
Es wäre untertrieben, würde man behaupten, der Cupra Born wäre nur der dynamische Bruder des VW ID.3.
(Foto: Holger Preiss)
Vor zwei Jahren sollte der Cupra Born ja ein Seat werden und El Born heißen. Nun ist er zum Vorreiter für kommende sportliche E-Autos aus Spanien geworden. Aber kann der Elektriker an das anknüpfen, was mit Ateca oder Formentor auf Verbrennerseite vorgelegt wurde?
Eigentlich sollte der Stromer, der jetzt als Markenzeichen für ein neues Zeitalter bei Cupra fährt, der Neu-Geborene bei Seat werden. Nun ist aus El Born ein schlichtes Born geworden und das ist vielleicht auch gut so. Warum? Nein, nicht weil diese Geburt auf absehbare Zeit die Todesglocke für Seat ist, sondern weil mit dem Cupra Born ein ernst zu nehmendes Gegengewicht zum doch recht langweiligen VW ID.3 das Licht der Welt erblickt hat. Denn wie der Bruder aus Wolfsburg basiert auch der Born auf der MEB-Plattform des Konzerns und bedient sich auch sonst großzügig aus dem ID.3-Regal. Und dennoch handelt es sich beim in Spanien entwickelten und im sächsischen Zwickau zur Welt gebrachten Born um ein ganz anderes Fahrzeug.
Der Idee verpflichtet

Die deutlichsten Unterschiede zum Genspender VW ID.3 finden sich beim Cupra Born an Bug und Heck.
(Foto: Holger Preiss)
Ein Umstand, der natürlich auch der Philosophie geschuldet ist. Schließlich wurde Cupra im Jahr 2017 als Performance-Marke an der Seite von Seat ins Leben gerufen. Dass hier nun eine Art Brutus, ein Königsmörder entstanden ist, steht auf einem anderen Blatt. Fakt ist, dass so ein Born mit dem indianischen Stammeszeichen an Bug und Heck zum einen nicht aussehen darf wie ein ID.3-Klon, zum anderen darf er sich auf keinen Fall so fahren. Also haben zuerst die Designer einen anderen Strich gezogen, der den Born vor allem an Front und Heck zu einem eigenen, sehr sportlichen Auto macht. Selbst in der Seitenlinie ist die direkte Verwandtschaft zum Wolfsburger Bruder nur noch schwer zu erkennen.
Zudem wurde im Innenraum dafür gesorgt, dass Vorwürfe bezüglich billiger Materialien und stinklangweiliger Optik dem Spanier nicht gemacht werden können. Da wird das eigentlich viel zu kleine und langweilige Zentraldisplay von einer Art Nackenröllchen umrahmt, das in seinen Ausläufern auch noch das große Display oberhalb der Mittelkonsole umfasst. Auch die Türinnenverkleidungen oder das Dashboard fassen sich schöner an als im ID.3. Zudem betten sich Fahrer und Beifahrer auf Wunsch in Sportschalensitze, deren zentraler Teil aus sogenannten Seaqual-Fasern gefertigt ist. Während andere Hersteller an dieser Stelle immer die Zahl der verwendeten PET-Flaschen anführen, handelt es sich hier um Meeresplastik, die bei speziellen Aufräumarbeiten an Stränden und am Meeresboden gesammelt und anschließend recycelt wird. Hier gibt es also tatsächlich mal eine Symbiose von aktivem Umweltschutz und Elektromobilität.
Fit für unterschiedliche Gangarten
Doch zurück zu den Beigaben, die den Born zu einem echten Cupra machen sollen. Da wäre zum Beispiel, dass man dem spanischen Elektriker eine progressive Lenkung verpasst hat, ihn mit einem adaptiven Fahrwerk für die unterschiedlichen Gangarten fit macht, die Vorderachse im Vergleich zum ID.3 um 15 Millimeter und die Hinterachse um 10 Millimeter absenkt sowie dem Piloten die Möglichkeit gibt, das ESC komplett zu deaktivieren. Ob das am Ende klug ist, muss jeder Cupra-Fahrer für sich entscheiden. Denn der Born ist im Vergleich zum Pendant aus Wolfsburg eine echte Sportskanone. Aber auch er stößt an physikalische Grenzen. Und zwar genau dann, wenn es um sehr enge und schnell wechselnde Kurven geht.
In seiner momentan stärksten Ausführung leistet der Elektromotor des Born 204 PS und drückt ein maximales Drehmoment von 310 Newtonmetern auf die Hinterachse. Lediglich 7,9 Sekunden - und das ist eines echten Sportwagens würdig - dauert es, bis der Spanier auf Tempo 100 beschleunigt ist. Die Endgeschwindigkeit von 160 km/h vernachlässigen wir an dieser Stelle einfach, denn da sind andere durchaus flotter unterwegs. Ist aber auch egal, denn Cupra-Entwicklungsvorstand Werner Tietz sieht in der Höchstgeschwindigkeit auf lange Sicht nicht mehr das, was einen elektrisierenden Sportwagen ausmacht. Dann muss es ja das Wedeln um die Kurven sein. Und ja, auch das kann der Spanier im entsprechenden Fahrprogramm, also Performance oder Cupra, ganz hervorragend. Jedenfalls, so lange die Kurven eine gewisse Weite haben und der Radius nicht physikalische Gesetze bemüht. In diesen Kehren wirkt die Lenkung dann auch eng und direkt, folgt der Born willig den Befehlen, lässt sich vor den Kurven hart anbremsen und druckvoll herausbeschleunigen.
Für ganz schnelle Wechsel zu schwer

