
Zum siebten Mal hat Codemaster die Rennsaison der Formel 1 in ein Videospiel gepackt. Noch detailgetreuer, noch schneller und mit besseren Features kann der Spieler jetzt als Pilot durch die Saison jagen. Aber es gibt auch einen Haken.
Die Formel-1-Saison neigt sich dem Ende zu. Zwei Rennen stehen noch aus. Ob Nico Rosberg am Ende als Weltmeister aus dem Boliden steigt oder doch Lewis Hamilton die Nase vorn haben wird, steht noch in den Sternen. Deshalb ist es gar nicht schlecht, dass es jedes Jahr eine aktuelle Ausgabe des von Codemaster entwickelten Videospiels für Playstation, Xbox One und Windows PC zur Formel 1 gibt: die Rede ist von "F1 2016".
Seit August ist die Rennsimulation auf dem Markt und verspricht die bis dato authentischste Formel 1 aller Zeiten. Tatsächlich hat sich im Vergleich zu "F1 2015" einiges verbessert. War es zum Beispiel im alten Spiel lediglich möglich, in einer "Profikarriere" mit einer selbst kreierten Figur ins Renngeschehen einzusteigen, gibt es jetzt auch wieder einen "Karriere"-Modus. Worin der Unterschied besteht? Nun, in der Profikarriere ist der Spieler für alle fahrtechnischen Belange selbst verantwortlich. Das heißt, nicht nur der auch im echten Rennen wieder eingeführte manuelle Start obliegt dem Player, auch die Schalt- und Bremspunkte sind selbst verantwortet. Wer wissen möchte, wie komplex die Steuerung eines F-1-Boliden ist, der sollte diesen Modus unbedingt ausprobieren, muss aber mit argen Rückschlägen rechnen.
Zeit und Geduld im Profimodus
Hinzu kommt, dass der Spieler enorm viel Zeit investieren muss. Ein Rennwochenende besteht aus drei Trainingseinheiten von zweimal 90 Minuten und einmal 60 Minuten. Allein dafür braucht man also vier Stunden. Hinzu kommen das Qualifying und das Rennen, die jeweils in Echtzeit gefahren werden müssen. Wer also nicht in Zeit schwimmt und sich höchste Ziele in puncto Perfektion setzt, der sollte lieber die "einfache" Karriere spielen. Hier beträgt die Trainingslänge noch dreimal 30 Minuten und auch Qualifying und Rennen können im Zeitaufwand begrenzt werden. Letztlich sind die Verläufe in beiden Modi natürlich identisch. Dabei lässt die Unterstützung durch die virtuellen Assistenzsysteme den Spieler aber schneller zum Erfolg kommen, was die Frustration niedrig hält und damit den Spaß vor allem für Einsteiger und wenig geübte "Rennfahrer" deutlich erhöht.
Natürlich gibt es auch hier Einschränkungen. Wer sich beispielsweise bei den Silberpfeilen einschreibt, der muss im Team gegen Nico Rosberg oder Lewis Hamilton fahren. Beim Test des Spiels blieb der Schreiber hier chancenlos. Was mit zunehmender Spieldauer aber ungemein nervig ist, ist der Umstand, dass die Konkurrenz erschreckend fehlerfrei fährt. Da wird kein Zentimeter von der Ideallinie abgewichen, immer der perfekte Bremspunkt gewählt und Überholmanöver der anderen Fahrer finden für den Spieler nur unsichtbar statt. So fährt kein Fighter in der Formel 1, schon gar nicht ein Max Verstappen oder ein Lewis Hamilton. Möglichkeiten, die Gegner zu übertreffen, gibt es eigentlich nur in den Kurven und im DRS-Fenster, wenn der Heckflügel geöffnet wird. Die Kurven bieten vor allem in der Einstellung "Einfach" eine gut Position, sich in die Punkteränge zu fahren, denn hier bremst die Renngemeinschaft sehr früh ein und kann relativ einfach überholt werden.
