schritte zu sprechen, sagte Keitel vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf.

Für Giorgos Papandreou werden die dringend notwendigen Maßnahmen zu einem Tanz auf dem Vulkan.

Für Giorgos Papandreou werden die dringend notwendigen Maßnahmen zu einem Tanz auf dem Vulkan.

(Foto: AP)

Zuerst stehe allerdings Griechenland selbst in der Pflicht. "Wir müssen uns aber bilaterale Lösungen für den Fall ausdenken, dass eine Sanierung mit dem IWF nicht gelingt", sagte Keitel weiter. Dafür kämen vor allem die Euro-Länder Deutschland und Frankreich in Frage.

Auch für den Chef des Münchner ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, ist der IWF die richtige Adresse für Hilfe. Die Euro-Zone sei nicht nur rechtlich daran gehindert, sondern habe auch nicht die nötigen Mittel. "Man sollte das dem IWF überlassen", sagte Sinn. Dieser sei mit genügenden Finanzmitteln ausgestattet worden und habe die Pflicht, Ländern wie Griechenland zu helfen. Laut Sinn wird Griechenland "kaum zu halten sein im Euro".

Zahlreiche drastische Maßnahmen

Die EU verlangt von Athen, die Neuverschuldung von derzeit knapp 13 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bis Ende 2012 unter die erlaubte Marke von drei Prozent zu drücken. Nach Angaben des griechischen Regierungssprechers Giorgos Petalotis sollen alle Renten eingefroren werden. Die Staatsbediensteten werden künftig 12 Prozent weniger an Zuschüssen erhalten. Diese machen in den meisten Fällen mehr als die Hälfte des Monatseinkommens der Beamten aus. Das 13. und 14. Gehalt (Weihnachtsgeld sowie Ferien- und Ostergeld) werden um 30 Prozent gekürzt.

Ein 14. Monatsgehalt in Form von Feriengeld ist für die Griechen nicht mehr drin.

Ein 14. Monatsgehalt in Form von Feriengeld ist für die Griechen nicht mehr drin.

(Foto: dpa)

Alle Griechen werden zudem über höhere Verbrauchssteuern zur Kasse gebeten: Der Haupt-Mehrwertsteuersatz wird von 19 auf 21 Prozent, niedrigere Sätze von 4,5 auf 5 Prozent und von neun auf zehn Prozent erhöht. Indirekte Steuern auf Tabak und Spirituosen steigen. Benzin und Diesel werden teurer. Erheblich erhöht werden die Steuern für Autos, Yachten und Hubschrauber.

Eine Sondersteuer in Höhe von ein Prozent müssen alle zahlen, die vergangenes Jahr mehr als 100.000 Euro verdient haben. Zur Kasse gebeten werden auch die Besitzer von Immobilien mit einem Wert von mehr als 5 Millionen Euro. Die Regierung streicht 500 Millionen Euro, die für Infrastrukturprojekte vorgesehen waren. Für je fünf in Rente gehende Beamte wird künftig nur noch einer eingestellt. Nach Erwartungen des Regierungssprechers werden diese Maßnahmen Einsparungen und Einnahmen in Höhe von etwa 4,8 Milliarden Euro bringen. Selbst die Kirchen bekommen den Sparwillen des Staates mit neuen Steuern zu spüren.

"Kriegssituation"

Noch am Mittwoch versuchte Papandreou die Gewerkschaften auf seinen Kurs einzuschwören, damit das Land nicht in einer Welle von Streiks versinkt. Die rund 300.000 Beamten des griechischen Staates kündigten aber bereits einen 24-stündigen Streik für den 16. März an.

Am Abend vor der Ankündigung seines Plans hatte Papandreou für die Situation in seinem Land harte Worte gefunden. Seinem Land drohe der Bankrott, es befinde sich in der "Kriegssituation", hieß es unter anderem.

Seiner Ansicht nach ist der Internationale Währungsfonds (IWF) die richtige Adresse für Hilfe. Die Eurozone sei nicht nur rechtlich daran gehindert, sondern habe auch nicht die nötigen Mittel. "Man sollte das dem IWF überlassen", sagte Sinn. Dieser sei mit genügenden Finanzmitteln ausgestattet worden und habe die Pflicht, Ländern wie Griechenland zu helfen.

Wer wettet gegen Griechenland?

Nachdem die Schuldenkrise Griechenlands offenbar zum Spekulationsobjekt geworden ist, kündigte die EU-Kommission nun eine interne Untersuchung zum Handel mit Kreditderivaten an. "Ich will wissen, wer das getan hat. Ich will es verstehen", sagte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier der britischen "Financial Times".

Mit Kreditderivaten (CDS) versichern sich Emittenten gegen Ausfallrisiken zum Beispiel bei Anleihen. In den vergangenen Wochen haben Spekulanten diesen Markt für sich entdeckt und mittels solcher CDS-Papiere auf einen Staatsbankrott Griechenlands gewettet, was daran abzulesen ist, dass die Kurse der Griechenland-Anleihen stark schwankten, obwohl sich die Volkswirtschaft Griechenlands nicht fundamental verändert hat.

Der Handel mit CDS-Papieren in Europa wird in London abgewickelt. Auch das Bundesfinanzministerium in Berlin hat bereits im Zusammenhang mit der griechischen Schuldenkrise mehr Transparenz bei bestimmten Derivaten gefordert. Frankreich drohte bereits ein Verbot der Ausfallversicherungen an.

EZB will eigenes Euro-Länderrating

In Brüssel will man aus der aktuellen Krise lernen. Einem Zeitungsbericht zufolge wollen die Regierungen der Euro-Zone die Dominanz der internationalen Ratingagenturen brechen. Wie das "Handelsblatt" unter Berufung auf informierte Kreise der EU-Finanzminister berichtet, soll die Europäische Zentralbank (EZB) ein eigenes Länderrating für die Euro-Staaten aufbauen, um sich nicht mehr auf die Bonitätsprüfung von Moody's, Standard & Poor's (S&P) und Fitch verlassen zu müssen.

"Die Agenturen haben sich im Fall Lehman total geirrt. Wer sagt uns, dass sie es nicht wieder tun?" zitierte das Blatt Ecofin-Kreise. In der EZB solle dieser Ansatz auf viel Zustimmung stoßen. Der Unmut in der Zentralbank sei groß, dass das Schicksal Griechenlands mittlerweile in der Hand einer einzigen Ratingagentur, nämlich Moody's, liege, zitiert die Zeitung Notenbankkreise. Die EZB selbst wollte dem Bericht zufolge dazu nicht Stellung nehmen.

S&P meldete sich derweil mit einer ungewohnt moderaten Einschätzung zur Schuldenkrise Griechenlands zu Wort. Die Ratingagentur sei bei der Bewertung weniger pessimistisch als die Finanzmärkte, heißt es. Das politische Ansehen der griechischen Regierung sei immer noch sehr hoch. Vorige Woche hatte S&P vor einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit Griechenlands gewarnt und dies mit möglichen Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes begründet. Dadurch könne die Reduzierung des Haushaltsdefizits erschwert werden.

Quelle: ntv.de, wne/rts/dpa/AFP/DJ

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