Für die Sitze des Cupra Born wird recycelte Plastik aus dem Meer und von Stränden verwendet.
(Foto: Cupra)
Aber wehe, es geht in den schon erwähnten schnellen Wechseln ums Eck, wie es sie in den Bergen rund um Barcelona reichlich gibt. Jetzt passiert etwas für Sportwagenfahrer Eigenwilliges: statt zu über- oder zu untersteuern, schiebt sich die Hinterachse über die 235er Pneus aus der Kurve. Die Bewegung gleicht am Anfang der einer Drift, resultiert aber nicht aus der Kraft, die auf die Antriebsräder übertragen wird, sondern aus dem Gewicht der Batterie, die mit etwa 150 Kilogramm zwischen den Achsen ruht, und ist damit nur schwer zu steuern. Klar, auch bei einer derartigen Bewegung greift das besser nie vollständig deaktivierte ESC hilfreich ein. Allerdings wirkt dieses Verhalten im ersten Moment nicht wirklich vertrauenerweckend. Am Ende muss dem Born aber bescheinigt werden, dass er sich, wenn auch mit Schweiß auf der Stirn, immer wieder einfangen lässt, und dass die Wahrscheinlichkeit, dass Fahrer außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrs derart hart an die Grenzen fahren, eher unwahrscheinlich ist. Letztlich wäre dieses Verhalten technisch dann auch nur abzustellen, wenn die Batterie deutlich leichter und leistungsfähiger wird.
Das korrespondiert dann auch mit den Visionen, die Tietz von kommenden Cupra-Modellen hat. Nicht nur, dass er fest davon überzeugt ist, dass die Batterietechnik in den nächsten Jahren mächtige Sprünge macht. Er will mit Blick auf die Cupra-Erfolge in der aktuellen E-Rallye künftigen Fahrzeugen auch einen ganz eigenen Elektrosound spendieren. Auf den verzichtet der Born nämlich komplett. Vorstellen muss man sich diesen zu erwartenden Klang wie einen futuristischen Raketenstart. Natürlich wird dieser Soundgewitter über Aktuatoren verstärkt werden, aber er soll nicht, wie zum Beispiel bei BMW, komponiert sein. Wenn es nach Tietz geht, wird er sich wie die Verstärkung des Geräusches des permanenterregten Synchronmotors anhören. Doch das sind momentan noch Töne aus der Zukunft. Bis es so weit ist, wird der Cupra-Pilot seine je nach Batteriestärke 340 bis 540 Kilometer in friedvoller oder dynamischer Stille abspulen.
Lang- oder kurzweilig?

Der Innenraum des Cupra Born ist in der Materialanmutung wesentlich hochwertiger als im ID.3.
(Foto: Cupra)
Ob er so friedvoll an der Ladestation verharrt, ist dann zum einen eine Charakterfrage, zum anderen die nach der zur Verfügung gestellten Kapazität und der georderten Batterie im Fahrzeug. So braucht der 45 kWh-Akku bei 7,2 kW knapp sieben Stunden, bis er von leer auf 100 Prozent geladen ist. Bei 50 kW sind es 42 Minuten, 110 kW schaffen es in einer halben Stunde. Ähnlich lang sind die Zeiten beim Befüllen der 58-kWh- und der kommenden 77-kWh-Batterie. Bei 11 kW sind es sechs respektive siebeneinhalb Stunden. Wer mit 120 oder 125 kW lädt, schafft es in knapp 30 Minuten. Wer also den richtigen Anschluss hat, kann mit dem Cupra Born sogar die sportliche Langstrecke wagen. Denn mit einem Radstand von 2,77 Meter gibt es gute Platzverhältnisse in der zweiten Reihe und mit etwas Bedacht reichen die 385 Liter Kofferraumvolumen auch für die Urlaubsreise.
Bleibt wie immer zu klären, was die Spanier für ihren sportlichen Kompakten, der ab November verfügbar ist, haben wollen. Der Einstiegspreis ist mit 37.220 Euro für die 58-kWh-Variante knapp bemessen und schrumpft dank staatlicher Förderung auf 27.650 Euro. Ein durchaus attraktives Angebot. Was der Cupra mit der kleineren und der großen Batterie kostet, ist noch nicht bekannt. Allerdings kann der Preis am Ende doch noch etwas nach oben gehen, eben dann, wenn zum Beispiel für ein Head-up-Display mit Augmented Reality das Kreuz in der Optionsliste gesetzt wird oder auch für die Sportsitze mit veganen, recycelten Mikrofasern. Die kosten dann mit dem Dinamica-Pack 1710 Euro extra. Kommen so Feinheiten wie automatische Distanzregelung (ACC), Navi, Spurhalteassistent und Totwinkelwarner dazu, sind das weitere 1800 Euro. Am Ende sind die zu buchenden Optionen aber recht überschaubar und mit mehr als 45.000 Euro ist selbst dann nicht zu rechnen, wenn die Hütte mit allen Extras bestückt wird.
Quelle: ntv.de