Mit Jenson Button in die Punkte
Ein Umstand, der es möglich macht, auch als Jenson Button im McLaren-Honda in einem Rennen in die Punkte zu fahren. Das macht stolz und lässt wenigstens im Spiel auf eine Änderung der Kraftverhältnisse in der Königsklasse hoffen. Aber auch bei den Ansichten innerhalb des Spiels gibt es im Vergleich zum Vorgänger einige Änderungen. So ist es jetzt möglich, sich bei der Setup-Auswahl für den Boliden aus dem Cockpit in der Garage umzusehen. Das ist jetzt ganz bestimmt nicht rennentscheidend, bringt die Situation aber wieder ein Stück näher an die Realität.
Wichtig ist auch, dass jetzt während der Fahrt über die L1-Taste (Playstation) Fragen an die Renningenieure gestellt werden können. So erhält der Spieler zum Beispiel Informationen über den Abstand zum Vorder- oder Hintermann. Über die Taste "Kreis" können Fahrzeugdaten wie Reifenverschleiß oder -temperatur abgerufen werden. Neu ist auch, dass der Wagen bei der Einfahrt in die Boxengasse selbständig abgebremst werden muss. Wer hier zu schnell reinrauscht, bekommt eine Zeitstrafe. Ebenfalls neu ist auch die Einführungsrunde vor dem Rennen. Zurück ist das Safety Car, das jetzt auch noch durch ein virtuelles Safety Car ergänzt wird. Auch Unfälle und Schäden am Fahrzeug wirken wesentlich echter als im Vorgängerspiel.
Von der Realität bis "Walking Dead"
Insgesamt ist "F1 2016" noch näher an den Rennzirkus der Königsklasse gerückt und vermittelt tatsächlich in vielen Details einen Blick hinter die Kulissen. Insgesamt bekommt der Spieler durch die Rücknahme der mannigfachen Helferlein ein viel besseres Gefühl für Geschwindigkeit und Fahrverhalten der Formel-1-Boliden. Auch die Renngrafik hat mit Blick auf den Vorgänger noch einmal deutlich gewonnen. Spürbar wird das vor allem bei Regenrennen, oder beim Gang ins Kiesbett. Dafür ein großes Lob. Mehr Mühe hätten sich die Spielemacher bei der Animation der Piloten und des bekannten Umfeldes wie Toto Wolf oder Maurizio Arrivabene geben können. Auch bei den Piloten gibt es bessere und schlechtere Animationen. Während ein Sebastian Vettel wirklich gut getroffen ist, ist Nico Rosberg kaum zu erkennen und Lewis Hamilton sieht aus wie eine Spitzmaus. Hier sollte sich Codemaster mal ein Beispiel an EA Sports und FIFA nehmen.
Fast schon lustig sind die Renningenieure, Techniker und Journalisten, die in den Zwischenblenden manchmal wie Figuren wirken, die "The Walking Dead" entsprungen sind. Auch die steten Wiederholungen der Piloten vor dem Rennen wirken irgendwann unecht: Egal, wer in seinem Rennwagen gezeigt wird, wird im Gespräch mit dem Techniker erst den Kopf schütteln, dann nicken. Nun reicht es aber mit der Meckerei. In allen anderen Fällen erfreut die Detailtreue in und an den Rennwagen, an den Rennstrecken und auch die fast liebevolle Massenanimation des Publikums trägt wiederum zum sehr guten Gesamtbild des Spiels bei.
Fazit: Wer schon immer mal als Fahrer in die Formel 1 schnuppern wollte oder mit einer gehörigen Portion Erfahrung aus den Vorgängerspielen in die letzte Saison einsteigen möchte, der kann mit "F1 2016" nichts verkehrt machen. Vielmehr sollte er das dem Karriere-Modus vorgestellte Motto "Gehe deinen eigenen Weg und werde zur Legende unter eigenem Namen" beherzigen und sich an die Konsole oder den PC wagen, um von dort ins Cockpit zu steigen. Am Ende – und das ist versprochen – ist auch ein Lewis Hamilton im Silberpfeil zu schlagen. Mit ein wenig Übung, versteht sich.
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Quelle: ntv.de